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Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)

IV. Die Relation.
V. Die Bedenken der Anhänger der „Zahlungs-Bilanztheorie“.
Vl. Das Argument des Inflationismus.
VII. Die neue Geldverfassung.
VIII. Die ideologische Bedeutung der Reform.

IV. Die Relation.

(18) Wenn es auch heute von keinem Vernünftigen mehr bestritten werden kann, daß an eine Hebung des Kurses der Papiermark bis zur Höhe des alten Goldwertes der Mark, wie er durch das Gesetz vom 4. Dezember 1871 und durch das Münzgesetz vom 9. Juli 1873 festgesetzt wurde, nicht zu denken ist, so sträubt sich doch noch mancher gegen den Vorschlag, den augenblicklichen niedrigen Kurs zu stabilisieren. Es sind vielfach ganz unklare Prestigerücksichten, die da ins Treffen geführt werden.  Man hat sich, in unzutreffenden Vorstellungen über die Ursachen der Geldentwertung befangen, daran gewöhnt, in der „Valuta“ so etwas wie die Aktie des Vaterlandes und des Staates zu erblicken. Man verkennt, daß auf den Geldwert lediglich die Verschiebungen im Verhältnis von Geldnachfrage und Geldangebot und die Meinung über die künftige Gestaltung der Währungspolitik einwirken, und glaubt, daß in einem niedrigen Markkurse eine ungünstige Beurteilung der politischen und wirtschaftlichen Lage des deutschen Volkes zum Ausdrucke gelange.

Im Laufe des Krieges ist behauptet worden, die „Valuta des Siegers“ sei schließlich die beste. Doch Sieg und Niederlage im Felde können die Geldwertgestaltung nur mittelbar beeinflussen. Von einem siegreichen Staate ist im allgemeinen zu erwarten, daß er eher dazu gelangen werde, auf die Inanspruchnahme der Notenpresse zu verzichten; es werde ihm leichter fallen, auf der einen Seite seine Ausgaben einzuschränken, auf der anderen Seite Kredit zu finden. Dieselben Gesichtspunkte sprechen aber auch für eine günstigere Bewertung der Valuta des Besiegten in dem Maße, in dem die Friedensaussichten wachsen. Im Oktober 1918 stieg die Mark und auch die Krone; man (19) dachte, daß man nun mit Eindämmung der Inflation auch in Deutschland und Österreich rechnen könne, eine Erwartung, die sich freilich nicht erfüllt hat. Die Geschichte zeigt, daß die „Valuta des Siegers“ auch sehr schlecht werden kann. Selten hat es glänzendere Siege gegeben als die, die die amerikanischen Insurgenten unter Washingtons Führung schließlich über die Truppen Englands erfochten. Die amerikanische Währung hatte davon keinen Nutzen. Je stolzer sich das Sternenbanner hob, desto tiefer sank der Kurs des Kontinentalgeldes, wie das von den revolutionären Staaten ausgegebene Papiergeld benannt wurde. Schließlich wurde es, gerade als der Sieg der Rebellen entschieden war, ganz wertlos. Nicht anders war es nicht lange später in Frankreich. Trotz der Siege, die die Revolutionsheere erstritten, stieg das Metallagio immer mehr, bis schließlich 1796 der Nullpunkt des Geldwertes erreicht war. In beiden Fällen hatte der siegreiche Staat die Inflation bis an die Spitze getrieben.

