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1920-1929

Wilhelm Rosenbergs politische Wirksamkeit (1923)
Das österreichische Problem (1923)
Das österreichische Währungsproblem vor dreissig Jahren und Heute (1922)
Inflation und Geldknappheit (1922)
Rezension: William F. Spalding, Eastern Exchange, Currency and Finance. (1922)

Das österreichische Währungsproblem vor dreissig Jahren und Heute (1922)

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Quelle: Neue Freie Presse (Wien) Nr. 20672, 17. März 1922; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Vom 8. bis zum 17. März 1892 tagte in Wien die von der Regierung einberufene Währungsenquetekommission. Den Vorsitz führte der Finanzminister Steinbach; ihm zur Seite stand als Sektionschef der unvergessliche Böhm-Bawerk. Sechsunddreißig Experten waren erschienen, um die fünf Fragen zu beantworten, die die Regierung vorgelegt hatte. Kein Oesterreicher, der über die Währungsangelegenheiten etwas von Bedeutung zu sagen hatte, war bei der Zusammenstellung der Mitgliederliste übergangen worden. Neben Karl Menger, dem Begründer der österreichischen Schule der Nationalökonomie, sah man Wilhelm v. Lucam, den hochverdienten langjährigen Generalsekretär der Oesterreichisch-ungarischen Bank, Moriz Benedikt, den Herausgeber der „Neuen Freien Presse“, Theodor Thaussig, den geistigen Führer der Wiener Bankwelt, und Theodor Hertzka, den Währungsschriftsteller und Sozialpolitiker. Der starke Quartband der stenographischen Protokolle dieser Sitzungen ist noch heute eine Quelle bester Belehrung in allen währungspolitischen Dingen.

Das Problem, das die österreichische Finanzpolitik damals zu lösen hatte, lag allerdings anders als das, das uns heute gestellt ist. Damals war mehr als ein Vierteljahrhundert verstrichen, seit der Fiskus zum letztenmal die Notenpresse zur Deckung des Defizits in Anspruch genommen hatte. Der Staatsnotenumlauf war seit Jahrzehnten kontingentiert und die Notenausgabe der Oesterreichisch-ungarischen Bank diente ausschließlich kommerziellen Zwecken. Nicht fortschreitende Geldentwertung war das Uebel, das zur Inangriffnahme der Valutaregulierung trieb, sondern fortschreitende Geldwertsteigerung. Der Preis für 100 Gulden Gold (250 Goldfrancs) betrug:

 

 Im Durchschnitt des Jahres
 Gulden Oe. W. Noten
 1887 
 125,25
 1888  122,87
 1889  118,58
 1890  115,48
 1891  115,83

Man forderte die Regulierung, um dem weiteren Steigen der österreichischen Valuta einen Riegel vorzuschieben. Das war nicht schwer. Es genügte, den Papiergulden durch Gesetz in eine bestimmte Relation zum Gold zu bringen und die Oesterreichisch-ungarische Bank zu verpflichten, jede ihr zum Kauf angebotene Goldmenge nach dieser Relation gegen ihre Noten einzutauschen, um das weitere Fallen der Devisenkurse an der Wiener Börse unmöglich zu machen. Diesen Weg hat die Gesetzgebung auch betreten. Seit dem 11. August 1892, dem Tage des Inkrafttretens der Valutagesetze, konnte der Wert des Guldens Österreichischer Währung (2 Kronen nach der neuen Bezeichnung} sich über den Wert von 2 Francs 10 Centimes oder 1 Mark 70,1 Pfennig nicht wesentlich erheben. Die Begrenzung der Wertbewegung der Devisenkurse nach obenhin ist erst einige Jahre später durch die faktische Aufnahme der Barzahlungen durch die Devisenpolitik der Oesterreichisch-ungarischen Bank erfolgt. Oesterreich-Ungarn erhielt damit eine Goldkernwährung – Gold Exchange Standard – wie sie nach Ideen, die David Ricardo 1816 in der Schrift „Proposals for an Economical and Secure Currency” entwickelt hatte, Britisch-Indien und viele andere Staaten bereits eingeführt hatten.

Heute haben wir größere Schwierigkeiten zu überwinden, um zu geordneten Währungsverhältnissen zu gelangen. Zuerst muß das Defizit des Staatshaushaltes verschwinden oder zumindest dafür gesorgt werden, daß die Abgänge ohne Inanspruchnahme der Notenpresse gedeckt werden. Dann erst wird man daran denken können, das Währungsproblem zu lösen. Jedes andere Verfahren müßte notwendigerweise zu einem Mißerfolg führen. Die Erfahrungen der letzten Jahre dürften wohl auch die eifrigsten Befürworter der Politik künstlicher Stabilisierung der Valutenkurse von der vollständigen Nutzlosigkeit aller derartigen Versuche überzeugt haben.

1892 standen sich die Anhänger des leichten Guldens und die des schweren Guldens gegenüber. Jene wollten den Geldwert vor der Stabilisierung herabdrücken, diese wollten ihn heben. Moriz Benedikt, durch den Zufall des Alphabets bereits in der ersten Sitzung der Enquetekommission als zweiter in der Reihe der Redner zum Worte gelangt, lehnte die eine wie die andere Lösung ab. „Jene Relation“, meinte er, „wird die beste sein, welche nach ihrer Deklarierung den allergeringsten Eindruck auf die wirtschaftliche Lage ausüben wird. Die Relation muß daher den faktischen Verhältnissen möglichst nahe kommen.“ Die Angesehensten unter den Mitgliedern der Kommission haben sich seiner Meinung angeschlossen. Menger erklärte sich mit einigen Einschränkungen, Richard Lieben mit aller Entschiedenheit für den Momentkurs. Die Ausführungen, mit denen diese drei Männer ihren Standpunkt begründeten, sind noch heute wert, gelesen und durchdacht zu werden.

Damals wie heute bewegte viele die Frage, ob nicht durch die Ungunst der Zahlungsbilanz das Gold zum Abströmen gebracht werden könnte. Man meinte, daß Oesterreich als ein an das Ausland verschuldetes Land nicht imstande sein werde, sein Geldwesen auf die Dauer in Ordnung zu erhalten. Unter den Fragen, die die Regierung der Kommission vorgelegt hatte, befand sich keine, die darauf unmittelbar Bezug genommen hätte. Doch kaum ein Experte unterließ es, sie zu berühren. Von allen Gegenständen, die in den Sitzungen der Kommission behandelt wurden, hat dieser für die Gegenwart die größte Bedeutung. Mögen die konkreten Tatsachen heute auch ganz anders liegen als damals, die grundsätzliche Lösung des Problems bleibt auch für die Verhältnisse des neuen Oesterreich dieselbe. Nicht die Ungunst der Zahlungsbilanz, sondern die Wirkung jener Verkettungen, die das bekannte Greshamsche Gesetz beschreibt, treibt die Kurse des ausländischen Geldes in die Höhe. Nichts anderes kann der Wertbeständigkeit des Geldes gefährlich werden als die Inflation.

Hätte die Welt sich nie von den Grundsätzen entfernt, die Bamberger, Michaelis und Soetbeer bei der Schaffung der deutschen Reichsgoldwährung erfüllt haben, hätte sie die Lehren beherzigt, die in den Ausführungen der österreichischen Währungsenquetekommission von 1892 niedergelegt sind, das Geldwesen wurde heute anders aussehen. Das große Währungschaos bewährt aufs neue die Richtigkeit der Lehren der Vorkämpfer einer Sound Currency und zeigt, wohin der Inflationismus führen muß.