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Bemerkungen zum Grundproblem der subjektivistischen Wertlehre (1928)

Einleitung
I.
II.
III.
IV.

IV.

Der vielberufene homo oeconomicus der klassischen Lehre ist die Verkörperung der Grundsätze des Kaufmannes. Der Kaufmann will jedes einzelne Geschäft mit dem höchsten erzielbaren Geldgewinn durchführen, er will so billig als möglich einkaufen so teuer als möglich verkaufen. Er trachtet danach, durch Fleiß und Aufmerksamkeit alle Fehlerquellen auszuschalten, damit der Erfolg seines Handelns nicht durch Unkenntnis, Nachlässigkeit, Irrtum u. dgl. mehr beeinträchtigt werde.

Der homo oeconomicus ist daher keine Fiktion im Sinne Vaihingers. Die klassische Nationalökonomie fingiert weder, daß der Wirtschafter als Erwerber, noch viel weniger, daß er als Konsument so vorgeht, als ob allein der höchste Geldgewinn die Richtschnur seines Handelns wäre. Auf den Verbrauch und den Verbraucher ist das klassische Schema überhaupt unanwendbar; der Verbrauchsakt und die Geldausgaben des Verbrauchers können damit überhaupt nicht erfaßt werden. Nur soweit kommt hier der Grundsatz des billigsten Einkaufs in Frage, als die Wahl zwischen mehreren gleichartigen Einkaufsmöglichkeiten gegeben ist; daß aber jemand den besseren Anzug kauft, wo der billigere dieselbe »objektive« Nützlichkeit hat, daß überhaupt mehr verbraucht wird als dem – streng gefaßten – physischen Existenzminimum entspricht, kann man von diesem Standpunkt aus überhaupt nicht fassen. Und daß der Wirtschafter als Erwerber dem kaufmännischen Grundsatz nicht stets treu bleibt und bleiben kann, daß er nicht allwissend ist, daß er irren kann und daß er auch bewußt unter Umständen seine Bequemlichkeit einem gewinnbringenden Geschäft vorzieht, ist den Klassikern auch nicht entgangen.

(46) Eher könnte man schon sagen, mit dem Schema des homo oeconomicus habe die klassische Nationalökonomie nur die eine – die ökonomisch-materielle – Seite des Menschen erfaßt; sie betrachte ihn nur als Erwerber, nicht als Verbraucher von wirtschaftlichen Gütern. Das wäre insoferne zutreffend als die Lehre der Klassiker auf das Verhalten der Konsumenten unanwendbar ist. Anderseits stimmt es insoferne nicht, als von ihr gar nicht behauptet wird, daß der Wirtschafter als Erwerber immer so handle. Behauptet wird nur, daß sein Streben im allgemeinen darauf gerichtet sei, so zu handeln, daß er sich aber ohne oder mit Absicht nicht immer diesem Grundsatz getreu verhält.
Der homo oeconomicus ist aber auch nicht Idealtypus im Sinne Max Webers. Die klassische Nationalökonomie wollte nicht einen bestimmten Menschentyp hervorheben – etwa den englischen Kaufmann des 19. Jahrhunderts oder den Kaufmann überhaupt – sondern sie strebte als echte Soziologie – alle theoretische Nationalökonomie ist Soziologie – ein allgemeines, alles wirtschaftliche Handeln umfassendes, zeitloses Verständnis an. (Daß ihr dies nicht gelingen konnte, ist eine andere Sache.) Das kann hier nur angedeutet werden. Um es ganz klar zu stellen, müßte man, was über den Rahmen dieser Ausführungen hinausgeht, ausführen, daß die Denkform des Idealtypus nicht die der Gesetzeswissenschaft Soziologie sondern die der Sozialgeschichte ist.(17)

Durch ihren Subjektivismus wird die moderne Theorie objektive Wissenschaft. Sie wertet das Handeln nicht, sie nimmt es so hin, wie es ist, und erklärt die Markterscheinungen nicht aus dem »richtigen« Handeln, sondern aus dem gegebenen Handeln. Sie strebt nicht danach, die Austauschverhältnisse zu verstehen, die sich unter der Voraussetzung bilden würden, daß die Menschen sich ausschließlich von bestimmten Motiven leiten lassen würden und daß andere Motive, die sie tatsächlich leiten, nicht wirken würden, sondern sie will die Bildung der Austauschverhältnisse begreifen, die wirklich auf dem Markte erscheinen.

Die Preisbildung für die »eingebildeten« Güter Mengers folgt denselben Gesetzen wie die der »wahren« Güter. Böhm-Bawerks »andere Motive« bewirken keine grundsätzliche Aenderung des Marktprozesses; sie verändern nur die Daten.

Es war notwendig, auf diese Fehlgriffe Mengers und Böhm-Bawerks (denen wir, nebenbei bemerkt, auch bei anderen Schrift- (47) stellern begegnen) ausdrücklich hinzuweisen, um Mißdeutungen der Lehre zu verhüten. Um so nachdrücklicher aber muß man noch einmal feststellen, daß weder Menger noch Böhm-Bawerk sich in der Ausführung ihrer Preis- und Zurechnungslehre irgendwie durch Rücksichtnahme auf die verschiedene Qualität der Motive des Handelns der Marktparteien haben beirren lassen. Die in den vorstehenden Bemerkungen als fehlerhaft bezeichneten Behauptungen haben den großen Zug ihrer Arbeit, die Preisbildung subjektivistisch zu erklären, nicht im Mindesten behindert.

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(17) Vgl. oben [Anm. mises.de: es handelt sich um das Buch Grundprobleme der Nationalökonomie] S. 71 ff.