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1920-1929

Rezension: 'Die sittliche Idee des Klassenkampfes und die Entartung des Kapitalismus' von Eduard Heimann (1928)
Die Lehre vom Gelde (1928)
Bemerkungen zum Grundproblem der subjektivistischen Wertlehre (1928)
Rezension: 'Volkswirtschaftliches Wörterbuch' von Hereward T. Price (1927)
Rezension: 'Neue Briefe über Grundrente, Rentenprinzip und soziale Frage an Schumacher' von Carl Rodbertus-Jagetzow (1927)

Die Lehre vom Gelde (1928)

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Quelle: Forschungen und Fortschritte (Berlin), 4. Jahrgang Nr. 6, 20. Februar 1928, S. 55-56.

Die bisherige Geschichte der nationalökonomischen Wissenschaft zerfällt in zwei große Abschnitte. Der erste beginnt um die Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Erkenntnis der gesetzmäßigen Verbundenheit der Markterscheinungen, durch die es erst möglich wurde, an die Stelle aprioristischer Bemerkungen über einzelne Tatsachen ein geschlossenes System der Katallaktik zu setzen. Man pflegt die großen Denker dieser Periode – Hume, Smith, Ricardo, Malthus, Say – die Klassiker und ihr System das der klassischen Nationalökonomie zu nennen. Ungefähr 100 Jahre nach dem Erscheinen des Hauptwerkes von Adam Smith begann sich die moderne subjektivistische Richtung durchzusetzen, als deren Begründer Gossen, Menger, Walras und Jevons genannt sein mögen.

Die subjektivistische Schule hat es die längste Zeit unterlassen, ihre Methode auch auf die Geldlehre anzuwenden. Sie beschränkte sich zunächst auf die Behandlung der Probleme des unvermittelten (direkten) Tausches und ließ den Problemen des durch ein allgemein gebräuchliches Tauschmittel vermittelten (indirekten) Tausches, d. i. der Geld-, Bank- und Konjunkturtheorie, keine von dem Verfahren der Klassiker und ihrer Epigonen grundsätzlich abweichende Behandlung widerfahren. So konnte die Meinung aufkommen, daß die subjektivistische Wertlehre gegenüber den Aufgaben der Geldlehre versagt habe, und Helfferich glaubte (1903) nachweisen zu können, warum sie ihnen gegenüber versagen müsse. Doch bald wurde nachgeholt, was lange verabsäumt worden war. Die theoretische Nationalökonomie hat in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem die Lehre vorn indirekten Tausche bearbeitet.

(56) Es konnte dabei nicht genügen, die Quantitätstheorie in das Lehrgebäude der subjektivistischen Schule einzubauen und entsprechend umzugestalten. Die Quantitätstheorie bietet wie die Lehre von Angebot und Nachfrage, als deren Anwendung auf das Problem der Kaufkraft des Geldes sie sich darstellt, nur eine Aussage über die Veränderungen eines schon gegebenen Geldwerts; sie sagt über die Bildung des ursprünglichen gegebenen Wertes nichts aus. Hier mußte die subjektivistische Geldlehre neue Wege suchen. Sie konnte dann, ausgerüstet mit den Erkenntnissen, die ihr das Grenznutzenprinzip bot, an die Behandlung des Problems der Meßbarkeit der Geldwertveränderungen herantreten. Was sie hier zutage gefördert hat, bot die Grundlage für die Beurteilung der immer wieder auftauchenden Vorschläge zur Stabilisierung der Kaufkraft des Geldes. Wie in diesem Punkte, so erlangten die Ergebnisse der modernen Forschung auch für eine Reihe von anderen Fragen hervorragend praktische Bedeutung.

