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Ein Wort zum Monopolpreisproblem (1965)
Monopole – Dichtung und Wahrheit (1965)
Das Eigentum in der Marktwirtschaft (1964)
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Das Eigentum in der Marktwirtschaft (1964)

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Quelle: Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik 10:12(Dez. 1964) 725-29

Sozialreformer pflegen immer wieder darauf hinzuweisen, daß alles Sondereigentum an Produktionsmitteln letztlich zurückgeht entweder auf eigenmächtige Aneignung herrenlosen Gutes oder auf gewaltsame Beraubung von Eigentümern, die ihr Eigentum durch solche eigenmächtige Aneignung von in der Natur vorhandenen Rohstoffen und Kräften erworben haben. Es hat eine Zeit gegeben, in der es noch kein Eigentum gab. Es wäre vergebliches Bemühen, nach einem rechtlichen Ursprung des Eigentumsrechtes zu suchen. Jeder Eigentumstitel ist von der Eigenmacht eines Aneigners oder Enteigners abgeleitet.

Das ist die Lehre, die seit Jahrtausenden allen Plänen zugrunde lag, die glaubten, eine bessere und gerechtere Gesellschaftsordnung aufrichten zu können. Sie alle erblickten in dem Reichtum der einen die Ursache der Armut der anderen. Und sie forderten Ausgleichung dieser Unterschiede.

Die Darstellung der Entstehung des Eigentums aus Eigenmacht und Gewalt ist nicht etwa geschichtsphilosophische Konstruktion. Sie beschreibt, was sich Immer wieder ereignet hat, nicht nur in vorgeschichtlicher Zeit, über die wir keine urkundlich belegten Zeugnisse haben, sondern auch im vollen Licht historischer Berichte. Sie entspricht genau dem, was wir z. B. über die normannische Eroberung Englands oder über die Landnahme der Magyaren in Ungarn wissen. Sie beschreibt im Wesen, was sich im Königreich Böhmen nach der Schlacht am Weißen Berge ereignete. Es war immer dasselbe: Ein siegreicher Kriegsherr enteignete die besiegten eingesessenen Besitzer und verteilte die Beute unter sein Gefolge. Einige empfingen mehr, andere weniger; die unterworfenen Massen gingen leer aus.

Die Grundherren solcher Gesellschaftsordnung, die wir die herrschaftliche nennen können, waren wahre Herren in dem Sinne, daß sie nichts und an niemand verkauften und daher von keinen Verbrauchern und von keinem Markte abhängig waren. Sie verwendeten die Überschüsse ihres Reichtums zum Unterhalt eines bewaffneten Gefolges und eines fronenden Gesindes. Keine Mißwirtschaft konnte sie um ihren Besitz bringen. Sie hatten nichts zu fürchten als die Ungnade ihres Herrn, des Königs.

Wenn unter diesen Verhältnissen Arme die Ursache ihrer Armut in der ungleichen Verteilung des Landbesitzes erblickten und von einer gerechten Neuverteilung träumten, dachten sie folgerichtig im Sinne der Naturalwirtschaft selbstgenügsamer Landwirte Ihre Not war die Folge der ungleichen Verteilung des eroberten, seinen früheren Besitzern entzogenen Bodens. Es gab offenbar nur ein einziges wirksames Heilmittel: Enteignung aller durch eine neue Konfiskation und gerechte Neuverteilung.

Doch solange die herrschaftliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Kraft war, war es zu gefährlich, solche Gedanken auszusprechen. Erst viel später, als die Schlag- (726) worte Konfiskation und Verteilung durch die Entwicklung zur Marktwirtschaft einen ganz anderen Sinn erhalten hatten, wurden sie volkstümlich und fanden Eingang in das, was man heute vielfach als Gesellschaftswissenschaft ansieht.

