Home Kontakt Sitemap Impressum

3.1.1. Gewalt

I.
II.

I.

[S.142] Ein Staat kann nicht allgemein gerechtfertigt werden; denn er eignet sich Eigentumstitel anders als durch ursprüngliche Appropriation oder Vertrag an.[FN67] Anarchische Ordnungen, die sich aus dem Zusammenspiel von Handlungen ergeben, die strikt dem GWAP und den auf ihm aufbauenden Eigentumsnormen folgen, können dagegen auch ‚Staatsaufgaben’ wie Sicherheitsproduktion und Monopolkontrolle lösen. Wie ist es gleichwohl offensichtlich möglich, daß es Staaten gibt? Und welche Auswirkungen hat es auf eine wirtschaftliche oder anarchische Ordnung, und den durch sie für die gesellschaftliche Versorgung an materiellen und immateriellen Gütern geleisteten Beitrag, wenn durch die Existenz eines Staates politische Elemente in sie eingeführt werden, und wenn sie mit Anwachsen des Staates gar zunehmend entwirtschaftlicht bzw. politisiert wird?

Im Hinblick auf die zunächst zu erörternde Frage nach den Entstehungsgrundlagen des Staates gilt es zu Beginn einmal mehr festzuhalten, daß es nicht um eine empirisch-kausalwissenschaftliche Theorie der Staatsentstehung und entwicklung geht oder gehen kann: Genauso, wie es aufgrund der Unvoraussagbarkeit zukünftiger Wissenszustände und Interessen und sie manifestierender Handlungen unmöglich ist, vorauszusagen, wie eine gesellschaftliche Ordnung aussehen wird, die sich unter vorausgesetzter Geltung des GWAP ergibt, genauso wenig ist es voraussagbar, ob reale Personen die Geltung des GWAP in der Tat allgemein anerkennen, oder ob es stattdessen zu einer institutionalisierten Sonderstellung bestimmter Personen(-gruppen) bzw. bestimmter durch Personen vertretener Körperschaften gegenüber diesem Regelsystem kommt, und welche konkrete Gestalt diese Sonderstellung annimmt. Es geht nicht um eine Theorie, die uns vorauszusagen gestattet, wann unter welchen Umständen welche Art von Staat entsteht und sich gegebenenfalls wie verändert. Zu diesem Thema kann es nur historische, rekonstruierende Untersuchungen geben. So vielmehr, wie es auch im Zusammenhang mit der Erörterung des GWAP bzw. anarchischer Ordnungen darum ging, den aus aprioristischen Handlungskategorien abgeleiteten Begriff wirtschaftlichen Handelns an realistischen Datenkonstellationen zu erklären bzw. die Funktionsweise anarchischer Ordnungen angesichts bestimmter realer Probleme (Sicherheit, Monopolisierung) [S.143] zu verdeutlichen, so geht es hier, im Zusammenhang mit dem Thema Staat, darum, den Begriff des politischen Handelns zu veranschaulichen bzw. die Funktionsweise staatlicher Ordnungen angesichts realer Probleme zu erläutern.

Das reale Problem ist dies: Wenn der Staat sich Eigentumstitel in unrechtfertigbarer Weise aneignet, dann schädigt er annahmegemäß irgendwo irgendwelche rechtmäßigen Eigentümer; er erzeugt, indem er von einem Privileg Gebrauch macht, diskriminierte Opfer; er erhöht sein (aus monetären und nicht-monetären Bestandteilen zusammengesetztes) Einkommen auf Kosten einer entsprechenden Einkommensreduzierung bei anderen Personen. Angesichts dessen muß realistischerweise von Widerstandsneigungen gegen staatliche Aktivitäten ausgegangen werden. Diese Neigungen können hinsichtlich ihrer Intensität schwanken und eine für die Stabilität eines gegebenen Staats mehr oder weniger große Bedrohung darstellen, deren Abwehr für ihn mit mehr oder weniger großen Kosten verbunden ist. Nimmt man an, daß der Staat bzw. die ihn repräsentierenden Personen an (Einkommens
)Stabilität interessiert sind, und daß sie daran interessiert sind, das Einkommen so weit wie möglich zu erhöhen und ihre privilegierte Position auszubauen, so stellt sich die obige Frage nach der Möglichkeit des Staates präziser so: welches sind die Voraussetzungen staatlicher Stabilität angesichts eines gegebenen Widerstandsniveaus; und was sind die Voraussetzungen von Stabilität angesichts eines Widerstandsniveaus, das wächst, weil entweder die Opfer sich verändern und gegenüber einem gegebenen staatlichen Aktionsschema rebellischer auftreten, oder weil der Staat sich verändert, indem er über ein gegebenes Niveau hinausgehende Aneignungsakte vornimmt?