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Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter (1932)

Einleitung
I. Gelddienst und Geldwert
II. Geldvorrat und Geldbedarf. Die "Umlaufsgeschwindigkeit" des Geldes
III. Die Geldwertveränderungen
IV. Das Geldsurrogat

I. Gelddienst und Geldwert

Daß die naive Vorstellung des Laien, die Dinge hätten “an sich” Wert, notwendig dazu führt, die Grenze zwischen Geld und Geldsurrogat anders zu (310) ziehen als die Lehre, die den Wert vom abhängigen Nutzen ableitet, sie zieht, ist klar. Wer den Wert als den Dingen inhärente Eigenschaft faßt, der muß notwendigerweise zur Unterscheidung zwischen stofflich wertvollem Geld und den Gelddienst versehenden stofflich wertlosen Tauschmitteln gelangen. Es ist nicht schwer, auf diesem Wege bald zu einer Gegenüberstellung des normalen Geldes und des schlechten, abnormalen Geldes, das eigentlich gar kein Geld ist, zu kommen.

Doch wir brauchen uns mit dieser Lehre heute nicht mehr auseinanderzusetzen. Für die moderne subjektivistische Wertlehre ist die Sache längst entschieden. Niemand wird es noch einfallen, für das ganze Gebiet oder für ein Teilgebiet der Wert- und Preislehre offen eine Auffassung zu vertreten, wonach der Wert den Dingen inhärent, d. i. unabhängig von der Bewertung durch die wirtschaftenden Menschen gegeben sei. Hat man einmal dies zugegeben, hat man bereits dem Grundgedanken der subjektivistischen Wertlehre, der Grenznutzentheorie, zugestimmt.

Der vorwissenschaftlichen Nationalökonomie – den Vorgängern der Physiokraten und der Klassiker – war es ein Problem, den Geldwert in eine Reihe mit dem Wert der übrigen Tauschgüter zu stellen. In grob-materialistischer Befangenheit erblickten sie die Quelle des Wertes in der “objektiven” Nutzwirkung der Güter. Von diesem Ausgangspunkt ist es wohl zu verstehen, warum Brot, das sättigen, und Tuch, das kleiden kann, Wert haben. Doch wie kommt Geld, das weder wärmt noch nährt, zu Wert? Die einen antworten darauf: “durch Konvention”, die anderen meinen, der Wert des Geldes sei nur "imaginär“.

Der Irrtum, der in dieser Auffassung steckt, ist schon frühzeitig aufgedeckt worden. In ausgezeichnet klaren Worten hat ihn vor allem John Law berichtigt. Wenn aller Wert vom Nutzen hergeleitet ist, dann müsse doch wohl auch die Verwendung der Edelmetalle als Tauschmittel wertbildend wirken. Wenn an den Wert des als Geld verwendeten Metalls, soweit er sich vom Gelddienst herleitet, als imaginär bezeichnen wolle, so müsse man allen Wert als imaginär ansehen: “Car aucune chose n’a de valeur que par l’usage auquel on l’applique, et à raison des demandes qu’on en fait, proportionellement à sa quantité.”(1) Indem Law diese Worte schrieb, nahm er die subjektivistische Wertlehre vorweg; man sollte ihm die gebührende Stelle in der Geschichte unserer Wissenschaft nicht versagen. Daß er nicht imstande war, alle Folgerungen aus den entwickelten Grundgedanken zu ziehen, und daß er sich in einem dichten Gestrüpp von Irrtum und vielleicht auch von Schuld verlor, mindert nicht die Bedeutung der Leistung, die er vollbracht hat.

Denn auch spätere Forscher sind nicht imstande gewesen, den Inhalt der von Law klar entwickelten Grundidee voll auszuschöpfen. In dreifacher Hinsicht begegnen uns hier noch immer Mißverständnisse.

