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Kapitel 2: Vom Konzept der Wohlfahrtsmessung zur Theorie der Gerechtigkeit

I.
II.
III.
Fußnoten zu Kapitel 2

Fußnoten zu Kapitel 2

[FN1] Hinsichtlich der genauen Definition von BSP bzw. NSP, ihren
verschiedenen Berechnungsmethoden, sowie einer Analyse der
Aussagefähigkeit des Konzepts, sei auf eines der volkswirtschaftlichen
oder wirtschaftsstatistischen Lehrbücher verwiesen, z. B. P. Samuelson,
Economics, New York 1976, insbes. Kap. 10.

[FN2] Vgl. hierzu z. B. W. Nordhaus/J. Tobin, Is Growth Obsolete?, 50th
Anniversary Colloquium V, National Bureau of Economic Research, New
York 1972; sowie: Economic Council of Japan, Measuring Net National
Welfare, Economic Research institute, Tokyo 1973.

[FN3] Vgl. hierzu z. B. W. Zapf, "Zur Messung der Lebensqualität" in:
Zeitschrift für Soziologie 1972; ders., Sozialberichterstattung:
Möglichkeiten und Probleme, Göttingen 1976; speziell zu subjektiven
Indikatoren, F. M. Andrews/St. B. Withey, Social Indicators of
Well-Being, New York 1976.

[FN4] Vgl. zur Charakterisierung der "mainstram economics", P. Samuelson, a. a. O., S. 845.

[FN5] Zum Beleg dieser These sei hier auf die in den vorangehenden Fußnoten
angegebenen volkswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Arbeiten
verwiesen. Vgl. außerdem die aufschlußreiche Äußerung in
Ballerstedt/Glatzer, Soziologischer Almanach, Frankfurt a. M. 1979, S.
17, wo zugestanden wird, daß die Auswahl der Indikatoren aufgrund
"informierter Willkür" erfolgt.

[FN6] Vgl. z. B. F. A. Hayek, The Constitution of Liberty, Chicago
1960; ders., Law, Legislation and Liberty, 3 Bände, Chicago 1973-79; M.
Rothbard, Man, Economy and State, 2 Bände, Los Angeles 1970; ders.,
Power and Market, Kansas City 1977; ders., For A New Liberty, New York
1978; H. Hazlitt, The Foundations of Morality, Los Angeles 1964; J.
Buchanan/G. Tullock, The Calculus of Consent, Arm Arbor 1962; Buchanan,
The Limits of Liberty, Chicago 1975; Tullock, Logic of the Law, New
York 1971; ders., Private Wants, Public Means, New York 1970; außerdem
vgl. J. Rawls, A Theory of Justice, Cambridge 1971; R. Nozick, Anarchy,
State and Utopia, New York 1974.

[FN7] Obwohl man gerade den Ökonomen oft Blindheit in dieser Angelegenheit
vorwirft ("sie bringen alles auf den gemeinsamen Nenner 'Geld'"), muß
festgehalten werden, daß die hier formulierten Einsichten in
wünschenswerter Klarheit zumindest durch die Ökonomen der
subjektivistischen "österreichischen Schule" dargestellt worden sind.
Vgl. z. B. L. v. Mises, Theory of Money and Credit (Erstauflage 1912;
Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel), eines der frühen,
grundlegenden und umfassenden Werke der subjektivistischen Wertlehre,
das u. a. eine nach wie vor gültige Zurückweisung jeder Form von
objektivistischer Geldtheorie (derzufolge Geld ein nicht seinerseits
bewerteter "objektiver" Wertmaßstab ist) und eine Kritik der auf
solchen Theorien aufbauenden Bemühungen der ökonomischen Statistik
beinhaltet. S. auch ders., Human Action, Chicago 1966. – Allerdings muß
darauf hingewiesen werden, daß die subjektivistische Revolution in der
Ökonomie zu keinem Zeitpunkt von vollem Erfolg gekrönt gewesen ist.
Objektivistische Reste sind in der Gegenwartsökonomie allerorten
auszumachen und insofern hat die oben angedeutete Kritik an den
Ökonomen durchaus eine gewisse Berechtigung. Zum Gegensatz von
"subjektivistischer" und "objektivistischer" Ökonomie vgl. die
instruktive Arbeit von J. Buchanan, Cost and Choice, Chicago 1969.

