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2.3. Güterkonzentration, Monopolisierung und Wettbewerb

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III.

[S.131] Aber vielleicht ist das nur zufälligerweise so?! Es läßt sich zeigen, daß dies unwahrscheinlich ist, und warum in einer anarchischen Ordnung in der Tat realistischerweise eher eine Tendenz abnehmender als zunehmender Konzentration und Monopolisierung erwartet werden kann.

Im Zusammenhang mit dem erörterten Fragekomplex ist nur der Prozeß der Konzentration bzw. Monopolisierung von Produktionsfaktoren ein relevantes Problem; die Erscheinung entsprechender Prozesse im Hinblick auf Konsumgüter kann demgegenüber als unwesentlich übergangen werden, weil sie (geht sie nicht Hand in Hand mit einem Prozeß der Konzentration und Monopolisierung der zur ihrer Herstellung benötigten Produktionsfaktoren) jederzeit durch Imitation bzw. Verdopplung gebrochen werden könnte, und daher nur den Charakter einer Übergangserscheinung hätte. – Monopolisierung eines Produktionsfaktors heißt nun: Entzug dieses Faktors aus dem Prozeß des gesellschaftlichen Güteraustauschs. Für einen monopolisierten Produktionsfaktor gibt es, weil er dem Handel entzogen ist, keinen Marktpreis. Entsprechend heißt zunehmende gesellschaftliche Monopolisierung, daß mehr und mehr der zur Herstellung von Konsumgütern benötigten Produktionsfaktoren aus dem Markt genommen werden, und folglich keine monetäre Größe existiert, durch die die durch die Zurückhaltung der jeweiligen Faktoren entstehenden Kosten ausgedrückt werden könnten. Im Grenzfall einer Monopolisierung sämtlicher Produktionsfaktoren in einer einzigen Hand gäbe es für keinen einzigen der Vielzahl der im Produktionsprozeß eingesetzten Produktionsfaktoren einen Geldpreis und könnten die Produktionskosten des gegebenen Konsumgüteroutputs insgesamt nicht mehr monetär bemessen werden. Von daher rührt die These L. v. Mises’, daß Wirtschaftsrechnung (ökonomische Kalkulation) im (Voll-)Sozialismus, [S.132] der durch Monopolisierung aller Produktionsfaktoren in einer einzigen Hand gekennzeichnet ist, unmöglich ist.[FN54]

Geht man davon aus, daß der Monopolist den Produktionsprozeß nicht als Selbstzweck betreibt, sondern im Austausch gegen die von ihm hergestellten Güter eine möglichst große Gegenleistung zu erzielen sucht, m. a. W.: unterstellt man, der Monopolist tue das, was ihm von seinen Kritikern immer unterstellt wird, nämlich einen möglichst großen Gewinn anzustreben, so ergibt sich angesichts der gerade getroffenen Feststellung über die Bedeutung von Monopolisierung ein scheinbar paradox anmutendes Ergebnis: Gerade weil der Monopolist, wie die meisten Wirtschaftssubjekte, einen größeren Ertrag einem kleineren vorzieht, hat er ein Interesse daran, daß sämtliche der von ihm eingesetzten Produktionsfaktoren auch einen Marktpreis haben. Hat nämlich einer dieser Faktoren (oder gar alle) keinen Preis, so könnte er nicht mehr feststellen, ob ihr Einsatz, gemessen an den erzielten Erlösen, die Kosten wert war oder nicht; und vor allem könnte er in der Vorschau niemals entscheiden, ob seine geplante Verwendungsweise dieser Faktoren, gemessen an gegebenen Erlöserwartungen, die denkbar wertproduktivste (most value productive) u. d. i.: die profitabelste Verwendungsweise darstellt oder nicht. Gerade um so viel Gewinn wie möglich zu machen, muß der Monopolist ein unmittelbares Interesse an der Aufhebung seiner Monopolstellung und an einer Einbeziehung des monopolisierten Produktionsfaktors in das Marktgeschehen haben; er müßte sie ständig zum Verkauf anbieten, um aufgrund der Kaufangebote sicherzustellen, daß sie in der Tat der profitabelsten (und also wertproduktivsten) Verwendungsweise zugeführt werden.[FN55]

Damit nicht genug. Die aus dem Profitmotiv folgende Tendenz zur Auflösung von Monopolisierungsprozessen verstärkt sich, berücksichtigt man weiter folgendes: Mit jedem Fortschreiten einer Monopolisierungstendenz verschärft sich für den Monopolisten das Problem, daß aufgrund der Unmöglichkeit ökonomischer Kalkulation nicht mehr sichergestellt werden kann, daß die Produktionsfaktoren tatsächlich so effizient und wertproduktiv wie möglich genutzt werden. Dies gilt zumal, wenn man von der (kaum strittigen) Annahme ausgeht, daß auch der Monopolist, wie jede andere Person oder Personengruppe, nicht allwissend ist, und seine Unwissenheit im Hinblick auf Konsumentenwünsche und deren relative Dringlichkeit, ebenso wie im Hinblick auf Produktionsfaktoren, die zum Zweck der Befriedigung [S.133] dieser Bedürfnisse am besten geeignet sind, umso stärker ins Gewicht fallen muß, je weiter der Monopolisierungsprozeß fortgeschritten ist. Je mehr Produktionsfaktoren aus dem Markt genommen sind, und je größer der Kreis der durch Einsatz dieser Faktoren bedienten Konsumenten, umso unwahrscheinlicher wird es, daß ein des Hilfsmittels der Wirtschaftsrechnung beraubter Produzent noch über die Informationen verfügt, die er benötigen müßte, um in der Lage zu sein, selbst die profitabelste Anlagemöglichkeit für die von ihm eingesetzten Produktionsfaktoren zu kennen. Statt dessen wird es im Zuge solcher Monopolisierungstendenzen umgekehrt immer wahrscheinlicher, daß andere Personen oder Personengruppen (aufgrund ihres Interesses an möglichst großen Gewinnen aus Produktionstätigkeit!) solche im Vergleich zu der durch den Monopolisten vorgesehenen Verwendung profitableren und wertproduktiveren Verwendungsmöglichkeiten sehen (weil sie, gleichsam ohne etwas dazu tun zu müssen, allein schon aufgrund ihrer jeweils speziellen Position im geographischen Raum und historischer Zeit, über spezielles Wissen spezielle Umstände betreffend verfügen, während es für den Monopolisten mit zunehmender Monopolisierung von Produktionsfaktoren zunehmend schwieriger und kostspieliger werden muß, in den Besitz entsprechend kleinaggregierter Daten besondere Umstände betreffend zu gelangen).[FN56] Die Wahrscheinlichkeit also, daß ein Monopolist – aus Profitinteresse – monopolisierte Produktionsfaktoren an andere Personen verkauft, weil diese sie aufgrund ihres spezialisierten Wissens für dringendere Konsumentenwünsche einzusetzen wissen als der Monopolist – derart, daß letzterer aufgrund des Verkaufs der Produktionsfaktoren einen größeren Erlös erzielte, als wenn er sie selbst einzusetzen versuchte – steigt mit jedem zusätzlichen Monopolisierungsvorgang.

