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1920-1929

Finanz- und währungspolitische Fragen in der Gegenwart (1924)
Rezension: 'Deutschlands kranke Wirtschaft und ihre Wiederherstellung' von Dr. Gustav Seibt (1924)
Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)
Neue Beiträge zum Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung (1923)
Rezension: 'Der Nationalismus Westeuropas' von Waldemar Mitscherlich (1923)

Finanz- und währungspolitische Fragen in der Gegenwart (1924)

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Quelle: Mitteilungen des Deutschen Hauptverbandes der Industrie, V. Jg., Folge 12, 20.3.1924, S. 201

Dieser Artikel ist identisch mit Die Rückkehr zur Goldwährung, erschienen in Mitteilungen des Verbandes Österreichischer Banken und Bankiers, 1924.

Vortrag, gehalten von Prof. Dr. Ludwig Mises, Wien, bei der am 15. März
1924 in Teplitz Schönau abgehaltenen IV. ordentlichen Vollversammlung
des Deutschen Hauptverbandes der Industrie.

Unter den Übeln, die die Ereignisse des letzten Jahrzehnts hinterlassen haben, ist nicht das kleinste die Unterbindung des geistigen Verkehrs zwischen den Völkern. So wie das Reisen heute viel beschwerlicher ist, als es vor dem Kriege war, so ist es auch für die Idee heute schwerer, von Volk zu Volk zu dringen. Die Völker glauben, heute genug mit den eigenen Sorgen des Alltags zu tun zu haben, so daß sie weniger Aufmerksamkeit dem widmen, was außerhalb ihrer Grenzen, vorgeht. Die geistige Einheit, die Europa und Amerika vor dem Kriege gebildet haben, ist zerstört, und es wird lange Jahre brauchen, um sie wieder aufzubauen. Die geistige Entfremdung zwischen den Völkern hat auch das wirtschaftspolitische Denken erfaßt. Es ist zu verstehen, daß die Völker zunächst den schwierigen wirtschaftspolitischen Problemen ihre Aufmerksamkeit zuwenden, die ihnen die Tagespolitik im eigenen Lande stellt. Doch gerade in der Wirtschaftspolitik ist diese Verengung des geistigen Horizonts, besonders schädlich, und ihre Nachteile müssen sehr bald zutage treten. Der Verflechtung in den Weltverkehr kann sich kein Volk entziehen; Veränderungen, die in einem Lande vor sich gehen, müssen sich früher oder später auch in den anderen Staaten auswirken. Es kann uns in Europa nicht gleichgiltig sein, was, in Amerika, was im Osten, was in Australien vor sich geht, und es ist notwendig, daß wir dem fernen Auslande wieder mehr Interesse zuwenden, als es in den letzten Jahren geschehen ist. Gilt das schon von allen wirtschaftspolitischen Fragen, so gilt es, in noch höherem Maße von den Problemen der Währungspolitik. Denn darüber besteht doch wohl kein Zweifel, daß es in währungspolitischen Dingen am wenigsten Autarkie und Autonomie des einzelnen Wirtschaftsgebietes geben kann.

Auf währungspolitischem Gebiet werden in den Vereinigten Staaten und in England Probleme erörtert, die auf dem Festlande entweder überhaupt noch keine oder nicht die entsprechende Beachtung gefunden haben. Und doch geht es da um Dinge, die für alle Staaten Europas, ob sie nun wollen oder nicht, von der größten Bedeutung sein müssen. Denn es handelt sich um nichts Geringeres als um die Frage, ob die Goldwährung, die vor dem Kriege die Grundlage des Geldwesens der Welt gebildet hat, beibehalten werden soll oder ob sie durch ein ganz neues System des Geldwesens ersetzt werden soll, durch ein System, das bisher noch nie und nirgends bestanden hat und das seine Brauchbarkeit erst zu erweisen haben wird. Für alle Staaten Europas, die am Kriege teilgenommen haben oder, ohne an ihm unmittelbar teilgenommen zu haben, in Finanzwirren, die er hervorgerufen hat, verwickelt wurden, gab es in den letzten Jahren nur ein einziges währungspolitisches Problem: die Inflationspolitik. Zu dem System von Ideen, mit denen die Völker vor 10 Jahren in den Krieg zogen, gehörte auch die Vorstellung, daß der Staat ohne sonderliche Gefahr die Notenpresse in Bewegung setzen dürfe, wenn er glaubt, daß er auf andere Weise sich die Mittel nicht beschaffen kann, die er für seine Zwecke benötigt. Es hat in der Beurteilung, die die Folgen der lnflationspolitik gefunden haben, auch bei ihren Anhängern verschiedene Abstufungen gegeben. Es hat Leute gegeben, die die Geldentwertung, die als Folge der Inflationspolitik auftreten muß, als besonders, segensreich bezeichnet haben, Leute, die allen Ernstes in Schriften und Reden die Anschauung vertreten haben, daß das ganze Volk durch die Inflation bereichert werde. Andere wieder waren zurückhaltender und haben den Inflationismus nicht als wohltätige Maßnahme empfohlen, sondern bloß als das kleinere Übel. Wenn der Staat die Wahl habe, sich die Mittel entweder durch Besteuerung oder durch Aufnahme von Anleihen oder durch die Ausgabe von neuen Noten zu beschaffen, so sei der letztgenannte Weg der am wenigsten drückende; die Verluste, die ein Teil der Bevölkerung durch die Geldentwertung erleidet, wären als eine Art Steuer anzusehen, und es sei nicht unzweckmäßig, den übrigen Wegen der Geldbeschaffung unter Umständen den der Inflation vorzuziehen. Es ist wohl nicht notwendig, heute noch viel Worte über die inflationistischen Theorien zu verlieren. Der Ausgang der Inflation hat sie ad absurdum geführt, und das Kräftigste, was die ruhige Überlegung des Theoretikers gegen die Inflationspolitik vorzubringen vermochte, war ja eben das gewesen, daß Inflationspolitik notwendigerweise am Ende zu einem Zusammenbruch des Geldwesens führen müsse. Es war wirklich überflüssig, daß einige Völker Europas die Inflation bis zum Äußersten geführt haben, um neuerdings den Beweis dafür zu erbringen, daß die Inflationspolitik schließlich zusammenbrechen muß. Die nationalökonomische Theorie hatte dies alles, in schönster und klarster Weise, bereits längst nachgewiesen, und die Geschichte gab eine Reihe von ausgezeichneten Beispielen zur Bestätigung der Richtigkeit der theoretischen Deduktion. Das Wort, daß man aus der Geschichte nur das eine lerne, daß die Völker aus der Geschichte nichts lernen, hat sich auch hier wieder bewährt; wir müssen traurig hinzufügen, es scheint, daß man dieses Wort auch noch dahin ergänzen müsse, daß die Völker auch aus der Theorie nichts lernen.