[FN8] Einen eindeutigen Vergleich gesellschaftlicher Wohlfahrtsbilanzen
vornehmen zu können, heißt offenbar, den Obergang von einer Bilanz zur
anderen als pareto-optimal auszeichnen zu können. Oder, umgekehrt: Nur
wenn der Übergang von einer Bilanz zur anderen als pareto-optimaler
Wandel zu interpretieren ist, kann man auch von einer nicht-beliebigen
Beurteilung sozialer Wohlfahrtsbilanzen sprechen. Vgl. zum Konzept der
Pareto-Optimalität z. B. J. Buchanan/G. Tullock, a. a. O, (FN 6),
insbes. Kap. 12; als Quellentext siehe V. Pareto, Manual of Political
Economy, New York 1971, insbes. VI, § 33 und Appendix § 89-100, wo das
Konzept der "maximum ophelimity" erläutert wird.

[FN9] Vgl. hierzu z. B. Platon, Der Staat, Stuttgart 1950; K. J. Heinrich
(Hg.), Der utopische Staat; Morus, Utopia; Campanella, Sonnenstaat;
Bacon, Atlantis, Hamburg 1962.

[FN10] Vgl. hierzu F. A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, insb. Bd. 1, Chicago 1973.

[FN11] Wie andeutungsweise schon zum Ausdruck gekommen, äußert sich
die Attraktivität des Ansatzes weniger in der Häufigkeit, mit der
vollständig durchgearbeitete, gesamtgesellschaftliche
Gerechtigkeitszustandsmodelle vorgestellt werden, die methodisch
konsequent bis hin zu der Formulierung entsprechender
(gerechtigkeits-)zustandsorientierter Handlungsregeln durchdacht wären,
als vielmehr in der immer wieder zu beobachtenden Tatsache der
Heraushebung bestimmter gesellschaftlicher Teilzustände als gerecht
(oder ungerecht), d.h. als notwendiger aber nicht hinreichender
Voraussetzung eines gerechten (ungerechten) Gesamtzustandes und einer
entsprechenden Rechtfertigung sie generierender Handlungsregeln. (Man
sehe sich in diesem Zusammenhang als typische Beispiele etwa die
Grundsatzprogramme von SPD und DGB an, in denen es von
Teilzustandsbeschreibungen als gerecht [ungerecht] nur so wimmelt, und
eine Rechtfertigung von Regeln qua zustandsorientierter Regeln das
durchgängige Rechtfertigungsmuster darstellt. – In der
wissenschaftlichen Diskussion folgt u. E. die gesamte soziale
Indikatorenbewegung dem konstruktivistischen Ansatz: Sofern sie nicht
nur deskriptive, sondern auch explanatorische Funktionen übernimmt und
sich dann [typisch: SPES-Projekt] der wissenschaftlichen Begründung von
Sozialpolitik verschrieben hat, muß sie als Versuch interpretiert
werden, Handlungsregeln durch als "gut", "gerecht", "schön",
"funktional" [bzw. entsprechende Antonyme] charakterisierbare Zustände
zu rechtfertigen.)

[FN12] Vgl. zum Konzept der "offenen Gesellschaft" K. R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 2 Bände, Bern 1970.

[FN13] Vgl. hierzu die eindringlichen Ausführungen von Hayek über den
"negativen" Charakter gerechter Handlungsregeln in seiner Arbeit Law,
Legislation and Liberty, 3 Bände, Chicago 1973-1979; vgl. auch seine
früheren Arbeiten, etwa: Individualism and Economic Order, Chicago
1948, in denen er als universellen Vorteil der hier als Filter-Regeln
bezeichneten Regeln vor allem immer wieder auf die Tatsache hinweist,
daß nur sie es gestatten, individuelles Wissen für individuelle Ziele und Zwecke nutzbringend anzuwenden, während, wie oben gezeigt,
zustandsorientierte Regeln gerade ein Ausschalten individueller
Kenntnisse und Entscheidungsspielräume verlangen.

