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3.2.3. Demokratisierung

I.
II.
III.
IV.

II.

[S.184] Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen über das Wesen der Demokratie als Staatsverfassung ist die Antwort auf die Frage nach den ökonomischen Konsequenzen zunehmender Demokratisierung zu suchen: Dabei geht es nicht um die indirekten Auswirkungen von Demokratisierungsprozessen. Diese sind im wesentlichen behandelt worden. Wie ausgeführt ist Demokratisierung aus der Sicht der Staatsleitung ein Mittel, um durch Entpersönlichung der Herrschaft das Ausmaß herrschaftlicher Eingriffe in den Privatrechtsverkehr zu steigern;[FN109] und wie gezeigt, impliziert eine solche Ausweitung eine Umverteilung von Ressourcen von produktiveren und effizienteren auf weniger produktive und effiziente Personen bzw. von Personen, die unter einer konsumentenorientierten Anreizstruktur tätig sind auf solche, die es nicht oder nur in verringertem Maße sind, und natürlich muß der gesellschaftliche Wohlstand an Austauschgütern hierunter leiden.

Aber dieser relative Verarmungseffekt ist nur eine mittelbare Auswirkung von Demokratisierung. Denn jeder Staat (keineswegs nur der demokratische) hat, sofern seine Repräsentanten ein höheres einem niedrigeren Einkommen vorziehen, [S.185] die Tendenz, seinen Tätigkeitsbereich auszuweiten und dadurch den Prozeß relativer gesellschaftlicher Verarmung zu beschleunigen; Demokratisierung ist hierbei lediglich Mittel zum Zweck, und insoweit können die angesprochenen Wirkungen eines Staatswachstums ihr auch nur indirekt zur Last gelegt werden. – Anstatt um die indirekten, geht es um die direkten ökonomischen Konsequenzen von Demokratisierungsprozessen, d. i. um diejenigen Folgen, die selbst dann eintreten, wenn es infolge zunehmender Demokratisierung nicht zu einer Verbesserung der staatlichen Einkommenslage kommt.

Zwar ist es faktisch so, daß Demokratisierungsvorgänge regelmäßig mit einer Ausweitung staatlicher Tätigkeitsbereiche Hand in Hand gehen, und ebenso regelmäßig trifft es zu, daß Demokratisierung sich mit zusätzlichen staatlicherseits subventionierten Personenzahlen verbindet (sei es, weil im Zug der Demokratisierung zusätzliche Personen in den öffentlichen Dienst übernommen werden, oder sei es, weil die Zahl fremdsubventionierter Personen in dessen Verlauf zunimmt). Dennoch läßt sich der Vorgang der Demokratisierung und lassen sich die von ihm ausgehenden ökonomischen Folgen analytisch eindeutig von den empirisch damit verkoppelten Vorgängen zunehmenden Staatswachstums und gesteigerter Fremdsubventionierung und deren Folgen unterscheiden: zunehmende Demokratisierung bewirkt immer (isoliert von Nebeneffekten aller Art) einen direkten und unmittelbaren Strukturwandel im Hinblick auf die gesellschaftliche Verwendung (zumindest) der knappen Ressource Zeit (wenn nicht auch anderer Ressourcen). Namentlich im Unterschied zur Situation, in der eine Steigerung staatlicher Einnahmen oder von Fremdsubventionierungen ohne erweiterte Demokratisierung erfolgt (in der im Hinblick auf die Ressource Zeit logischerweise also nur eine Reallokation von Produktionstätigkeiten auf Freizeit- und Konsumtätigkeiten, oder von effizienteren auf weniger effiziente Produktionstätigkeiten, oder umgekehrt, erfolgen kann!), wird, sollte Demokratisierung damit verbunden sein, darüber hinausgehend auch eine Reallokation von Zeit von Produktions- und Freizeit- bzw. Konsumaktivitäten auf die Tätigkeiten der Planung, Propagierung und Durchsetzung herrschaftlicher Akte (die weder als produktive, noch als übliche Freizeitaktivitäten gelten können) bewirkt. Ein Vorgang zunehmender Demokratisierung ist ein Prozeß, in dessen Verlauf relativ mehr der den Personen einer gegebenen Gesellschaft insgesamt zur Verfügung stehenden, begrenzten Zeit für Aktivitäten eingesetzt wird, die weder als Produktion oder Handel, noch als neutrale, d. i. die physische Integrität des Eigentums anderer Personen nicht berührende, Freizeitaktivitäten beschrieben werden können. Demokratisierung impliziert vielmehr eine Zunahme der für bedrohliche Aktivitäten gesellschaftlich aufgewendeten Zeit; und sie ist ein Vorgang, der naturgemäß auch die sozialen Aufwendungen an Zeit erhöht, die zur Abwehr solcher zunehmenden bedrohlichen Aktionen auf sich genommen werden müssen.