Als die Völker durch die bösen Erfahrungen, die sie am eigenen Leibe gemacht hatten, endlich gelernt hatten, daß die fortgesetzte Vermehrung der Notenmenge verderblich wirke und daß die Blüte der Geschäfte, die die Inflation herbeiführe, nur eine Scheinblüte ist, hinter der sich ein innerer Zersetzungsprozeß abspielt, verfielen sie in den entgegengesetzten Irrtum, zu glauben, daß die Geldwerthebung günstig sei. Dem Laien mußte es auch überaus einleuchtend vorkommen, daß, wenn die Geldentwertung schädlich sei, die Geldwerthebung günstige Folgen nach sich ziehen müsse. Aber auch hierüber braucht man wohl heute, und zumal in diesem Lande, nicht viel Worte mehr zu verlieren. Doch man muß auch hier den Vorwurf wiederholen, daß die Völker weder aus der Theorie noch aus der Geschichte etwas lernen, denn beide, Theorie und Geschichte, hätten dem, der sich an sie mit der Frage gewendet hätte, welches denn die Wirkungen einer Steigerung des Geldwertes seien, alles das geantwortet, was die Völker erst unter bitteren Leiden neu in den letzten Jahren gelernt haben. Aber auch wer gar nicht erst Theorie und Geschichte hätte befragen wollen, hätte sich wohl aus seiner eigenen geschäftlichen Erfahrung die Folgen ausmalen können, die ein Sinken der Preise nach sich zu ziehen pflegt. Und er wäre dann schon vor den Versuchen, die in Europa und in Amerika unternommen wurden, um die Preise zu drücken, zur Erkenntnis gelangt, die heute allgemein ist, daß auch das Steigen der Valuta Folgen auslöst, die kaum jemand als erwünscht bezeichnen kann. Wenn ich das feststelle, so liegt es mir ferne, etwa besondere Kritik an der Währungspolitik zu üben, die die tschechoslowakische Republik eine Zeit lang verfolgt hat, eine Kritik, zu der mir als Ausländer auch gar kein Recht zustehen würde. Denn die tschechoslowakische Republik stand mit ihrem Bestreben, die Inflationspolitik durch eine Deflationspolitik abzulösen, durchaus nicht allein da. Auch England, die Vereinigten Staaten und Frankreich, von anderen Ländern gar nicht zu reden, haben es eine Zeit lang mit der Deflationspolitik versucht, und auch dort sind die Ergebnisse keine anderen gewesen als die, die sich notwendigerweise bei jeder Deflationspolitik einstellen müssen. Nach dem Zusammenbruche der Inflationspolitik und der Deflationspolitik sind die Völker Europas und Amerikas, endlich wieder zu jenem Ideal zurückgekehrt, das sie ihrem Geldwesen während des größeren Teiles des 19. Jahrhunderts zum Ziele gesetzt hatten, zur Goldwährung.

Die Verwendung des Goldes für den Gelddienst wird mitunter als unverständliches Festhalten an überkommenen Bräuchen, als Atavismus bezeichnet. Es sei, so wurde argumentiert, wohl zu verstehen, daß vor Zeiten das Gold, das auf der einen Seite wegen seines Glanzes und seiner besonderen Eignung als Schmuck und Zierrat, und auf der anderen Seite wegen der Seltenheit seines Vorkommens einen besonders hohen Tauschwert erhalten hatte, von den Völkern als allgemein gebräuchliches Tauschmittel, d. i. als Geld, in Gebrauch genommen wurde. Es sei aber ganz und gar nicht zu verstehen, warum man auch noch in der Gegenwart an diesem alten Brauche festhalte. Es sei doch ein unerträglicher Gedanke, daß Steigen und Fallen der Kaufkraft des Geldes und damit die sozialen Begleiterscheinungen, die durch die Bewegungen des Geldwertes ausgelöst werden, von den Zufällen der Goldproduktion abhängig sein sollen. Es wäre weitaus vernünftiger, wenn sich die Völker ein autonomes Geld schaffen wollten, ein Geldwesen, das von den unberechenbaren Veränderungen der Rentabilität des Bergbaues unabhängig ist und dessen Wertgestaltung gelenkt wird durch den bewußten Willen des Volkes, der in dem Willen der Regierungen zum Ausdruck kommt und durch ihn wirksam wird. Ein besonderer Vorzug dieses autonomen Geldwesens würde es sein, daß seine Instandhaltung nur verhältnismäßig geringe Kosten bereiten werde, da man in der Lage sein werde, Kapital und Arbeit, die heute in der Goldproduktion Verwendung finden, anderen Produktionszweigen zuzuführen, wo sie nützlichere Dinge schaffen könnten. So bestechend diese Ausführungen klingen, so unrichtig sind sie. Sie verkennen die unüberwindlichen Hindernisse, die sich einem Geldwesen gegenüberstellen, dessen Wertbewegung durch obrigkeitliche Maßnahmen reguliert wird. Das Gold ist nicht darum vom 19. Jahrhundert in seiner Geldstellung belassen worden, weil es glänzt und für Geschmeide geeignet ist, sondern weil man ein Geldwesen wollte, dessen Wertbewegung von staatlichen Einflüssen unabhängig ist. Gerade das, was die Gegner des Goldes als einen Vorzug des von ihnen empfohlenen Systems ansehen, daß seine Wertbewegung unabhängig von den Unberechenbarkeiten der Rentabilität der Goldproduktion wäre und ausschließlich von dem Willen der politischen Faktoren abhängen würde, die das Geldwesen zu regeln hätten, gerade das erscheint den Anhängern der Goldwährung als der größte Nachteil der gepriesenen idealen Papiergeldverfassung.Die liberale Wirtschaftspolitik, die die Goldwährung empfohlen, zum Siege geführt und verteidigt hat, hat in der Goldwährung vor allem den Schutz gegen Regierungseingriffe in die Gestaltung des Geldwertes gesucht. Wir, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, was Regierungseingriffe in die Geldwertgestaltung bedeuten, wir werden diese Argumente für die Goldwährung besser verstehen, als man sie in den Jahrzehnten, die dem Weltkriege unmittelbar vorausgegangen sind, verstanden hat. Aber freilich, die Anhänger der idealen Papiergeldwährung lehnen die Verantwortung für die Exzesse der Inflations- und der Deflationspolitik in der gleichen Weise ab. Das, was sie anstreben, sagen sie, sei ein Geldwesen, bei dem Vermehrung und Verminderung der umlaufenden Geldmenge sich genau dem Geldbedarf anpassen würde. Da der Geldbedarf unmittelbar nicht zu erfassen ist, müßte man dabei in der Weise vorgehen, daß man die Stabilität des Preisniveaus zu erhalten trachtet, d. h., man müßte den lndex der Warenpreise errechnen und stets so manipulieren, daß dieser Index unverändert erhalten bleibe.