[FN14] Dies gilt zumal auch deshalb, weil man, um dies zu können, über
nicht-beliebige, quantifizierende (arithmetisch aggregierbare)
Frustrationsmeßinstrumente verfügen müßte, die es freilich sowenig
geben kann, wie entsprechende gesamtgesellschaftliche
Leistungskennziffern.

[FN15] Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Konzept des "Unbehagens in der
Kultur", bei S. Freud, Abriß der Psychoanalyse. Das Unbehagen in der
Kultur, Frankfurt 1953.

[FN16] Vgl. hierzu F. A. Hayek, a. a. O. (FN 13), insbes. Bd. II, Kap. 11, sowie Bd. III, Epilog.

[FN17] Zum Problem der Willkürlichkeit einer Regelrechtfertigung durch
Mehrheitsentscheidungen insb. J. Buchanan/G. Tullock, a. a. O. (FN 6)
sowie K. Wicksell, Finanztheoretische Untersuchungen, Jena 1896.

[FN18] Zu dieser Einschränkung S.44 f.

[FN19] Dem Fall unvermeidbarer Herrschaft kommt freilich nur theoretische
Bedeutung zu. Damit er vorliegen kann, muß nämlich,
unrealistischerweise, Sprachlosigkeit auf Seiten der Handelnden
vorausgesetzt werden. In dem Augenblick dagegen, in dem die sprachliche
Behauptung aufgestellt wird, es liege unvermeidbare Herrschaft vor,
wird sie schon selbstwidersprüchlich; denn indem man unterstellt, man
könne hinsichtlich dieser Behauptung allseitige Zustimmung erzielen,
unterstellt man auch, man wisse, wie man nach allgemein akzeptierten,
d.h. gerechten Regeln des Handelns Anerkennung bezüglich einer Aussage
gewinnen kann – also, daß man gerechtes und ungerechtes Handeln
unterscheiden kann.

[FN20] Vgl. zu diesem – allerdings in einem etwas anderen
Diskussionskontext geäußerten ? Vorwurf H. Weinrich, "System, Diskurs,
Didaktik und die Diktatur des Sitzfleisches" in: Merkur, Jg. 26, 1972.

[FN21] Dies ist so, weil die Gerechtigkeit einer abstrakteren Regel u. U. nur
die notwendige nicht aber die hinreichende Bedingung für die einer
konkreteren Regel darstellt. Und weil dies so ist, ergibt sich auch
folgende wichtige Präzisierung hinsichtlich der Charakterisierung des
Prozesses der Entdeckung gerechter Normen: Dieser Prozeß ist nicht mehr
allein, wie dargestellt, der – erfolglose oder erfolgreiche -Versuch,
einen Ausweg aus einer Situation unvermeidbarer Herrschaft zu finden,
indem zu uneinheitlich bewerteten konkreten Fällen aufgrund von
Abstraktionsleistungen Neubeschreibungen entwickelt werden, die die
fraglichen Fälle einer einheitlichen Behandlung zugänglich werden
lassen; vielmehr wird dieser Prozeß angesichts der gerade gemachten
Ausführungen daneben auch als ein Prozeß verständlich, in dessen
Verlauf man sich (erfolgreich oder nicht) darum bemüht, anerkannte
abstrakte Prinzipien im Hinblick auf konkrete, u. U. völlig neuartige
Fälle und Situationen in allgemein akzeptabler Form nicht nur zu
erläutern, sondern auch zu spezifizieren und zu ergänzen.

[FN22] Zum folgenden J. Habermas "Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie
der kommunikativen Kompetenz" in: Habermas/Luhmann, Theorie der
Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt/M. 1971; ders.,
"Wahrheitstheorien" in: Fahrenbach (H.), Wirklichkeit und Reflexion,
Pfullingen 1974; K. O. Apel, Transformation der Philosophie, Bd. II,
Frankfurt/M. 1973, insb. "Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft
und die Grundlagen der Ethik" (S. 358 ff.).

[FN23] Zum Verhältnis von Kognition (Aussagen) und Praxis (Handeln) vgl. C. S.
Peirce, Schriften, 2 Bände (K. O. Apel, Hg.), Frankfurt/M. 1967-1970,
insb. "Wie unsere Ideen zu klären sind", Bd. I; L. Wittgenstein,
"Philosophische Untersuchungen" in: ders., Schriften, Bd. I,
Frankfurt/M. 1960; J. Piaget, Psychologie der Intelligenz, Zürich 1970;
L. v. Mises, The Ultimate Foundation of Economic Science, Kansas City
1976, insb. Kap. 2; H. H. Hoppe, Handeln und Erkennen, Bern 1976.