Zunächst wird von manchen überhaupt bestritten, daß auch der Gelddienst wertbildend sein könne. Eine Begründung dafür, warum es mit dem Gelddienst anders stehen sollte als etwa mit dem Dienst als Nahrungsmittel oder als Kleidung, wird leider nicht gegeben. Um die Schwierigkeit, die das “Papiergeld” bietet, kommt man dabei in der Weise herum, daß man das “Papiergeld” als Anweisung auf echtes – d. i. “stofflich” wertvolles, metallisches – Geld ansieht. Die Schwankungen des Kurswertes des “Papiergeldes” erklärt man aus den Veränderungen der Wahrscheinlichkeit der Einlösungszeit und der Einlösungssumme. Es ist überflüssig, nach dem, was die Geldtheorie der letzten Jahrzehnte gebracht (311) hat, diese Auffassung noch grundsätzlich zu widerlegen. Sie empirisch zu widerlegen, habe ich – ohne zulänglichen Widerspruch zu finden – versucht.(2)

In gewissem Zusammenhang mit diesem Irrtum steht ein zweiter: Man bestreitet die Möglichkeit eines Geldes, dessen “Substanz” keinen anderen als den Gelddienst versieht. Daß der Gelddienst wertbildend sei wie jeder andere Dienst, wird dabei im allgemeinen zugegeben. Wir müssen Knies auch unbedingt zustimmen, wenn er den Nachweis erbringt, “daß Gold und Silber so wenig, wie irgend ein anderer bezüglicher Gegenstand, zu den Funktionen des Geldes verwendbar gewesen wären, wenn sie nicht schon vorher, vor ihrer Verwendung zu Gelddiensten, als ein wirtschaftliches Gut zur Befriedigung eines – sogar ,allgemein’ empfundenen und dauernd vorfindlichen – wirtschaftlichen Bedürfnisses der Menschen in Gebrauch oder Verbrauch gekommen wären”.(3) Doch Knies irrt, wenn er dann fortfährt: “Und nicht etwa nur vorausgegangen ist jener primäre ‚anderweitige’ Gebrauch der Edelmetalle einer Verwendung derselben zu Gelddiensten, er mußte und muß auch neben der letzteren verbleiben, wenn die Edelmetallstücke ihre Brauchbarkeit als Geld nicht verlieren sollen…. Würden die Menschen nicht mehr Gold und Silber als ein wirtschaftliches Gut zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Schmuck, Ziergeräten usw. in Gebrauch nehmen, so würde auch der andere Teil der Edelmetallverwendung, der zu Geldesdiensten, wieder hinwegfallen müssen.”(4) Der Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung ist Knies nicht gelungen. Es ist grundsätzlich nicht einzusehen, warum ein wirtschaftliches Gut, das den Dienst des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels versieht, seine Eignung für den Gelddienst verlieren sollte, wenn es allmählich aufgehört hat, auch für andere Dienste verwendet zu werden.

Das Erfordernis eines Gebrauches oder Verbrauches für anderweitige Verwendung für den Beginn der Verwendung eines Gutes als Tauschmittel ergibt sich daraus, daß die spezifische Nachfrage für den Tauschmitteldienst notwendigerweise immer an einen schon vorhandenen objektiven Tauschwert anknüpfen muß. Dieser objektive Tauschwert, der dann auch durch die Nachfrage für den Tauschmitteldienst, nicht nur durch die für “anderweitige” Verwendung umgestaltet wird, kann nun am Anfang des Tauschmitteldienstes kein anderer sein als ein ausschließlich durch die “anderweitige” Verwendung begründeter. Ist aber ein wirtschaftliches Gut einmal Geld, dann kann die spezifische Nachfrage nach Geld selbst dann an ein schon auf dem Markte vorhandenes Austauschverhältnis zwischen Geld und Ware anknüpfen, wenn die Nachfrage nach dem Geldgute, soweit sie im Hinblick auf den anderweitigen Gebrauch erfolgt, fortgefallen ist.