Der Prozeß der Einführung und Ausdehnung des Wahlrechts ist der zweifellos meistbeachtete Vorgang, der eine solche Reallokation von Zeit impliziert. Aber die Methoden der Demokratisierung sind damit nicht erschöpft: auch indem man staatlicherseits für mehr und mehr Personen mehr und mehr Möglichkeiten eröffnet, sich zu politischen Parteien zusammenzuschließen und diesen Parteien mehr und [S.186] mehr Chancen der Einflußnahme auch während der Wahlperioden gewährt und auch indem man Volksbefragungen, Beteiligungs- und Partizipationsverfahren für mehr und mehr Personen bei mehr und mehr Gelegenheiten veranstaltet, wird eine mehr und mehr ausgeprägte Umverteilung der gesellschaftlichen Zeitverwendung zugunsten unproduktiver bedrohlicher Aktivitäten und ein mehr und mehr erhöhter Bedarf an entsprechenden Abwehraktivitäten bewirkt.

Es liegt auf der Hand, daß, je mehr Zeit gesellschaftlich für Politik aufgewendet wird, umso weniger Zeit für Produktion und neutrale Freizeit aufgewendet werden kann, und daß je länger man mit Tätigkeiten zubringt, die nicht nur keine Güter herstellen oder vertreiben, die vielmehr die Planung, Propagierung und Implementierung von zwangsweisen Eingriffen in den Prozeß der Produktion und/oder des ungestörten Konsums existierender Vermögenswerte zum Gegenstand haben, zukünftig umso weniger Austauschgüter produziert, und umso geringere, zum ungestörten zukünftigen Konsum vorgesehene Vermögensbestände erhalten werden.

Zwar ist realistischerweise anzunehmen, daß auch in einer Privatrechtsgesellschaft, einer anarchischen Ordnung, Personen Zeit mit der Planung, Propagierung und Durchführung politischer Aktivitäten zubringen (solange es menschlich ist, anderer Leute Eigentum zu begehren und sich auf Kosten anderer Leute gewalttätig zu bereichern, ist dies wohl natürlich). Und auch in einer Privatrechtsgesellschaft müßten Personen folglich Zeit und andere knappe Ressourcen für den Zweck der Abwehr derartiger Aktivitäten aufwenden und könnten sie nicht produktiv oder konsumtiv nutzen. Aber in einer anarchischen Ordnung handelte es sich bei diesen Aktivitäten um die Planung, Propagierung und Durchsetzung als kriminell geltender Taten! Demgegenüber beinhaltet der Vorgang der Demokratisierung, daß das, was vorher für den Privatmann kriminell war, nunmehr als legal deklariert wird. Bei gegebenem Drang zu politischem Handeln steigt von daher die Zahl politisch handelnder Personen, und die Dauer der für politische Handlungen aufgewendeten Zeit nimmt zu (denn die Kosten politischen Handelns sind durch die Legalisierung herabgesetzt worden!); und umgekehrt steigen (im Vergleich zur Lage in einer Privatrechtsgesellschaft) im Zuge zunehmender Demokratisierung zunehmend die für unpolitische Produzenten-Konsumenten entstehenden Abwehr- und Versicherungskosten, die ihren Rollen entsprechenden Handlungen nehmen ab, und es kommt zu einem relativ sinkenden gesellschaftlichen Wohlstand, d. i. zu relativ geringerer Güterproduktion oder relativ erhöhter Kapitalaufzehrung.