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Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter (1932)

Einleitung
I. Gelddienst und Geldwert
II. Geldvorrat und Geldbedarf. Die "Umlaufsgeschwindigkeit" des Geldes
III. Die Geldwertveränderungen
IV. Das Geldsurrogat

II. Geldvorrat und Geldbedarf. Die "Umlaufsgeschwindigkeit" des Geldes

Die folgenschwerste der unberechtigten Abweichungen der Geldtheorie von der Lehre vom direkten Tausch war das Bestreben, die Behandlung des Grundproblems der Geldwertlehre nicht vom Verhältnis zwischen Geldvorrat und Geldbedarf in den Einzelwirtschaften, zwischen Geldangebot und Geldnachfrage auf dem Markt ausgehen zu. lassen, sondern von der objektiven Nutzwirkung der Geldeinheit in der Volkswirtschaft, die man als Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes auf die Geldmenge bezog und der Summe der Umsätze gegenüberstellte.

Die alte, von den Kameralisten übernommene Neigung, bei der Betrachtung der nationalökonomischen Probleme von der “Volkswirtschaft”, von der “Ganzheit” und nicht von den wirtschaftenden Subjekten auszugehen, scheint unausrottbar. Trotz aller Warnungen durch die subjektivistische Nationalökonomie sehen wir immer wieder Rückfälle. Es ist noch das kleinere Übel, daß dann eine ethische Wertung der Erscheinungen mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Objektivität vorgetragen wird: Das produktive Handeln – d. i. jenes Handeln, das ein gedachtes, vom Kritiker geleitetes sozialistisches Gemeinwesen setzen (313) würde – wird dem rentablen Handeln – d. i. dem Handeln der einzelnen in einer auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaft – gegenübergestellt, wobei jenes als das richtige, dieses als das unrichtige Handeln angesehen wird. Weit schwerer fällt ins Gewicht, daß man, von der Ganzheit der Volkswirtschaft ausgehend, niemals die Vorgänge in einer Gesellschaft, die auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruht, verstehen kann. Es ist ein Irrtum, wenn man meint, die Notwendigkeit der kollektivistischen Methode damit erweisen zu können, daß man feststellt, das Handeln des einzelnen sei nur im Rahmen seines Lebensmilieus zu verstehen. Denn für die spezifisch nationalökonomische Betrachtung kommt es nicht auf das psychologische Verständnis der Beweggründe des Handelns, sondern auf das Verständnis des Handelns selbst an. Es ist für die Katallaktik ohne Bedeutung, warum Brot, Kleider, Bücher, Kanonen, Devotionalien auf dem Markt begehrt werden; von Bedeutung ist allein, daß eine bestimmte Nachfrage auftritt. Der Mechanismus des Marktes und damit die Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft können nur erfaßt werden, wenn man von den auf dem Markte wirkenden Kräften ausgeht. Auf dem Markt aber sind es immer nur einzelne, die handelnd als Käufer und Verkäufer auftreten, niemals die Ganzheit. Die Ganzheit kann in der Wirtschaftstheorie nur als Gemeinwirtschaft vorgestellt werden, in der die Produktionsmittel außerhalb des Verkehrs und des Marktes stehen und daher auch nicht gegen Geld umgesetzt werden. Hier ist kein Platz für eine Preis- und für eine Geldtheorie. Wollen wir aber die Wertprobleme der Gemeinwirtschaft erfassen, so können wir erst recht nichts anderes tun, als uns jener Methode zu bedienen, die man die “individualistische Methode” zu nennen pflegt.

Die Gleichung, in der die Versuche, das Geldwertproblem von der Volkswirtschaft und nicht von den Marktfaktoren her zu lösen, gipfeln, ist eine Tautologie ohne Erkenntniswert. Nur eine Theorie, die uns zeigt, wie die subjektiven Wertschätzungen der Käufer und Verkäufer durch die Veränderung der einzelnen Elemente der Verkehrsgleichung beeinflußt werden, kann den Anspruch auf den Namen Geldwerttheorie erheben.

Käufer und Verkäufer auf dem Markte kümmern sich aber nie um die Elemente der Verkehrsgleichung, von denen zwei – Umlaufsgeschwindigkeit und Preishöhe – vor dem Handeln der Marktparteien überhaupt nicht gegeben sind und zwei – Geldmenge (in der Volkswirtschaft) und Summe der Umsätze – den Marktparteien nicht bekannt sein können. Das, wovon die Marktparteien bei der Gestaltung des Austauschverhältnisses zwischen Geld und Ware ausgehen, ist die Bedeutung, die sie selbst einerseits dem Halten eines Kassenstandes bestimmter Höhe, anderseits dem Besitze der fraglichen Waren beilegen.

Mit der Konzeption des Begriffes der Umlaufsgeschwindigkeit verbindet sich die Vorstellung, daß das Geld seine Nutzwirkung nur im Augenblick des Umsatzes leistet, im übrigen aber träge, unnütz ist. Einen Unterschied zwischen dem dienenden und dem ruhenden Gelde macht man auch, wenn man vom Horten oder Thesaurieren des Geldes spricht und die “thesaurierte” Geldmenge dem für den Gelddienst benötigten Kassenstande gegenüberstellt; nur zieht man in diesem Falle die Grenze zwischen dem dienenden und dem ruhenden Gelde anders. Beide Unterscheidungen sind zu verwerfen.

Der Gelddienst erschöpft sich nicht im Umsatz. Nicht nur in dem Augenblick, in dem es von einer Hand in die andere geht, erfüllt das Geldstück seine Aufgabe; es dient auch, wenn es in der Kasse liegt und als absatzfähigstes Gut der künftigen Verwendung im Austauschakte harrt, als allgemein gebräuchliches Tauschmittel. Die Größe der Nachfrage nach Geld, des Geldbedarfes der ein- (314) zelnen und der ganzen Volkswirtschaft, wird durch das Bedürfnis, einen Kassenstand zu halten, bestimmt, nicht durch die Summe der in einem Zeitabschnitt durchzuführenden Geldumsätze.(1)

Es ist ein willkürliches Verfahren, im Geldvorrat zwei Gruppen zu unterscheiden: das dem eigentlichen Gelddienste gewidmete Geld und das gehortete Geld. Es kann freilich damit kein Schaden angerichtet werden, wenn man auf der anderen Seite die Nachfrage nach Geld zur Hortung von der Nachfrage nach Geld für den eigentlichen Gelddienst trennt. Doch eine Formel, die nur einen willkürlich abgegrenzten Teil des Problems darstellt und zu lösen sucht, muß zurückgewiesen werden, wenn wir imstande sind, eine andere zu zeigen, die das ganze Problem einheitlich zu erfassen und zu lösen bestrebt ist.

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(1) Vgl. auch Cannan: Money, Fourth Edition, S. 72ff. London, 1923.