Diese Vorschläge wären ganz vortrefflich, wenn ihre Grundlage, das Indexzahlensystem, so fest und unerschütterlich wäre, wie seine Befürworter es annehmen. Wenn das System der Indexzahlen uns ermöglichen würde, die Veränderungen des Geldwertes so zu messen, wie wir etwa in der Lage sind, Längen- oder Flächenmaße zu bestimmen, dann würde ein Währungssystem, daß auf den lndexzahlen aufgebaut ist, der Forderung entsprechen, die wir oben aufgestellt haben: die Gestaltung des Geldwertes könnte unabhängig bleiben von den wechselnden Anschauungen und Zielsetzungen politischer Machthaber und politischer Parteien. Doch die Befürworter der lndexzahlwährung überschätzen ganz gewaltig die Leistungsfähigkeit der von ihnen vorgeschlagenen Methode zur Messung der Veränderungen des Geldwertes. Die ältesten und primitivsten Methoden der lndexzahlen beruhten darauf, daß man die Großhandelspreise, die eine Anzahl von Waren in dem als Ausgangspunkt genommenen Jahre aufwiesen, als Anfangswert nahm und dann Jahr für Jahr verglich, in welchem Verhältnis die Preissumme, die für die gleichen Warenmengen gezahlt werden mußte, gestiegen oder gefallen ist. Nach dieser Methode ist die bekannteste Indexzahl errechnet worden, die des Londoner „Economist". Der „Economist" nahm die Großhandelspreise von 22 Artikeln in den Jahren 1845-1850 als Ausgangspunkt. Der Durchschnittspreis eines jeden einzelnen dieser 22 Artikel in diesem Lustrum wurde 100 gleichgesetzt, und so ergab sich für alle 22 Artikel der Anfangswert 2200, mit dem dann die für die folgenden Monate und Jahre errechneten Verhältniszahlen verglichen wurden.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß es bei dieser Methode ganz darauf ankommt, welche Waren zur Berechnung der Indexzahl genommen werden. Unter den 22 Artikeln, die der „Economist“ für seine Berechnungen verwendet, befinden sich nicht weniger als sieben Stoffe der Textilindustrie, nämlich die Baumwolle in verschiedenen Stadien der Verarbeitung viermal, außerdem Rohseide, Flachs und Hanf und Wolle; dagegen sind die Nahrungs- und Genußmittel nur sechsmal vertreten. Es ist klar, daß eine jede Veränderung in den Preisen der Textilstoffe die Indexzahl ganz bedeutend influenzieren müsse. So ist denn während des amerikanischen Sezessionskrieges, der die Zufuhr amerikanischer Baumwolle nach Europa unterband, die Indexzahl des „Economist" gewaltig emporgeschnellt. Sie betrug im Januar 1860 2692, im Januar 1864 3787 und im Januar 1868 wieder 2682. Diese Erhöhung der Indexzahl war nicht auf eine von der Geldseite ausgehende Verteuerung der Warenpreise zurückzuführen, sondern auf die Verteuerung einer bestimmten Gruppe von Waren aus besonderer Ursache.

Es ist eben klar, daß das System solange willkürlich ist, als nicht alle Waren in ihnen enthalten sind. Es genügt aber nicht, die Preise der Waren im Großhandel zu nehmen; man darf nicht von den Rohstoffen ausgehen sondern von den konsumreifen Produkten, da die Preise der Fertigwaren es sind, von denen aus die Preisbewegung induziert wird, und da bei Verwendung der Preise der Rohstoffe und Halbfabrikate mehrfache Einstellung derselben Artikel nicht vermieden werden kann. Die praktische Lösung des Problems durch Aufnahme der Preise aller konsumreifen Produkte ist aber ganz und gar unmöglich. Den Preisen der gebrauchsfertigen Güter mangelt die Vergleichbarkeit. Man kann den Weizenpreis des Vorjahres mit dem von heute vergleichen, doch man kann die Preise der Qualitätswaren, deren Charakter mit der Mode und mit dem Fortschritt der Technik wechselt, nicht in derselben Weise vergleichen. Es ist ferner klar, daß es nicht angängig erscheint, jedem einzelnen Warenpreis bei der Ermittlung der Indexzahl die gleiche Bedeutung zukommen zu lassen. Wenn man den Veränderungen des Weizenpreises und den Veränderungen des Tabakpreises dieselbe Bedeutung für die Erstellung der lndexzahl beimessen wollte, wie es der „Economist" macht, dann würde eine Verdoppelung des Weizenpreises und ein Sinken des Tabakpreises auf die Hälfte sich bei der Errechnung der lndexzahl kompensieren, was doch offenbar widersinnig ist. Es müßten also die Preise der einzelnen Waren noch mit der Menge multipliziert werden, mit der sie für die Deckung des Konsums in Betracht kommen.