Nun konnte man auch an die Probleme der Banktheorie herantreten. Hier hatte der Schwede Wicksell (Geldzins und Güterpreise, 1898) das Werk. der englischen Currency-Schule wieder aufgenommen und die Probleme klar formuliert; ihrer Lösung galt vorwiegend die Arbeit der letzten drei Jahrzehnte. Die unzulängliche Banking-Theorie wurde zur Seite geschoben, und der Weg wurde frei für die Konjunkturtheorie, die das Stiefkind der Forschung hatte bleiben müssen, solange man die Umlaufsmittelzirkulation für »elastisch« angesehen hat. Auch hier ist die praktische Verwendbarkeit in die Augen springend; die moderne Notenbank- und Zinspolitik und die Konjunkturbeobachtung (1) wären ohne die neue theoretische Erkenntnis nicht denkbar.

Eine weitverbreitete Auffassung meint, daß in der Nationalökonomie immer wieder von vorn angefangen werde, und daß jeder neue Forscher damit beginne, das Werk seiner Vorgänger zu zerschlagen. Nichts kann irriger sein als diese Vorstellung. Kaum eine andere Wissenschaft weist eine ähnliche Kontinuität der Entwicklung auf wie die theoretische Nationalökonomie in den ungefähr 180 Jahren ihres Bestandes. Wohl muß man ihre Geschichte in zwei Abschnitte gliedern; die Ueberwindung der scheinbaren Antinomie des Wertes und der Uebergang zur subjektivistischen Wertauffassung bilden eine tiefe Cäsur. Doch in jedem einzelnen Punkte knüpft die moderne subjektivistische Katallaktik an die Problemstellungen und Ergebnisse der objektivistischen klassischen Schule an . Nichts von dem, was diese geleitet hat, ging uns verloren; es bot die Grundlage, auf der wir weitergebaut haben. Das sollte man um so bereitwilliger anerkennen, je höher man die Leistung en der subjektivistischen Richtung einschätzt. Einzelnes – und zwar wichtiges – konnten wir übrigens von den Klassikern unverändert übernehmen. Ich muß z.B. dagegen Einspruch erheben,.daß man neuerdings die Kaufkraftparitätentheorie der Wechselkurse als die Theorie von Cassel und Mises bezeichnet. Wohl vertrete ich sie in meiner »Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel« (1. Aufl. 1912, 2. Aufl. 1924) und vertritt Cassel sie in seinen währungspolitischen Schriften seit 1916; doch sie ist schon ein Bestandteil der klassischen Geldlehre, und wenn sie mit dem Namen eines Mannes in Verbindung gebracht werden soll, so kann es nur der Ricardos sein.

Das Wichtigste, was uns die Theorie des indirekten Tausches lehrt, ist das, daß die Vorstellung nicht zutrifft, man könne das Wesen aller Marktvorgänge durch eine Theorie des direkten Tausches erfassen, weil der Geldgebrauch nur die Form der Erscheinungen ändere, das Wesen aber unberührt lasse. So unentbehrlich es auch unserem Denken sein mag, die Grundphänomene zunächst unter der Annahme direkten Tausches zu studieren, zur Erkenntnis der verwickelteren Probleme kann uns nur die Theorie des durch ein allgemein gebräuchliches Tauschmittel vermittelten Tausches führen. Es bleibe dahingestellt, ob es gelingen mag, die statische Theorie durch eine dynamische zu ergänzen; daß aber dynamische Theorie nur vom Boden der Geld- und Umlaufsmitteltheorie aus in Angriff genommen werden darf, hat niemand bestritten.

Nicht minder wichtig aber wurde uns die Erkenntnis, daß Wirtschaftsrechnung nur als Geldrechnung möglich und denkbar ist. Die Tragweite dieser Feststellung, die vorläufig nur für die Frage der Durchführbarkeit sozialistischer Wirtschaftsordnung nutzbar gemacht wurde (vgl. Mises, Die Gemeinwirtschaft, 1922; Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1922), kann heute noch nicht ganz überblickt werden.

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(1) Eine sehr brauchbare knappe Einführung in die Methoden der Konjunkturforschung gibt Hayek im Einleitungsheft der Monatsberichte des Oesterreichischen Instituts für Konjunkturforschung, 1927.