Daß man sich so lange dagegen gesträubt hat, zuzugeben, daß auch der Gelddienst wie jede andere Verwendungsmöglichkeit Nachfrage schafft und somit preisbegründend und preisändernd wirkt, lag vor allem in dem groben Materialismus unseres Denkens, von dem sich der menschliche Geist nur schwer und langsam befreit. Wenn man es als eine Voraussetzung der Güterqualität eines Dinges ansieht, daß es tauglich sei, ein menschliches Bedürfnis zu befriedigen, und daß diese Tauglichkeit auch erkannt werde,(5) dann liegt es nahe, innerhalb der Objekte des wirtschaftlichen Handelns die “echten” Güter von den “un- (312) echten” Gütern zu scheiden. Sobald sich der Nationalökonom einmal auf diesen Boden begeben. hat, verliert er jeden Halt und gleitet unversehens aus dem Gebiete der wissenschaftlich objektiven Betrachtung des Seins in die ethisch wertende und richtende Verfahrensweise der Politik und Moral. Er stellt die “objektiv nützlichen” Dinge den „für nützlich erachteten" Dingen gegenüber und prüft, ob und inwieweit die für nützlich erachteten und danach behandelten Dinge auch wirklich “objektiv” nützen. Ist man einmal so weit gelangt, dann ist man nur folgerichtig, wenn man auch die Frage aufwirft, ob der Nutzen, den ein Gut gewährt, ein echtes Bedürfnis oder nur ein Scheinbedürfnis befriedigt. Eine derartige Betrachtung kann dann entweder dahin führen, daß man den Wert der Edelmetalle, die “nur” dem Schmuckbedürfnis und nicht, wie etwa Nahrung und Kleidung, der Stillung eines auch vom gröbsten Materialismus nicht zu bestreitenden physiologischen Bedürfnisses dienen, überhaupt als imaginär, als Folge verkehrter gesellschaftlicher Einrichtungen und menschlicher Eitelkeit bezeichnet. Oder es kann das Ergebnis auch das sein, daß man zwar den Wert der Edelmetalle gelten läßt, da auch das Schmuckbedürfnis “echt” oder “berechtigt” sei, daß man aber dem Gelddienst wenn auch nicht die objektive Nützlichkeit, so doch die Allgemeingültigkeit abspricht, weil eine Gesellschaft ohne Geld einmal bestanden hat und jedenfalls denkbar sei. Es ist eine unhaltbare Annahme, daß die Güterqualität, wie man meinte, eine “natürliche”, nicht lediglich auf die Erfordernisse einer bestimmten Gesellschaftsordnung beschränkte Nutzwirkung voraussetze.

Noch gröber im Materialismus befangen war die Auffassung, die dem Gelddienste die wertbildende Kraft absprechen wollte, weil das Geld durch Vollziehung des Gelddienstes nichts von seiner Fähigkeit, anderweitigen Dienst zu leisten, verliert, weil seine “Substanz” im Gelddienste nicht aufgebraucht wird.

Alle, die dem Gelddienste die Fähigkeit absprechen, den Tauschwert des Geldes zu begründen, verkennen, daß das allein Entscheidende die Nachfrage ist. Aus dem Umstande, daß eine Nachfrage nach Geld als nach der absatzfähigsten (marktgängigsten) Ware besteht, d. h. daß Besitzer von anderen Waren bereit sind, diese gegen Geld einzutauschen, ergibt sich, daß auch die Geldfunktion wertbildend ist.

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(1) Vgl. Law: Considérations sur le numéraire et le commerce, Ausgabe von Daire (Economistes financiers du XVIIIe siècle, Deuxième édition, Paris,1851), S.447ff.

(2) Vgl. meine “”http://new.mises.de/public_home/article/68/3">Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel", 2. Aufl., s. 106ff., 149ff. München und Leipzig, 1924.

(3) Vgl. Knies: a. a. O., S. 322.

(4) Vgl. Knies: a. a. O., S. 322ff.

(5) Das tut selbst Menger, vgl. Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., S. 11. Wien, 1923.