Doch neben den praktischen Schwierigkeiten, die sich der Errechnung einer korrekten Indexzahl entgegenstellen, sind auch prinzipielle Schwierigkeiten gegeben, die unlösbar sind. Der Konsum erfährt beständig Verschiebungen, die, wenn man gar längere Zeiträume vergleichen wollte, so beträchtlich sind, daß die Vergleichsbasis für die Indexzahl zum großen Teile schwindet. Gerade wenn man die einzelnen Warenpreise, um sie in die Indexzahl aufzunehmen, noch mit der Konsummenge des betreffenden Artikels multiplizieren will, steht man vor einer unüberwindlichen Schwierigkeit, die darin liegt, daß für die beiden Vergleichspunkte verschiedene Multiplikatoren in Anwendung gebracht werden müßten. Und was soll mit den neu auftretenden Waren geschehen? Deren Preise darf man doch nicht einfach unberücksichtigt lassen. Diese Schwierigkeiten sind nicht zu überwinden. Sie könnten nur fortfallen in einer Wirtschaft, die vollkommen abgestorben ist, in der es keine Veränderungen, in der es keinen Fortschritt, keine Neuerung gibt. Die andere prinzipiell unüberwindbare Schwierigkeit ist die, daß die Indexzahl verschieden ist, je nach der Art und Weise, in der man das Mittel aus den verschiedenen Warenpreisen errechnet. Wir gelangen zu einem anderen Ergebnis, je nach dem, ob wir das arithmetische, das geometrische oder das harmonische Mittel, oder ob wir den dichtesten Wert oder den Medianwert nehmen. Und die Anwendung aller dieser Mittelwerte ist gleichermaßen berechtigt.

Aus all dem ergibt sich, daß die Indexzahlen nicht das leisten können, was von ihnen erwartet wird. Die Bewegungen des Geldwertes können nicht in einer solchen Weise exakt festgestellt werden wie etwa Veränderungen in der Größe oder im Gewichte eines Gegenstandes. Man wird immer verschiedene Ansichten darüber vertreten können, ob diese oder jene Errechnungsart der Indexzahl die richtigere ist, und da bei einem auf der Indexzahl beruhenden Geldsystem die Lösung dieser Frage eminenteste Bedeutung für die Einkommens- und Vermögensgestaltung der Einzelnen und ganzer Bevölkerungsschichten hat, würden diese Differenzen nicht einfach ausgetragen werden in der stillen Gelehrtenstube fern von allen Interessenkämpfen der Welt, sondern sie würden in den Mittelpunkt der politischen Kämpfe gerückt werden. Schuldner und Gläubiger werden verschiedene Interessen haben und werden versuchen, ihren Interessen zum Siege zu verhelfen.

Diese Unzulänglichkeiten des Indexzahlensystems sind es, die bisher zu einmütiger Ablehnung eines jeden Währungsprojektes geführt haben, das auf den lndexzahlen aufgebaut ist. Seit mehr als 100 Jahren wurden immer wieder Vorschläge gemacht die Edelmetallwährung, zumindest für Schuldverhältnisse, durch eine auf der Indexzahl aufgebaute Warenwährung zu ergänzen oder zu ersetzen. Um Gewinne und Verluste aus langfristigen Schuldverträgen zu vermeiden, wurde vorgeschlagen, daß langfristige Schuldverträge nicht mehr in der Weise wie bisher durch Erlag einer bestimmten Geldsumme verzinst und getilgt werden sollen. Die Verzinsung und Rückzahlung soll vielmehr mit jenem Nominalbetrag erfolgen, der der Kaufkraft der Leihsumme zur Zeit der Aufnahme der Schuld entspricht. Wenn also eine Hypothekarschuld von 100.000 Kronen aufgenommen wurde zu einer Zeit, da der Index 100 betrug, so soll sie, wenn sie nach Jahren, zu einer Zeit, wo der lndex 120 steht, zur Rückzahlung gelangt, nicht mit 100.000 Kronen sondern mit 120.000 Kronen zur Rückzahlung fällig sein. Diese Vorschläge wurden besonders in England und Almerika in der eingehendsten und gründlichsten Weise erörtert, sie sind aber doch niemals durchgeführt worden, weil man eben erkannt hat, daß das System der Indexzahlen keine feste und sichere Grundlage für die langfristigen Darlehensverträge zu bieten vermag. Man hat in den angelsächsischen Ländern, anders als auf dem Kontinente, niemals die Augen vor der Tatsache verschlossen, daß die Wertbewegungen des Edelmetalles den Inhalt der langfristigen Verträge sehr stark beeinflußen. Wie groß diese Beeinflußung ist, zeigt die Tatsache, daß die Kaufkraft des Goldes von 1896 bis 1912 im Verhältnis von 100:65 gesunken ist, d. h. also, daß der Sparer, der seine Ersparnisse in fest verzinsliche Anlagen angelegt hat, in dieser Zeit ein Drittel seiner Ersparnisse verloren hat. Man war aber nicht mit Unrecht der Anschauung, daß selbst dieser Zustand noch vorzuziehen sei einem solchen, bei dem die Höhe des Betrages, mit dem Darlehen zu verzinsen und rückzuzahlen sind, abhängig gemacht wird von den wechselnden Anschauungen der Gesetzgeber und Richter. Man hat an der Goldwährung festgehalten, trotzdem man ihre Übelstände erkannt hat, weil man der Ansicht war, daß mit jedem anderen System noch unvergleichlich größere Übelstände verbunden sind.

