Die Wiener Industrie und die Luxuswarenabgabe (1921)
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Quelle: Neues 8 Uhr-Blatt (Wien) Nr. 1987, 13. Mai 1921; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.
Der Grundgedanke, der den in den letzten Jahren in verschiedenen Staaten erlassenen Luxusumsatzsteuergesetzen zugrunde liegt, ist der, daß die Abgabe im Verkehre auf die Konsumenten überwälzt wird, so dass die Steuer den Luxuskonsum belastet. Es soll nicht darauf eingegangen werden, inwieweit diese Voraussetzung zutrifft oder nicht. Denn für Oesterreich und speziell für Wien liegen die Verhältnisse jedenfalls ganz anders.
Unter den Industrien Oesterreichs nehmen jene Finalindustrien, die unter den Begriff „Luxusware“ fallende Artikel erzeugen, eine hervorragende Stelle ein. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, dass die industrielle Bedeutung Wiens vorwiegend. auf der Erzeugung solcher Waren beruht. Ihr Absatz an den letzten Konsumenten wird zu einem großen Teile durch den Wiener Detailhandel bewirkt. Von diesem Absatz aber erfolgt der größte Teil an Ausländer, die sich nur vorübergehend zum Zwecke des Einkaufes in Wien aufhalten. Ohne die hervorragenden Leistungen des Wiener Detailhandels würde die Wiener Luxusindustrie verkümmern müssen, da sie nicht in der Lage wäre, ihre Produkte abzusetzen.
In den letzten Jahren ist von mancher Seite das Bedauern darüber geäußert worden, daß sich die Wiener Industrie hauptsächlich mit der Erzeugung von Luxuswaren befasst. Es wäre besser, meint man, wenn unsere Industrie sich der Erzeugung von billigen Gebrauchswaren für die große Masse zuwenden würde. Die wirtschaftsfremden Romantiker, die mit diesen Argumenten gegen unsere Wiener Industrie ankämpfen, verkennen, dass wir heute unsere städtische Bevölkerung nur dadurch ernähren können, daß wir Fabrikate exportieren. Exportfähig ist aber von unserer Finalindustrie vorwiegend die Luxusindustrie. Es ist zu hoffen, daß es unseren Unternehmern, die trotz der unerhörten Schwierigkeiten, die ihnen von der Wirtschaftspolitik in den Weg gelegt werden, es zustande gebracht haben, eine blühende Industrie zu schaffen und konkurrenzfähig zu erhalten, noch gelingen werde, auch auf dem Gebiet der Massenerzeugung billiger Ware jene Vollendung zu erreichen, die unsere Industrie auf dem Gebiete der Qualitätsproduktion bereits besitzt und die der Wiener Ware ihren ausgezeichneten Ruf in der Welt verschafft hat. Solange es aber noch nicht gelungen ist, die außerordentlichen Schwierigkeiten, die der Entwicklung der Massenerzeugung in Oesterreich entgegenstehen, zu überwinden, wäre es geradezu frivol, unsre Luxusindustrie mutwillig zu zerstören, nur weil sie dem Fanatismus einiger Doktrinäre nicht zusagt.