Die Souveränität des Verbrauchers

In der Marktwirtschaft ist jeder Hinweis auf den geschichtlichen Ursprung des Rechtsinstituts des Sondereigentums aus Eigenmacht und Gewalt gegenstandslos. Denn auf dem Markte bestimmen die Verbraucher allein, wer über die sachlichen Produktionsmittel verfügen soll. In der Marktwirtschaft gibt es nur einen einzigen Weg, um Eigentum und Besitz zu erwerben und zu bewahren: Man muß den Verbrauchern besser zu dienen wissen als andere es tun. In einem täglich und stündlich wiederholten Plebiszit entscheiden die Menschen in ihrer Eigenschaft als Verbraucher über die Stellung, die jedermann in seiner Eigenschaft als Erzeuger einzunehmen hat. Reichtum, Eigentum, Besitz sind in der Marktwirtschaft gesellschaftliche Funktionen, die den einzelnen durch Volksabstimmung zugewiesen oder entzogen werden. In ihrer Eigenschaft als Verbraucher sind die Individuen souverän; in ihrer Eigenschaft als Erzeuger sind sie der Willkür der Verbraucher unterworfen. Als Erzeuger müssen sie selbst Launen und Unvernunft der Verbraucher über sich ergehen lassen, wenn sie nicht die Geisteskraft besitzen, ihre Herren umzustimmen.

Eigentum an Produktionsmitteln muß in der Marktwirtschaft so verwendet werden, daß es der Befriedigung der Bedürfnisse dient, die von den Verbrauchern als die dringendsten angesehen werden. Eigentum kann in der Marktwirtschaft nur bewahrt werden, wenn man es täglich neu erwirbt durch Dienst am Kunden, durch Anpassung an die immerfort im Flusse befindlichen Wünsche der Verbraucher. Der die beste, d. h. diesen Wünschen am besten entsprechende Anlage suchende Kapitalist muß jeden Augenblick bereit sein, seine Pläne zu ändern. Er muß trachten, die beständig wechselnden Begehrungen der Verbraucher vorwegzunehmen und danach zu handeln. Das Bestreben der Besitzenden – der Kapitalisten -, die beste – d. h. die den dringendsten Wünschen der Verbraucher entsprechende – Verwendung ihrer Mittel zu finden, bestimmt die Kursgestaltung der Börsen und aller anderen Märkte.

Sondereigentum an den Produktionsmitteln bedeutet in der Marktwirtschaft Souveränität der Verbraucher, der Masse des Volkes.

Ein Prozeß, der viele Jahrhunderte in Anspruch nahm, hat die auf Gewalt und Unterjochung beruhende herrschaftliche Wirtschaftsordnung schrittweise in die auf freiwilligem Tausch von Leistung und Gegenleistung beruhende Marktwirtschaft umgewandelt. Wo es sich um die Beseitigung von persönlichen Hörigkeitsverhältnissen wie Sklaverei und Leibeigenschaft handelte, waren gewaltsame Eingriffe in den Gang der Ereignisse oft nicht zu vermeiden. Doch im übrigen konnte sich der Übergang ohne Anwendung von Gewalt vollziehen. Die Enteignung kirchlichen und adeligen Grundbesitzes, wie sie manchenorts vorgenommen wurde, störte nur den ruhigen Verlauf der großen Umwandlung. Man konnte die Dinge der Entscheidung durch die Verbraucher überlassen. Den Erben einstmalig herrschaftlichen Besitzes, die sich nicht den Wünschen der Verbraucher anzupassen wußten, konnte der Markt ihr Eigentum ohne Hilfe der Gesetzgeber und der Polizei entziehen.

(727) Die Ausbildung der Marktwirtschaft mit ihrer Methode der Wirtschaftsrechnung brachte auch auf dem Gebiete der politischen Verfassung ein Neues. Die moderne Demokratie ist der Versuch, die Souveränität, die dem Individuum auf dem Markte zukommt, soweit es möglich ist auch im Politischen zu verwirklichen. Der Mann, der sich auf dem Markte zur Geltung zu bringen weiß, will im Staate nicht länger Hinter-sasse bleiben. Er fordert Stimme in allen Entscheidungen, er wird Wähler und damit auch im Politischen souverän. Mit der Entwicklung zur Marktwirtschaft entwickelte sich auch das parlamentarische Regierungssystem. Es strebt danach, dem Individuum im Politischen die Vormacht zu gewähren, die ihm im Wirtschaftlichen der Markt zuweist. Und wo immer die Marktwirtschaft der Gemeinwirtschaft weicht, tritt die auf Bajonette gestützte Diktatur an die Stelle der gewählten Volksvertreter.