Nun aber hat sich in den letzten Jahrzehnten allgemein eine Änderung in der Geldverfassung wichtiger Staaten der Welt vollzogen, deren Auswirkung die Goldwährung heute von einer anderen Seite bedroht. Die klassische englische Goldwährung, wie sie nach den Währungswirren der napoleonischen Zeit geschaffen und durch die Peel’schen Bankakte vom Jahre 1844 ausgestaltet wurde, war so beschaffen, daß sich beträchtliche Goldmengen im effektiven Umlaufe befanden. Da die kleinste Note 5 Pfund und die höchste Silberscheidemünze, die Krone, den Wert von 5 Schilling repräsentierte, mußte sich der gesamte Kleinverkehr des goldenen Sovereigns bedienen. Nicht anders war es in Frankreich, wo zwischen der höchsten Silbermünze von 5 Francs und der niedrigsten Note von 50 Francs ein breiter Spielraum klaffte. Und ganz ähnlich wurde nach der Einigung des Reiches das deutsche Geldwesen eingerichtet. Wir alle wissen aus persönlicher Erfahrung, daß vor dem Kriege in England, im Deutschen Reiche, in den Ländern der lateinischen Münzunion und in einer Reihe von anderen Staaten die Goldmünzen tatsächlich in beträchtlichen Mengen im Verkehre umliefen. In den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege sind aber Goldwährungen geschaffen worden, die aus verschiedenen Gründen von vorneherein darauf verzichteten, das Goldgeld in die Hände des Publikums zu bringen. Der inländische Verkehr bediente sich ausschließlich der Banknoten und der Scheidemünzen, und das Gold blieb als Notendeckung in den Kassen der Zentralnotenbank liegen. Man hat diese Währung, die in Indien und in anderen Ländern des fernen Ostens eingeführt wurde, und die uns allen bekannt ist, weil sie auch die Währung der alten österreichisch-ungarischen Monarchie gewesen ist, den Gold Exchange Standard, oder die Goldkernwährung, genannt. Auch diese Währung war Goldwährung, da entweder auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund tatsächlicher Übung die Noten jederzeit gegen Gold oder Golddevisen zum festen Satze der Währungsrelation eingelöst wurden.

Aber dabei blieb es nicht stehen. Schon vor Jahren hatten eine Reihe von Notenbanken, besonders die kleiner und finanziell schwächerer Staaten, gefunden, daß die Haltung einer großen Goldreserve Kosten verursache, die man sparen könne. Sie sind daran gegangen, einen Teil der Goldreserve, die in ihren Kellern zinslos lag, gegen kurzfristige Goldforderungen auf das Ausland einzutauschen, gegen Goldforderungen, die im Gegensatz zu dem unverzinslichen Barrengold und Münzvorrat Zinsen trugen. Schon vor Jahrzehnten war der österr.-ung. Bank die Erlaubnis gegeben worden, einen Teil ihrer Bestände an Devisen in die gesetzlich vorgeschriebene Notendeckung einzurechnen. Den größeren Teil der Reserve, die die Bank über das gesetzlich vorgeschriebene Minimalmaß der Deckung vorrätig hielt, hat sie gleichfalls in Devisen und nicht in effektivem Gold angelegt. Dieses System, dessen finanzielle Vorteile für die Banken und für die meist am Ertrage der Notenbank beteiligten Finanzverwaltungen in die Augen leuchten, hatte sich schon vor dem Kriege außerordentlich großer Verbreitung erfreut; es ist nach dem Kriege geradezu zum Ideal eines billigen, aber guten Geldwesens erhoben worden. Wenn die Staaten Europas, deren Geldwesen der Krieg und seine Folgen zerrüttet haben, an die Wiederaufrichtung ihres Geldwesens denken, so haben sie alle zunächst nichts anderes im Auge als die Einrichtung einer Goldkernwährung, bei der die gesamte oder doch der größte Teil der Goldreserve in Golddevisen angelegt werden soll. Sie denken vorläufig gar nicht daran, das Gold wieder in den inländischen Verkehr zu bringen; was sie im Auge haben, ist einzig und allein das, durch die Schaffung der faktischen Einlösbarkeit der im Lande zirkulierenden Noten die Stabilität der Devisenkurse herzustellen. Wir haben in Österreich faktisch eine solche Währung seit dem Ende des Jahres 1922, ohne daß die österreichische Nationalbank zu diesem Behufe auch nur ein einziges Goldstück in ihren Barschatz neu eingefügt hätte. Alles, was die österreichische Nationalbank zu diesem Zwecke neu beschafft hat, sind Goldforderungen auf das Ausland. Wer die Politik der übrigen Notenbanken der Welt verfolgt, wird unschwer feststellen können, daß dies das Ideal ist, das ihnen allen vorschwebt. Sie dürften schon aus Prestigerücksichten es im allgemeinen heute ablehnen, den Goldschatz, der bereits in ihren Kellern ruht, zu vermindern, aber sie wollen es vermeiden, weitere effektive Goldbestände neu anzuschaffen. Sie wollen ihre Reserve. mit möglichst geringen Opfern halten, und der beste Weg hiefür ist, sie in zinstragende Forderungen auf das Ausland anzulegen.

Es ist klar, daß diese Politik nicht die Politik aller Staaten der Welt sein kann. Nehmen wir an, alle Länder der Welt würden nach diesem Grundsatz handeln, dann würde es sich ergeben, daß für jenen Teil des Goldvorrates, der nicht anderweitigen, d. i. industriellen Zwecken dient, überhaupt kein Platz in der Welt mehr ist. Das System, von dem wir gesprochen haben, kann sich nur darum halten, weil es vorläufig zumindest noch einen Staat in der Welt gibt, der von dem Prinzipe der Goldkernwährung und der Haltung der Währungsreserve in Goldforderungen auf das Ausland nichts wissen will. Die Vereinigten Staaten haben heute noch die effektive Goldwährung im alten Sinne, und alles neu produzierte Gold aus den Minen, das nicht in die verschiedenen Industrien übergeht, die Gold als Rohstoff verwenden, strömt nach den Vereinigten Staaten, wo es entweder als Münze in den Verkehr gelangt oder, zum weit größeren Teile, den dem Bundesreserveamte unterstehenden Bankkassen einverleibt wird.