Es ist durchaus unzutreffend, in der „Devalvation“ einen „Staatsbankerott“ zu erblicken. Die Stabilisierung des augenblicklichen – niedrigen — Standes des Geldwertes ist, auch wenn man sie lediglich in Hinsicht auf ihre Wirkungen auf die bestehenden Schuldverhältnisse betrachtet, etwas anderes; sie ist zugleich mehr und weniger als Staatsbankerott. Sie ist mehr, insofern sie nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch alle Privatschulden trifft; sie ist weniger, einmal insofern sie auf der einen Seite auch die auf Papiergeld lautenden Forderungen des Staates trifft, auf der anderen Seite aber seine auf klingende Münze oder fremde Währung lautenden Verpflichtungen nicht berührt, dann aber, weil sie für alle jene Schuldverhältnisse, die in Papiergeld schon zur Zeit des gegenwärtigen Kursstandes eingegangen wurden, ohne daß die Parteien auf eine Hebung des Geldwertes gerechnet hätten, keine Verschiebung des Verhältnisses der Kontrahenten mit sich bringt. Will man die Besitzer von Markforderungen für die Nachteile, die sie zwischen 1914 und 1923 erlitten haben, entschädigen, dann muß man es auf andere Weise tun als durch Hebung des Markkurses; man müßte durch Gesetz die in dieser Zelt entstandenen Schuldverhältnisse nach der im Augenblicke ihrer Entstehung in Kraft gewesenen Bewertung in auf alte Goldmark lautende Verpflichtungen umwandeln. Ob man damit den gewünschten Erfolg erzielen kann, ist wohl zu bezweifeln. Denn die gegenwärtigen Inhaber der Forderungen sind nicht immer dieselben, die den Verlust getragen haben; der größte Teil der durch (20) Inhaberpapiere verkörperten Forderungen und ein sehr beträchtlicher Teil aller übrigen Forderungen hat im Laufe der Jahre den Inhaber gewechselt. Bei Kontokorrentverhältnissen aber legt schon die handels-technische und juristische Struktur des Geschäftes der Bestimmung der im Laufe der Jahre eingetretenen Währungsgewinne und -Verluste die größten Schwierigkeiten in den Weg.

Die allgemein volkswirtschaftlichen und besonders die handels-politischen Begleiterscheinungen einer jeden Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, also auch eines Steigens der Kaufkraft des Geldes, sprechen gegen Versuche, den Geldwert vor der Stabilisierung erst noch zu heben. Der augenblickliche Stand des Geldwertes soll stabilisiert werden.

Solange der Prozeß der Geldentwertung noch im Gange ist, ist es freilich unmöglich, vom  „Stande“ des Geldwertes zu sprechen. Penn die Veränderungen des Geldwertes vollziehen sich nicht mit einem Schlage und gleichmäßig in der ganzen Volkswirtschaft und allen Waren und Dienstleistungen gegenüber; sie setzen sich notwendigerweise nur schrittweise und ungleichmäßig durch. Bekannt ist die Divergenz, die zwischen der in den Kursen der fremden Geldsorten zum Ausdruck gelangenden Bewertung des Geldes und zwischen seiner Kaufkraft auf den inländischen Waren- und Arbeitsmärkten kürzere oder selbst längere Zeit hindurch zu bestehen vermag. Der Valutenkurs der Börsen entsteht als Spekulationskurs immer schon unter Berücksichtigung der eben im Gange befindlichen, doch noch nicht abgeschlossenen Kaufkraftveränderung. Im Valutenkurs gelangt die Geldentwertung schon in einem frühen Stadium ihrer allmählichen Entwicklung voll zum Ausdruck, jedenfalls noch, bevor sie sich allen Waren und Dienstleistungen gegen über ganz durchgesetzt hat. Doch bei diesem Zurückbleiben der Warenpreise hinter dem Steigen der Valutenkurse handelt es sich um eine Erscheinung von zeitlich begrenzter Dauer. Denn die Valutenkurse werden in letzter Linie durch nichts anderes bestimmt als durch die Kaufkraft, die der Einheit einer jeden Geldart zukommt; der Kurs muß sich in der Höhe festsetzen, daß die Kaufkraft die gleiche bleibt, gleichviel, ob man mit einem Geldstück direkt Waren einkauft oder ob man erst ein Geldstück einer anderen Valuta dafür erwirbt und dann mit diesem einkauft. Auf die Dauer kann sich der Kurs von dem Stande, den das Verhältnis der Kaufkraft bedingt und den man den natürlichen oder statischen Kurs nennen kann, nicht entfernen.
 
(21) Um den augenblicklichen Stand des Geldwertes stabilisieren zu können, muß man es zuerst dazu bringen, daß die Geldwertbewegung zum Stillstande kommt; erst muß der Geldwert stehen, dann erst kann man seinem Stand Dauer geben. Man wird, wie schon oben ausgeführt wurde, zunächst durch Einstellung der weiteren Notenvermehrung dem Fortschreiten der Inflation einen Damm setzen müssen. Dann muß eine geraume Zeit zugewartet werden, bis sich, nach einigen Schwankungen, die Valutenkurse und die Warenpreise angepaßt haben. Wie ebenfalls schon aus dem oben Dargelegten hervorgeht, dürfte dies nicht einfach durch Steigen der Warenpreise, sondern zum Teil auch durch Sinken der Valutenkurse erfolgen.