Die Wurzeln der Freiheitsrechte

Wenn man darauf hinweist, daß die demokratische Regierungsform auf dem politischen Felde das vollbringen will, was die Marktwirtschaft auf dem wirtschaftlichen Felde vollbringt, muß man beachten, daß sie als Mittel, dem Willen der Bürger Geltung zu verschaffen, weniger leistungsfähig ist als das marktwirtschaftliche System. In der Marktwirtschaft werden nicht nur die Wünsche der Mehrheit berücksichtigt, sondern auch die von Minderheiten, sofern sie zahlenmäßig nicht ganz und gar unbeträchtlich sind. Die Industrien erzeugen nicht nur für den Bedarf der Normalen und sondern auch für die Minderheiten, die besondere Kost, Kleidung oder Gesunden, technische Hilfsmittel benötigen. Die Verleger veröffentlichen nicht nur Detektivgeschichten für die Massen, sondern auch lyrische Gedichte und philosophische Abhandlungen für eine Minderheit. Doch in der Politik gilt nur die Mehrheit, und die Minderheit muß sich mit Kritik begnügen. Bei der vorletzten amerikanischen Präsidentenwahl betrug die Mehrheit der für die demokratische Partei abgegebenen Stimmen zwei vom Tausend. Doch das genügte, um für vier Jahre den Republikanern jeglichen Einfluß auf die Gestaltung der Politik ihres Landes zu nehmen.

Man hat dem Markte den demokratischen Charakter absprechen wollen, weil doch dem Reichen mehr Geld – Stimmzettel – zur Verfügung stehen als dem Minderbemittelten. Doch Reichtum kann in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung nur durch Dienste, die den Verbrauchern durch die ihren Bedürfnissen am besten entsprechende Verwendung der Produktionsmittel geleistet wurden, erworben und bewahrt werden. Darin besteht ja gerade das Demokratische der Marktwirtschaft, daß in ihr die Unternehmer und Kapitalisten durchaus von dem gewöhnlich als eigennützig bezeichneten Verhalten der Verbraucher abhängen.

Der schwerste politische Irrtum unserer Zeit ist die Verkennung der Wurzeln der modernen Freiheitsrechte. Man glaubt, daß Rede-, Gedanken- und Pressefreiheit, Freiheit der Religionsausübung, Versammlungsfreiheit und alle anderen unter der Bezeichnung Menschen- und Bürgerrechte zusammengefaßten Freiheiten ihren Ursprung und Bestand Staatsgesetzen verdanken. Doch was Gesetze in dieser Hinsicht vollbringen können, ist allein das, daß sie die Freiheiten, die die freie – d. h. die nicht durch den Zwangs- und Unterdrückungsapparat der Regierung manipulierte – Marktwirtschaft den Bürgern gewährt, vor Angriffen seitens des behördlichen Staatsapparates schützen. Wo es keine Marktwirtschaft gibt, sind alle gesetzlichen Garantien der Freiheitsrechte wertlos. Was soll Pressefreiheit in einem Lande, in dem alle Druckereien von der (728) Regierung verwaltet werden? Oder Versammlungsfreiheit, wenn alle Versammlungshallen Regierungseigentum sind? Und so fort. Das wußten alle vernünftigen Leute schon lange, und denen, die es nicht wußten, hat auch die Erfahrung der Länder jenseits des Eisernen Vorhangs nicht die Augen geöffnet.

Jeder einzelne Freund verstärkter Regierungsbetätigung auf wirtschaftlichem Gebiete nimmt es als selbstverständlich an, daß die Machthaber gerade so vorgehen werden, wie er selbst es für richtig hält. In den Augen jedes Sozialisten ist nur derjenige Sozialismus wahrer und echter Sozialismus, der seinen eigenen Wünschen entspricht. Alles andere ist in seiner Auffassung nicht nur nicht Sozialismus, sondern das ärgste aller denkbaren Übel.

Das Erstaunliche ist, daß die eklatanten Mißerfolge der sozialistischen und interventionistischen Wirtschaftspolitik die Volkstümlichkeit dieser Ideale im Westen nicht beeinträchtigt haben. Nicht nur die Massen, sondern auch die Mehrzahl der Gebildeten sehen nicht, was das Los des einzelnen im totalen Staat sein muß. Sie verstehen nicht, daß im sozialen Obrigkeitsstaat der einzelne ein rechtloser Sklave ist mit dem die Obrigkeit nach Gutdünken verfährt, dem sie Arbeit und Wohnsitz zuweist, dessen Lebenshaltung sie genau bestimmt und dem sie die Möglichkeit benimmt, sich über die ihm zuteil gewordene Behandlung zu beschweren.