Der Nachweis der Unmöglichkeit ökonomischer Kalkulation im Hinblick auf monopolisierte Produktionsfaktoren und die beiden empirischen Annahmen, daß Produzenten einen größeren Erlös einem kleineren vorziehen, und daß die Kosten der Informationsbeschaffung für einen Produzenten mit zunehmendem Monopolisierungsgrad steigen, führen so zur Aussage: es ist empirisch unwahrscheinlich, daß anarchische Ordnungen eine Tendenz zunehmender Konzentration bzw. Monopolisierung von Produktionsfaktoren aufweisen.

Um darüber hinaus zur Aussage zu gelangen, die angesprochene Tendenz sei sogar im Vergleich zu derjenigen, die man bei Aufgabe anarchischer Ordnungen als empirisch wahrscheinlich zu erwarten hätte, eine Tendenz (relativ) zunehmenden Wettbewerbs (so die Kolko-These), bedarf es noch eines zusätzlichen Nachweises: Ist ein Gewaltmonopolist zugelassen, so hat dieser (und all diejenigen, die er an seinem Monopol unter bestimmten Voraussetzungen teilhaben läßt) im Vergleich zu allen übrigen Rechtssubjekten ein zusätzliches Mittel zur Verfügung, um die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verbessern: er darf einen Gü- [S.134] teraustausch einseitig, zu seinen Bedingungen aufzwingen, und muß nicht generell abwarten, bis ein Austauschpartner ein Angebot freiwillig annimmt.

Unterstellt man dem Gewaltmonopolisten, daß auch er, wie die unter Geltung des GWAP operierenden Produzenten, vom Profitmotiv getrieben ist, so ergibt sich, daß der von ihm betriebenen Unternehmung deshalb eine im Vergleich zu allen übrigen Unternehmungen vergrößerte Wachstums- und Monopolisierungstendenz innewohnt, weil sie im Vergleich zu ihnen beim Wettbewerb um knappe Güter über einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil verfügt: sie darf Preise verlangen, die insoweit überhöht sind, als das zahlende Publikum nicht ohne Anwendung oder Androhung von Gewalt bereit wäre, sie in verlangter Höhe zu zahlen!

In der Tat genügt eine kurze Betrachtung des Staates, als dem höchst realen Beispiel eines Unternehmens, das in seinem Verhalten nicht an das GWAP gebunden ist, sondern Zwangsaustauschakte vornehmen darf (sofern nur bestimmte Regeln der Mehrheitsbildung o. ä. eingehalten werden), um diese Erwartung bestätigt zu finden: In allen westlichen Demokratien ist der Staat die bei weitem größte Unternehmung, größter Vermögensbesitzer und größter Einkommensbezieher; und überall auch stellt das Wachstum des Staates das privatrechtlicher Unternehmungen bei weitem in den Schatten.[FN57] Und umgekehrt zeigt Erfahrung im Umgang mit dem Unternehmen Staat auch, daß es ohne das ihm verliehene Ausnahmerecht zur Durchführung von Zwangsaustauschakten unverzüglich zerbröckeln würde. Ein Staat ohne Besteuerungsmacht, der sich wie jede privatrechtliche Unternehmung aus dem freien Verkauf seiner Leistungen finanzieren müßte, könnte mit Sicherheit nirgendwo in der gegenwärtigen Größenordnung weitergeführt werden. Statt dessen würde er sofort in eine Vielzahl z. T. erheblich kleinerer, organisatorisch selbständiger Teilunternehmen zerfallen, die sich teilweise schnell und erfolgreich, zum großen Teil aber sicher nur unter schmerzhaften Verlusten oder gar nicht am Markt behaupten könnten.

Demnach bestätigt Erfahrung in doppelter Hinsicht die oben hergeleitete These, daß es erst bei einer Abweichung von einer universellen Geltung des GWAP, bei Übergang zu einer politischen Ordnung, zu einer Tendenz zunehmender wirtschaftlicher Konzentration und Monopolisierung kommt; und daß umgekehrt immer dann, wenn es an einer Stelle im Geflecht sozialer Beziehungen zur Aufhebung eines Gewaltmonopols kommt, mit einer Tendenz zunehmenden Wettbewerbs zu rechnen ist.[FN58]