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Ausbildungsplatzabgabe - Kampf der SPD mit der Realität (Feb. 2004)

Ausbildungsplatzabgabe - Kampf der SPD mit der Realität (Feb. 2004)

Die SPD
kann mit gewissem Recht als die Partei der Sozialstaatsverwalter angesehen
werden. Die Partei wuchs mit dem Sozialstaat, und nun scheint es, als ob sie
mit ihm auch wieder in der Versenkung verschwinden wolle.

Ein Blick
auf die Parteigeschichte zeigt aber ebenfalls, daß gerade ihre besten Köpfe der
Marktwirtschaft intellektuell und emotional in der Regel näher standen als das
etwas gröbere Parteivolk. Man darf hier nicht nur an das Godesberger Programm
von 1958 oder an den „Neoliberalismus“ der Regierung Schröder denken; das sind
keine Ausnahmen, sondern Regelfälle. Im Führungspersonal der SPD dominierten
immer wieder Männer, die an ihrem gesunden Menschenverstand festhielten und den
Ideologen und Phantasten in den eigenen Reihen entschiedenen Widerstand boten,
auch wenn das unpopulär wurde. Die Bernsteins, Noskes, Scheidemanns,
Schumachers und Schmidts haben ihre Genossen durch zum Teil sehr schmerzhafte
Lernprozesse geführt. Sie haben es verhütet, daß die große Masse der
Parteianhänger den Schaden anrichtete, den sie ohne Zweifel hätte anrichten
können. Alle Deutschen sind diesen Männern daher zu Dank verpflichtet.

Wie das
Beispiel Helmut Schmidts zeigt, kann soviel Standhaftigkeit zum vorzeitigen
Ende der politischen Laufbahn führen. Sein Eintreten für Aufrüstung und gegen
allzu viel Inflation brachte ihn auf Konfrontationskurs mit den linken
Ideologen, die den Medienmarkt schon damals fest in ihren Krallen hielten und
den Kanzler seiner Parteibasis entfremdeten. Folge: zuerst eine Palastrevolte,
die die Regierung kostete, und dann die SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl
unter Schmidts unrühmlichem Nachfolger.

24 Jahre
später liegen die Dinge ganz ähnlich. Die SPD-geführte Bundesregierung hat es
sich mit den verbissenen Sozialstaatsfans gründlich verscherzt. Zwar hat sie
keinesfalls irgendwelche grundlegenden Reformen in Gang gesetzt, aber sie wagte
es immerhin, wenn auch zaghaft, ihrer Politik eine bisweilen liberale
Ausrichtung zu geben. Das führte zu großem Unbehagen und großer Verwirrung in
der SPD, die in ihrer Masse gerne den alten Wohlfahrtstaatsträumen nachhängt
und kein Verlangen spürt, sich in Tuchfühlung mit der Realität zu begeben. Es kam
zum Wechsel in der Parteiführung, und damit, wie es scheint, zumindest zur
rhetorischen Belebung einer gewissen Kolchosenmentalität.

Als eine
der ersten Maßnahmen empfiehlt der neue Vorsitzende die Einführung einer
„Ausbildungsplatzabgabe“ – Zwangszahlungen, die von Firmen zu leisten sein
sollen, die nicht so viele Lehrstellen anbieten, wie sie es nach dem Urteil der
SPD tun müßten. Nun ist der Unsinn dieser Idee so offensichtlich, daß sie von
einer breiten Öffentlichkeit in seltener Einmut und mit unwiderlegbaren
Argumenten verworfen wurde. Insbesondere wird die in Aussicht gestellte Abgabe
die Lohnkosten weiter in die Höhe treiben und damit zu noch mehr
Arbeitslosigkeit führen; sie zentralisiert und bürokratisiert das
Lehrstellenwesen und macht die Wirtschaft mithin noch schwerfälliger; und sie
erfordert die Einrichtung neuer Verwaltungen – d.h. mehr Arbeitsplätze für
Bürokraten, die aber notwendigerweise zu Lasten der Allgemeinheit geben.

Vom
Sachverständigenrat der Bundesregierung angefangen, über die CDU-CSU
Bundestagsfraktion bis zum SPD-geführten Bundeskabinett sieht beinahe jeder,
daß die Ausbildungsabgabe schlicht und einfach kontraproduktiv ist. Sie löst
nicht das Lehrstellenproblem, sondern verschärft die gespannte Lage auf dem
deutschen Arbeitsmarkt nur noch weiter. Es scheint beinahe, als liege der
eigentliche Zweck dieses Vorschlags darin, die Gegner der SPD künstlich zu
einigen.

Die
Forderung der Ausbildungsabgabe ist ein emotionaler Aufschrei der breiten Masse
der SPD-Anhänger. Sie ist Ausdruck der Verzweiflung dieser Leute angesichts der
wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre. Und die
Debatte um die Ausbildungsabgabe ist gleichsam ein Symptom für ihre zunehmende
Isolierung. Die besseren Köpfe der Partei haben erkannt, daß der Sozialstaat
zumindest in seiner jetzigen Form nicht zu halten ist; und daß der Versuch, ihn
zu retten, zu nur noch größeren Problemen führen würde. Aber sie haben es nicht
vermocht, diese Einsicht der Parteimasse zu vermitteln. Was wir nun erleben,
ist die SPD in Agonie. Wird sie wie ein wunder Eber einfach um sich schlagen?
Die Ausbildungsabgabe könnte der Anfang sein, die Demontage des Kanzlers
vielleicht das vorläufige Ende. Aber letztlich ist das ein aussichtsloser
Kampf, den die SPD hier gegen die Realität führt.

Guido
Hülsmann