Jede österreichische Luxuswarenabgabe würde vor allem Exportware belasten und dadurch den Absatz unserer Industrie außerordentlich erschweren. Wenn man die Warenabgabe als eine indirekte Abgabe betrachtet, die von Konsumenten getragen werden soll, dann darf man nicht den Versuch unternehmen, sie auch dem Ausländer aufzubürden. Denn der Ausländer kann sich ihr einfach dadurch entziehen, dass er seine Aufträge nicht länger der österreichischen Industrie zuwendet. Gerade der Luxusabsatz ist besonders empfindlich. Alle Gesetze, durch die indirekte Abgaben eingeführt werden, nehmen den Absatz in das Ausland von vornherein von der Abgabepflicht aus. So bestimmt denn auch der § 2 des deutschen Umsatzsteuergesetzes vom 24. Dezember 1919, daß Umsätze in das Ausland von der Besteuerung ausgenommen sind. In dem vom Wiener Magistrat ausgearbeiteten Entwurf eines Gesetzes über eine Wiener Luxuswarenabgabe fehlt nicht nur eine derartige Bestimmung überhaupt, sondern es wird auch die Lieferung nach Orten außerhalb Wiens ausdrücklich als abgabepflichtig erklärt. Für eine österreichische und besonders für eine Wiener Luxuswarenabgabe würde es übrigens gar nicht genügen, wenn lediglich der Absatz an das Ausland, der im Versandwege erfolgt, von der Steuer freibleibt. Wenn man nicht den Absatz der Wiener Luxusindustrie, der wie erwähnt, zu einem großen Teile durch den Detailverkauf an in Wien zum vorübergehenden Aufenthalt weilende Ausländer in den offenen Läden der Wiener Strassen vollzieht, tödlich treffen will, müsste man in das Gesetz die Bestimmung aufnehmen, wonach alle Verkaufe an Personen, die außerhalb der Republik Oesterreich ihren ordentlichen Wohnsitz haben, steuerfrei bleiben. Dass die technische Durchführung einer solchen Gesetzesbestimmung ein Ding der Unmöglichkeit wäre, ist ohne weiteres zuzugeben. Aber dann erweist sich eben der ganze Gedanke der Luxuswarenabgabe für Wien als undurchführbar. Will man nicht die Geschäftsleute, die Handelsangestellten und die Arbeiter, die vom Umsatze und von der Erzeugung der Luxuswaren leben, brotlos machen, dann darf man eben für Wien keine Luxuswarenabgabe einführen.
Eines der Hauptargumente, das für die Luxuswarenabgabe geltend gemacht wird, ist das, daß ähnliche Steuern bereits im Deutschen Reiche, in der Tschecho-Slowakei und in anderen Staaten eingeführt wurden. Doch im Deutschen Reiche, in dessen Industrie die Luxusproduktion eine verhältnismäßig unbedeutende Stellung einnimmt, spielt der Absatz an vorübergehend anwesende Reichsfremde nur eine untergeordnete Rolle. Um den deutschen Exporthandel nicht zu unterbinden, genügt daher die oben erwähnte Bestimmung des deutschen Gesetzes vollkommen. Für Wien, dessen Bedeutung als Handelsstadt heute vor allem darauf beruht, dass es eine Grenzstadt ist und dass es noch immer das kommerzielle Zentrum eines Gebietes bildet, das seit 1918 in eine Reihe selbständiger Staaten zerfallen ist, liegen die Verhältnisse, wie erwähnt, eben ganz anders. Was aber die tschecho-slowakische Luxusumsatzsteuer anlangt, so muß bemerkt werden, daß die tschecho-slowakische Industrie im großen und ganzen keine Luxuswaren produziert, so daß sich der Luxusabsatz dort vorwiegend auf importierte Waren, zum größten Teil Österreichischer Provenienz, beschränkt. Die tschechische Luxusabgabe ist ein Glied in der Kette der zahlreichen wirtschaftlichen Kampfmaßnahmen, die die tschechische Regierung gegen die österreichische Industrie und vor allem gegen die Stellung Wiens als Handels- und Industriestadt ins Leben gerufen hat.
Man möge nicht allzu viel darauf bauen, dass der Luxuskonsum imstande sei, eine Verteuerung von 15 Prozent ohne weiteres zu ertragen. Man muß als Tschecho-Slowak, Magyare oder Pole nicht unbedingt seine Kleider und Möbel in Wien bestellen oder seine Juwelen und Pelze bei einem Wiener Händler kaufen. Man kann schließlich auch zur Konkurrenz gehen. Die Wirtschaftspolitik der Nationalstaaten wird jedenfalls darauf bedacht sein, die günstige Gelegenheit auszunützen, um den eigenen Handel und die eigene Industrie gegenüber dem Wiener Markte zu fördern.