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Von der Strafunwürdigkeit unterlassener Hilfeleistung

I.
II.
III.
IV.
Fußnoten zum Anhang

III.

[S.190] Die Unvereinbarkeit einer Rechtsregel, die unterlassene Hilfeleistung unter Strafe stellt, mit dem gerade in seiner Bedeutung als allgemein anerkennungsfähig erläuterten Gewaltausschlußprinzip ist offensichtlich: Aufgrund des Gewaltausschlußprinzips wird allein die Anwendung bzw. Androhung von Gewalt gegen den Körper einer anderen Person als strafwürdig bestimmt; umgekehrt hat jedweder einseitige Boykott von Austauschprozessen zwischen zwei oder mehr Parteien, ebenso wie jedwede gewaltfreie Kooperation von Personen als rechtlich zulässig zu gelten. Demgegenüber bestimmt § 323c StGB die Rechtmäßigkeit von Gewaltandrohung und wendung gegenüber Personen, die bestimmte, von anderer Seite erwartete soziale Beziehungen boykottieren, sich dabei jedoch keinerlei Gewaltandrohung oder -wendung gegen den Körper einer anderen Person haben zuschulden kommen lassen. § 323c StGB ist so eine mit dem Gewaltausschlußprinzip logisch inkompatible Rechtsregel; und als Rechtsregel, die Gewaltanwendung gegen ihrerseits nicht gewalttätige Personen für den Fall erlaubt, daß bestimmte Austauschprozesse (Hilfe [S.191] leistung) unterbleiben, deren Durchführung zwar einseitig (seitens einer Gruppe von Personen) als vordringlich deklariert wird (als eine Notlage, die Hilfeleistungen seitens anderer Personen erfordert), deren Durchführung aber ebenso offenbar, manifestiert in den Unterlassungshandlungen, nicht als in beiderseitigem vordringlichem Interesse liegend betrachtet werden kann (ansonsten hätte der Unterlassungssünder ja nicht faktisch die Durchführung anderer Handlungen der Hilfeleistung vorgezogen), ist § 323c StGB zugleich eine objektiv nicht zu rechtfertigende Rechtsregel, wie populär sie auch immer sein mag. § 323c StGB muß darum, sofern man an der Etablierung eines objektiv begründbaren Systems von Rechtsregeln interessiert ist (und kann ein auf Objektivität verpflichteter Wissenschaftler etwas anderes wollen?), als Strafbestimmung entfallen (und mit ihm übrigens alle staatlicherseits durchgesetzten Regelungen sogenannter Sozialpolitik, die ausnahmslos in § 323c StGB ihr bei weitem attraktivstes Vorbild haben[FN2]).