Diese Verhältnisse haben einen englischen Währungspolitiker, Keynes, veranlaßt, die Meinung auszusprechen, daß die Goldwährung nicht mehr als eine Währung angesehen werden werden könne, die von den Einflüssen der Regierungen unabhängig sei. Die Wertgestaltung des Goldes sei vielmehr schon heute in ganz eklatanter Weise abhängig von den Entschließungen einer Regierung, nämlich der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Würden die Vereinigten Staaten sich dazu entschließen, dem weiteren Einströmen von Gold etwa durch Aufhebung des freien Prägerechtes von Gold und durch Einstellung der Goldkäufe durch die Banken eine Grenze zu setzen, dann würde der Wert des Dollars über den Goldwert hinaus steigen, der Wert des ungeprägten oder nicht in Dollar ausgeprägten Goldes aber müßte beträchtlich sinken. Keynes meint nun, daß in absehbarer Zeit die Vereinigten Staaten zu diesem Entschlusse werden gelangen müssen, weil sie es auf die Dauer nicht für zweckmäßig finden können, Waren in großen Mengen, es handelt sich um einen Wert von 50 bis 100 Millionen Pfund im Jahr, abzugeben, um dafür ein Metall einzutauschen, mit dem sie nichts anderes anzufangen wüßten, als es in den Kellern der Banken zu verstauen. Solange das neu produzierte Gold nach den Vereinigten Staaten strömen kann, übe es einen ständigen inflatorischen Druck auf den Wert des Dollars aus und löse damit eine Tendenz zur Preissteigerung aus. Es könnte sein, daß sich in den Vereinigten Staaten eine Bewegung durchsetze, die gegen die fortschreitende Verteuerung der Warenpreise durch Loslösung von der Goldwährung reagieren will. Keynes scheint in dieser Aussicht nichts Beunruhigendes zu erblicken, weil er offenbar der Meinung ist, daß auch eine vom Golde losgelöste Papierwährung, wenn man sie auf der Indexzahl verankert, befriedigend funktionieren könne. Es sei übertriebene Ängstlichkeit, meint er, gegen eine solche Währung einzuwenden, daß sie nicht mehr unabhängig sein werde von den Entschließungen der Regierungen. Denn auch die Goldwährung sei heute nicht mehr unabhängig von der Regierungspolitik, wie sie es einst war, als man in der Goldwährung ein brauchbares Mittel sehen konnte, das Geldwesen dem Eingriffe der Staatspolitik zu entziehen.