[FN24] Nur darum, wegen dieser voraussetzbaren Fähigkeit zu gemeinsamer
Anerkennung von etwas, haben übrigens Begriffspaare wie "Herrschaft vs.
Freiheit" bzw. "Gerechtigkeit vs. Ungerechtigkeit" eine
Existenzberechtigung. Geht man nicht von der Möglichkeit gemeinsamer
Anerkennung von Handlungsregeln aus, so wird jede Klassifizierung von
Handlungsgeschehen als gerecht oder ungerecht unsinnig, und man kann
dies Geschehen allenfalls, – genau wie Naturereignisse – als angenehm
oder als unangenehm einstufen, als Ereignisabläufe, die sind wie sie
sind, und an die man sich allein erfolgreich oder nicht-erfolgreich
anzupassen vermag.

[FN25] Hierzu M. Rothbard, Power and Market, (FN 6), Kap. 6.11.

[FN26] Vgl. hierzu vor allem M. Rothbard, a. a. O. (FN 25); ders., For A New Liberty, New York 1978.

[FN27] Vgl. hierzu vor allem L. v. Mises, Human Action (FN 7), insb. Kap.
XXIII.G, S. 654 ff.; sowie: M. Rothbard, Man, Economy and State (FN 6)
insb. Bd. II, S. 883 ff. Es ergibt sich übrigens aus diesen
Ausführungen eine klare Zurückweisung eines überaus beliebten Arguments
zur Rechtfertigung staatlicher Aktivitäten (vgl. hierzu etwa die
typischen Aussagen bei R. Musgrave, Finanztheorie, Tübingen 1966, insb.
S. 7-19, und S. 71 f. – Ausführungen, die man inzwischen allerorten,
insbesondere auch außerhalb der Wirtschaftswissenschaften, meist
bedenkenlos nacherzählt bekommt): Staatliche Aktivitäten werden dadurch
zu rechtfertigen gesucht, daß man auf Güter verweist – sogenannte
"kollektive Güter" (die man, als hätte es eine subjektivistische
Revolution in der Ökonomie nie gegeben, kurioserweise durch physische
Gütermerkmale zu charakterisieren versucht) – die auf dem "freien
Markt" deshalb nicht angeboten werden, weil nicht alle von ihrem
Angebot – aufgrund von external benefits – profitierenden Personen zu
einer die Finanzierung dieser Güter erleichternden Gegenleistung bereit
sind. Da nun aber, so das Argument, die external benefits die
Wünschbarkeit solcher Güter belegen, muß hier der Staat einspringen, um
sie, die sonst nicht hergestellt würden, zu erbringen. Im Klartext
besagt das Argument, daß man das, was man aufgrund allgemeiner
Anerkennung als Gewalt bezeichnet, ausüben darf, wenn man zeigt, daß
bestimmte Leistungen ohne solche Gewaltanwendung (hier: ohne Zwang zur
Finanzierung bestimmter Güter, die man freiwillig offenbar nicht zu
finanzieren bereit ist, weil man sein Geld für andere Dinge dringender
zu verwenden wünscht) nicht angeboten werden. So wenig freilich, wie
diese merkwürdige Regel auf allgemeine Anerkennung hoffen könnte, so
wenig rechtfertigt dies Argument dann staatliche Aktivitäten. In der
Tat: Ein Markt ist "unvollkommen", insofern er durch die Geltung des
Gewaltausschlußprinzips gekennzeichnet ist und also auf ihm nicht das
angeboten wird, was nur bei Durchbrechung dieses Prinzips angeboten
werden kann, aber die "Unvollkommenheit" des Marktes ist
rechtfertigbar, die "Vervollkommnungen" durch staatliche Aktivitäten
dagegen sind es sowenig wie die Regel "ich darf dich ungefragt
verhauen, aber du nicht mich". Vgl. hierzu insb. die brillanten
Ausführungen bei M. Rothbard a. a. O.