Der common man ist kein Idiot

Die antikapitalistische Propaganda kann heute, nahezu ein halbes Jahrhundert seit der Errichtung unumschränkter sozialistischer Herrschaft in dem räumlich größten und an Naturschätzen reichsten Lande der Welt, nicht mehr einfach die Schlagworte verwenden, die ihr im viktorianischen Zeitalter Erfolg verschafft haben. Im Mittelpunkte der neu-sozialistischen Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsordnung stehen heute zwei nachmarxistische Argumente: das Argument der Ohnmacht des Verbrauchers gegenüber den Werbekünsten der Unternehmer und das Argument der angeblich unaufhaltsamen Entwicklung zum Monopol. Beiden Argumenten ist gemeinsam, daß sie den grundlegenden Tatbestand der Marktwirtschaft, die Vorrangstellung des Verbrauchers, zu bestreiten suchen. Wie sie es sehen, ist Sondereigentum an den Produktionsmitteln eine Einrichtung, die es den Eigentümern ermöglicht, die Verbraucher schrankenlos auszunützen und auszuplündern.

Die kapitalistische Wirtschaft, sagt der amerikanische Sachverständige von heute, dient nicht den Verbrauchern, sondern ausschließlich den Interessen der Spekulanten und Ausbeuter. Erzeugt wird nicht das, was die Leute wirklich brauchen, sondern das, das den Unternehmern den höchsten Gewinn bringt. Das Werbe- und Anzeigewesen hat die Aufgabe, die Nachfrage in jene Bahnen zu lenken, die den Wünschen der Geschäftswelt entsprechen.

Die Industrie befriedige nicht die wahren Bedürfnisse der Menschen. Sie wecke Scheinbedürfnisse, um an ihrer Befriedigung zu verdienen. Der einzelne sei wehrlos gegenüber den teuflischen Künsten der Werbefachleute, ihrem „high pressure advertising“. Unentwegt arbeiten die Laboratorien der Großindustrie an neuen Erfindungen, um dem armen Volke noch mehr Geld abzuzapfen.

Es ist wohl überflüssig auf dieses Geschwätz näher einzugehen. Doch seine politische Bedeutung erfordert Beachtung.

(729) Das täglich wachsende Schrifttum über die Übel des Werbewesens schildert den Durchschnittsamerikaner, den vielberufenen „common man“, mehr oder weniger als einen Idioten. In einem Buch, das einen gewaltigen Absatz und Beifall fand, beschreibt Mr. Vance Packard das Verhalten des typischen Käufers in einem modernen amerikanischen Lebensmittelgeschäft. Wenn die Hausfrau nicht abkommen kann und der Gatte den Laden aufsucht, um einen Laib Brot zu besorgen, kehrt er heim beide Arme vollbepackt mit überflüssigen und kostspieligen Leckerbissen. Doch die Gattin ist nicht besser als ihr Gefährte. Sie achtet beim Einkauf nicht auf die Beschaffenheit der Ware, sondern auf die Schönheit der Verpackung.(1)

Nun muß man beachten, daß dieser Mann und diese Frau, die sich beim Lebensmittel-einkauf angeblich wie dumme Kinder benehmen, Wähler sind und letzten Endes die Richtung der Politik ihres Landes bestimmen. Die Nutzanwendung ist klar. Mit der Souveränität des Bürgers in seiner Eigenschaft als Käufer und Verbraucher soll auch seine Souveränität in seiner Eigenschaft als Wähler beseitigt werden. Die Schriften, die dem Durchschnittsmenschen die Fähigkeit absprechen, vernünftig zwischen den verschiedenen zum Kaufe ausgebotenen Artikeln des Bedarfs zu wählen, bereiten den Weg für die Entrechtung des Wählers durch eine künftige Diktatur.

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(1) Vance Packard, The Hidden Persuaders, 1957 (Pocket Bocks, Inc. New York, Seite 92 ff.).

Ein weiterer Aufsatz folgt; s. „Monopole – Dichtung und Wahrheit“ (1965)