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1910-1919

Zur Wiedereinführung des börsenmässigen Valutahandels (1919)
Stadt und Land in der direkten Besteuerung (1919)
Richard Lieben als Nationalökonom (1919)
Über die im Hinblick auf das Fortschreiten der Geldentwertung zu ergreifenden Maßnahmen (1919)
Geldentwertung und Staatshaushalt (1919)

Zur Wiedereinführung des börsenmässigen Valutahandels (1919)

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Quelle: Neue Freie Presse (Wien) Nr. 19872, 23. Dezember 1919; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Immer häufiger begegnet man beim Verkaufsanbot von Waren dem Beisatz, daß Zahlungen nur in fremder Währung angenommen werden. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Großhandels und des Realitätenverkehres wird bereits durch ausländisches Geld vermittelt. Selbst im Detailhandel beginnt die Krone ihre Stellung zu verlieren. Es ist klar, was es zu bedeuten hätte, wenn dem Fortschreiten dieses Prozesses nicht so schnell als möglich Einhalt geboten wird. Mit Dekreten, wie sie unsere offizielle Wirtschaftspolitik liebt, die es noch immer nicht gelernt hat, anders als mit Verboten und Geboten zu arbeiten, geht dies freilich nicht.

Wer heute Waren aus dem Auslande auf Kredit – und sei es auch nur kurzfristiger – bezieht, um sie verarbeitet oder unverarbeitet im Inlande zu verkaufen, trägt ein Valutarisiko, bei dem der höchsten Wahrscheinlichkeit eines Verlustes nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, ohne Verlust aus dem Geschäft herauszukommen, gegenübersteht. Seit 1914 haben viele Unternehmungen Waren, die sie gegen Kredit aus dem Auslande bezogen haben, im Inlande gegen Kronen unter Zugrundelegung des jeweiligen Kursstandes verkauft Angesichts der fortschreitenden Entwertung unseres Geldes sind aus solchen Geschäften große Verluste erwachsen. Heute sind die Importeure durch die Erfahrung vorsichtig geworden und nicht mehr gewillt, ähnliche Geschäfte zu machen. Der Staat freilich, der während des Krieges beständig in der geschilderten Weise in Kronen á la hausse spekuliert und damit enorme Summen verloren hat, setzt diese Politik noch immer fort, indem er Lebensmittel und anderes gegen Kredit aus dem Auslande bezieht und im Inlande gegen Krone verkauft.

Es ist nicht die Sache eines jeden Kaufmannes und Industriellen, sich mit gewagter und dem, der die Verhältnisse des Valutenmarktes nicht zu überblicken vermag, kaum Erfolg versprechenden Valutaspekulationen zu befassen. Der Geschäftsmann, der sich mit dem Warenhandel oder mit der Erzeugung abgibt, befürchtet mit Recht, daß er durch Valutaschwankungen das, was ihm das Geschäft trägt, und noch mehr verlieren wird. Will er aber die ungünstigen Rückwirkungen der Valutaschwankungen auf seinen Geschäftsbetrieb ausschalten, dann bleibt ihm, sofern er wegen Kapitalsmangels nicht gegen bar kaufen kann, nichts übrig, als die im Auslande erstandene Ware auch im Inlande nur gegen fremde Währung zu verkaufen. Der Ausweg, der dem Handel in Ländern mit schwankender Valuta sonst zur Verfügung steht, auf dem Terminmarkt Deckung zu suchen, ist nicht gangbar, weil der börsenmäßige Handel mit Valuten und Devisen in Wien aufgehoben ist.

Die Freigabe des durch Verordnungen behinderten Devisenhandels, die Aufhebung der Devisenzentrale und die Wiedereinführung eines regelrechten börsenmäßigen Termin und Kassageschäftes in Valuten und Devisen ist das einzige Mittel, das imstande wäre, der geschilderten Gefahr vorzubeugen. Daß die Valutapolitik, die wir seit Jahren betreiben, verkehrt ist, daß die Beschränkungen des Devisenhandels nur das Gegenteil von dem erzielen, was durch sie angestrebt wird, ist schon wiederholt schlagend in der Oeffentlichkeit nachgewiesen worden. Wenn an ihnen nichtsdestoweniger mit großer Hartnäckigkeit festgehalten wird, so ist dies allein darauf zurückzuführen, dass sie sich in das ganze System unserer Wirtschaftspolitik harmonisch einfügen, so daß man fürchtet, mit ihrer Beseitigung den ersten Schritt zum Abbau der Kriegs- und Uebergangswirtschaft zu machen.

Die Einführung des Valutentermingeschäftes ist aber noch aus einem zweiten Grunde außerordentlich wichtig. Ein Land, das wie Deutschösterreich den größten Teil der benötigten Lebensmittel und Rohstoffe aus dem Auslande einführen muß, kann nur dann wirtschaftlich bestehen, wenn es Industrieerzeugnisse ausführt. Nun haben aber alle Gebiete, die für unseren Absatz in Betracht kommen, eine im Wert schwankende Valuta. Der Unternehmer, der im Auslande Rohstoffe und Halbfabrikate einkauft, um sie dann weiter nach dem Auslande zu veräußern, muß in die Lage versetzt, werden, nicht nur bezüglich der Einkaufsvaluta, sondern auch bezüglich der Verkaufsvaluta sich entsprechend decken zu können.

Seit dem Zusammenbruch des alten Staates ist Wien zu einem wichtigen Handelsplatz geworden. Alle behördlichen Schikanen haben nicht vermocht, diese Entwicklung ganz zu verhindern. Die hauptsächlichsten Konkurrenten Wiens – Budapest, Triest, Lemberg, dann alle vormals russischen Städte – sind durch die Verhältnisse lahmgelegt, und anderseits bedarf heute der Handel zwischen den neuentstandenen Nationalstaaten mehr denn je einer Vermittlung. Wien ist jetzt in Wahrheit der Ort, wo Ost und West sich begegnen, um ihre Waren auszutauschen. Das Valuten- und Devisengeschäft Wiens ist heute eines der bedeutendsten in Europa. Es leidet freilich unter unbegreiflichen behördlichen Belästigungen und darunter, daß es durch Regierungsverbote aus den Händen der Banken in die zweifelhafter Elemente gedrängt wurde. Würde man den Valutenhandel freigeben, dann würde er wieder von den Banken aufgenommen werden und könnte sich an der Börse unter der Kontrolle der Oeffentlichkeit zu einem wichtigen Faktor unserer kaufmännischen und industriellen Absatzorganisation entwickeln.

Man wird gegen diesen Vorschlag voraussichtlich wieder den Umstand ins Treffen zu führen versuchen, daß auch einige andere Staaten eine ähnliche Politik verfolgen. Daß sie damit mehr Erfolg gehabt hätten als wir, wird allerdings kaum jemand zu behaupten wagen. Die Czecho-Slovaken werden, wenn sie auf diesem Wege fortfahren, ihre Währung geradeso zugrunde richten, wie wir es getan haben. Aber heute sind wir der völligen Entwertung des Geldes, dem Nullpunkt des Geldwertes, am nächsten. Wir müssen daher auch die ersten sein, die Maßnahmen ergreifen, um die Katastrophe zu vermeiden.

Daß freilich alle Mittel nichts nützen können, solange die Inflation fortgesetzt, solange immer wieder neue Noten in den Verkehr gepumpt werden, braucht wohl nicht erst besonders gesagt zu werden.