Darin ist Keynes jedenfalls zuzustimmen, daß es bei dem gegenwärtigen System der Währungseinrichtung nicht bleiben kann. Das, wenn auch kaum je präzis ausgesprochene, Reformideal der meisten Währungspolitiker der kleineren und ärmeren Staaten ist die Goldkernwährung mit einem Einlösungsfond, der entweder ganz oder doch vorwiegend aus Goldforderungen, nicht aus Gold, gebildet ist. Wenn dieses System auch von den Wirtschaftsgroßmächten der Welt, von England, vom deutschen Reiche, von Frankreich und von anderen Großstaaten angenommen werden sollte, dann würde dies bedeuten, daß die ganzen Kosten der Haltung der Goldreserve auf die Vereinigten Staaten abgewälzt werden. Die Vereinigten Staaten würden dadurch wohl die Ehre genießen, die Goldreserve die die Grundlage aller Weltwährungen bildet, zu verwalten, sie würden diese Ehre aber doch ziemlich teuer bezahlen müssen. Keynes meint, daß die Vereinigten Staaten in dem Augenblick, in dem sie zur Erkenntnis dieser Tatsache gelangt sein werden, die der Masse der amerikanischen Bevölkerung heute noch verborgen sei, sich für die Loslösung von der Goldwährung entscheiden werden. Es ist aber auch ein anderer Ausweg denkbar und möglich. Es wäre denkbar, dass die Vereinigten Staaten und die wenigen anderen Länder, in denen die Goldwährung heute noch effektiv ist, alle anderen Staaten der Welt veranlassen, ihre Währungsgesetzgebung so einzurichten, daß sie einen beträchtlichen Teil des neuen Goldes aufnehmen. Das hätte entweder in der Weise zu geschehen, daß diese Länder genötigt werden, in ihren Zentralnotenbanken einen entsprechend großen effektiven Goldvorrat zu halten, oder daß sie verpflichtet werden, die Noten und Scheidemünzen so zu stückeln, daß sich der Verkehr effektiver Goldmünzen bedienen muß. Daß den Vereinigten Staaten, die heute auf dem, Kapitalsmarkte die Vormachtstellung innehaben, die Möglichkeit geboten ist, die anderen Staaten der Welt zum Abschluß und zur Einhaltung eines solchen Übereinkommens zu zwingen, ist gewiß. Sie würden damit ihr eigenes Geldwesen und das der ganzen Welt vor Erschütterungen bewahren. Keynes irrt nämlich durchaus, wenn er glaubt, daß die Loslösung von der Goldwährung für die Vereinigten Staaten keine nachteiligen Folgen mit sich bringen würde. Die Loslösung von der Goldwährung würde die Kaufkraft des Goldes schwächen und würde eine Differenz zwischen dem Werte des Dollars und dem des Goldes entstehen lassen. Daraus würden sich zunächst große Mißhelligkeiten zwischen Amerika und seinen Schuldnern ergeben. Die Schuldner, deren Verpflichtungen auf Dollar lauten, würden die Behauptung vertreten, daß sie nur schuldig seien, soviel Gold zu zahlen, als dem Gewichte des Dollars zur Zeit der Aufnahme des Darlehens entsprochen hat, und es wird den Vereinigten Staaten nicht immer leicht sein, gegen die Argumente, die die Schuldner zu Gunsten ihres Standpunktes vorbringen werden, mit entsprechenden Gegenargumenten zu antworten, und noch schwerer wird es ihnen fallen, ihren eigenen Standpunkt auch wirklich durchzusetzen. Wenn dann die Vereinigten Staaten nach Loslösung des Dollars vom Golde eine Währung haben werden, die im Verhältnis zu den Währungen der anderen Länder im Werte steigt, so wird dies sehr unangenehm empfunden werden von allen Amerikanern, die Einkommen aus fremden Ländern beziehen, und von der amerikanischen Industrie, die mit dem Valutadumping des Auslandes zu kämpfen haben wird. Jeder Schritt, der die Vereinigten Staaten und die übrigen Länder, die heute noch Goldwährung haben, von der Goldwährung loslöst, wird für eine lange Übergangszeit Schwankungen zwischen den Valuten der verschiedenen Staaten entstehen lassen, die sonst vermieden worden wären. Solche Schwankungen aber sind, wie wir wissen, geeignet, den internationalen Verkehr auf das schwerste zu schädigen, und am meisten leiden werden darunter gerade die Länder, die in den Weltverkehr am meisten verflochten sind, und das sind wieder die Vereinigten Staaten und die ihnen durch zahlreiche wirtschaftliche Bande verbundenen übrigen amerikanischen Gebiete. Es werden also auch die Vereinigten Staaten nicht so leichten Herzens von der Goldwährung abgehen können, wie Keynes es meint. Wenn Keynes glaubt, daß die Loslösung von der Goldwährung für England sehr leicht sei, so irrt er auch darin. Es ist richtig, daß der größere Teil der Auslandsforderungen Englands auf Pfundsterling englischer Währung und nicht auf Gold lautet. Aber wenn sich durch Loslösung Englands und der Vereinigten Staaten von der Goldwährung ein Zustand herausbilden sollte, in dem das Gold dem Pfund gegenüber unterwertig ist, so würden die Schuldner gewiß nicht leicht dazu zu bringen sein, die Rechtsauffassung Keynes’ zu teilen, daß sie Pfundsterling schuldig seien und nicht Gold. Sie werden den Standpunkt vertreten, daß unter Pfundsterling niemals mehr verstanden werden könne, als der Goldmenge zur Zeit der Aufnahme der Schuld entsprach. Und auch hier ist es fraglich, ob auch England imstande sein wird, gegen diese Argumentation aufzukommen. Ganz besonders aber wird England es sich überlegen müssen, die Schwierigkeiten seines Industrieabsatzes dadurch für eine Übergangszeit noch zu vergrößern, daß es eine Währung annimmt, deren Wert dem der Auslandswährungen gegenüber steigt. Wir haben erst vor kurzem gesehen, daß in England manche Politiker in ihrem Bemühen, einen Ausweg aus den Schwierigkeiten der lndustriekrise zu finden, selbst auf den verzweifelten Gedanken gekommen sind, eine Inflation zu dem Zwecke der Erleichterung der Ausfuhr zu schaffen.

Keynes hat vorderhand mit seinen Ideen in England noch keinen Anklang gefunden. Auch in den Vereinigten Staaten ist die öffentliche Meinung weit entfernt davon, Plänen, wie die es sind, die Keynes verschlägt, zuzustimmen. Dem praktischen Sinn des Amerikaners widerstrebt es, ein Experiment zu wagen, dessen Ausgang kaum günstig sein könnte. Dagegen wird in den Vereinigten Staaten heute ein anderes, nicht minder bedenkliches Projekt erwogen, das unter grundsätzIichem Festhalten am Goldgebrauch das Indexzahlsystem in das Geldwesen einführen will. Es ist der Vorschlag des amerikanischen Nationalökonomen Irving Fisher. Der Grundgedanke seines Planes zur Befestigung der Kaufkraft des GeIdes ist die Ersetzung der Goldwährung, wie sie heute besteht, durch die Warenwährung. lch habe schon davon gesprochen, daß man schon wiederholt den Vorschlag gemacht hat, die Edelmetallwährung durch eine Warenwährung zu ergänzen. Die auf Geld lautenden, erst nach Ablauf einer gewissen Zeit fällig werdenden Verpflichtungen sollten entweder kraft allgemein verbindlicher gesetzlicher Bestimmungen oder kraft besonderer vertragsmäßiger Verabredungen zwischen den Parteien nicht in der Nominalsumme Geld, auf die sie lauten, zu tilgen sein, sondern mit jenem Geldbetrag, dessen Kaufkraft zur Zeit der Tilgung der Verbindlichkeit der Kaufkraft der entliehenen Summe zur Zeit der Entstehung der Verpflichtung gleichkommt. Im übrigen wollen alle diese Vorschläge das Gold auch weiter in seiner Geldstellung belassen. Fisher aber will darüber hinausgehen. Nach seinem Vorschlag soll die Warenwährung die Edelmetallwährung nicht lediglich ergänzen, sie vielleicht überhaupt ersetzen. Das soll durch eine Verbindung des Grundgedankens der Goldkernwährung mit dem Grundgedanken der Indexwährung erreicht werden.

In der Goldkernwährung ist das im Verkehr umlaufende Geldsurrogat in Gold oder auch in Golddevisen einlösbar. Die Einlösung in Gold will auch Fisher beibehalten, doch sollen in seiner Konstruktion die umlaufenden Geldzeichen nicht mehr in einer bestimmten Gewichtsmenge Gold eingelöst werden, sondern in jener Goldmenge, die der Kaufkraft der Geldeinheit bei Einführung des Planes entspricht. Der Dollar heißt es in dem von Fisher ausgearbeiteten Gesetzentwurf für die Vereinigten Staaten hört auf, eine feste Menge Gold mit veränderlicher Kaufkraft zu sein und wird zu einer veränderlichen Goldmenge mit unveränderlicher Kaufkraft. Von Monat zu Monat wird durch preisstatistische Erhebungen, die zur Errechnung einer Indexzahl verarbeitet werden, festgestellt, um wieviel die Kaufkraft des Dollars gegenüber dem. Vormonat gestiegen oder gesunken ist. Darnach wird dann die Goldmenge, die einem Dollar zu entsprechen hat, erhöht oder vermindert. Gegen diese Goldmenge ist von der Einlösungsstelle der Dollar einzulösen, und für diese Goldmenge hat sie einen Dollar jedermann, der es verlangt, auszufolgen.

Auch Fisher’s Vorschläge sind unannehmbar. Zunächst spricht gegen sie die von uns schon ausführlich besprochene Unzulänglichkeit der lndexzahl. Dieser Mangel und andere, die in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht besprochen werden können, und die ich an anderer Stelle ausführlich erörtere(*), würden es bewirken, daß die Durchführung des Projektes von lrving Fisher nicht nur nicht die allgemein als Übel empfundenen volkswirtschaftlichen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen ausschalten würde, wie er es beabsichtigt, sondern daß sie schwere Nachteile mit sich bringen müßte. Das Fisher’sche Projekt ist in den Vereinigten Staaten eingehend erörtert worden, und das Repräsentantenhaus hat ein besonderes Komitee zu seinem Studium eingesetzt. Doch ich glaube, daß die Vereinigten Staaten nicht daran denken, den Weg zu beschreiten, den Fisher in Aussicht nimmt.

Alle Versuche, an Stelle der Goldwährung etwas Besseres zu setzen, müssen daran scheitern, daß das System der lndexzahlen keine eindeutigen Lösungen gibt und daß darüber, welche von den vielen möglichen Lösungen anzuwenden ist, lnteressentenkämpfe entbrennen müßten, die die Wirtschaft nie zur Ruhe kommen ließen. Es wäre ein unerträglicher Zustand, wenn wir immerfort Diskussionen darüber abführen müßten, ob Maßnahmen zur Hebung oder zur Senkung des Geldwertes im Augenblicke zu empfehlen oder zu verwerfen seien. Alle Stetigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung würde gefährdet werden, und die Übel, die wir in den letzten Jahren zur Genüge ausgekostet haben, würden verewigt werden.

Die Zukunft der Goldwährung scheint nicht so ungünstig zu sein wie Keynes sie sieht. Freilich, auch auf diesem Gebiete wie auf manchem anderen geht es nicht länger an, daß jeder einzelne Staat für sich selbst und ohne Rücksichtnahme auf seine Nachbarstaaten Wirtschaftspolitik treibt. Es wird auch auf dem Gebiete des Geldwesens notwendig sein, internationale Vereinbarungen zu treffen. Das Ziel dieser internationalen Vereinbarungen müßte das sein, die Goldwährung wieder in jedem einzelnen Lande der Welt einzuführen, was unschwer erreicht werden kann, wenn man die Ausfuhr jener Länder, die sich weigern, ihr Geldwesen zu stabilisieren, in den Verbandsstaaten mit Strafzöllen belegt. Wenn die Völker der Welt einmal übereingekommen sein werden, die Goldwährung wieder aufzunehmen, werden wir wieder ein Geldwesen haben, das nicht abhängig ist von den Einflüssen einer einzelnen oder mehrer Regierungen. Dieses Geldwesen würde auch die Stabilität der Wechselkurse und damit die Stabilität des internationalen Kapital und Bankverkehrs verbürgen. Wenn wir aber daran gehen wollten, ein Geldwesen zu schaffen das vom Golde losgelöst ist, dann werden wir in jedem einzelnen Lande Interessentenkämpfe entstehen sehen, die den Geldwert nach der einen oder nach der anderen Richtung verschieben wollen. Wenn man schon im lnlande zu keiner Einigung über die zu ergreifenden geldwertpolitischen Maßnahmen gelangen wird, so wird es noch weniger möglich sein, in internationalen Vereinbarungen eine Einhelligkeit zu erzielen. Ein vom Golde losgelöstes Geldwesen, das in jedem einzelnen Lande nach anderen Gesichtspunkten geregelt wird, würde gleichbedeutend sein mit der Verewigung der Schwankungen der Valutenkurse, und der internationale Handel und der internationale Kapitalverkehr würden unter diesen Schwankungen empfindlich leiden. Das Währungschaos würde verschärft und zu einer dauernden Einrichtung werden.

Wir haben nur die Wahl zwischen der Goldwährung und zwischen der durch die Regierungen manipulierten Währung. Bei der Goldwährung sind wir abhängig von den Zufälligkeiten der Rentabilität der Goldproduktion, bei der freien Währung sind wir abhängig von den wechselnden politischen Strömungen. Beim Festhalten an der Goldwährung winkt uns immerhin die Möglichkeit, die Valutenkurse wieder stabilisiert zu sehen; bei der vom Golde losgelösten Währung dürfte dies kaum zu erreichen sein. Unter solchen Umständen kann wohl die Wahl nicht schwer fallen. Auch die Goldwährung ist keine ideale Währung, sie ist aber unter den gegebenen Verhältnissen die bestmöglichste Währung.
Unter solchen Umständen wäre es durchaus verfehlt, zu behaupten, daß die Politik der Länder, deren Währung der Krieg zerrüttet hat, sich heute auf falschem Wege befindet. Alle diese Länder streben zunächst die durch einen in Devisen angelegten Reservefond gestützte Goldkernwährung an. Daß diese Währungsverfassung nicht das Endziel der währungspolitischen Reform sein kann, ist gewiß. Aber ebenso sicher ist es, daß sie die erste Etappe auf dem Wege zur Sanierung der zerrütteten Währungsverhältnisse darstellt.

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(*) In der in ungefähr drei Monaten im Verlage Duncker & Humblot, München und Leipzig, erscheinenden Neuauflage meiner „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“.