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Preistaxen (1925)

1. Einleitung
2. Die Preistaxen
3. Die Bedeutung der Lehre von den Preistaxen für die Lehre von den Gesellschaftsformen

2. Die Preistaxen

a) Ordnungstaxen.

Als Ordnungstaxen wollen wir solche Preistaxen bezeichnen, die den Preis so nahe dem Preise, der sich auf dem unbehinderten Markte bilden würde, festsetzen, daß nur ganz geringfügige Folgen auftreten. Die Ordnungstaxe setzt sich somit von vornherein nur eine bescheidene Aufgabe; es liegt ihr fern, durch Ausschaltung des Einflusses der Marktfaktoren große volkswirtschaftspolitische Ziele anzustreben. Der einfachste Fall ist der, daß die Obrigkeit die Preise des Marktes einfach hinnimmt und durch ihr Eingreifen gewissermaßen sanktioniert. Aehnlich liegt die Sache, wenn Höchstpreise vorgeschrieben werden, die über, und Mindestpreise, die unter dem Marktpreis liegen. Etwas anderes ist es schon, wenn die Taxe als Mittel angewendet wird, um einen Monopolisten zur Einhaltung des ideellen Konkurrenzpreises an Stelle des höheren Monopolpreises zu zwingen. Wenn die Obrigkeit Monopole schafft (Apotheker, Notare, Rauchfangkehrer) oder die Zahl der Konkurrenten beschränkt, so daß die Bildung von monopolistischen Verabredungen unter ihnen gefördert wird (Konzessionierung des Lohnfuhrwerks), dann muß sie wohl zur Preistaxe greifen, wenn sie nicht die Verbraucher zur Zahlung des Monopolpreises zwingen will. In keinem dieser Fälle ist das Ergebnis des obrigkeitliehen Eingriffes eine Ablenkung des Preises von dem Stande, der sich auf dem unbehinderten Markte eingestellt hätte.

Nicht ganz so, aber doch nicht allzu verschieden, liegen die Dinge dort, wo die obrigkeitliche Vorschrift den Verkäufer der Möglichkeit beraubt, unter gewissen Umständen einen höheren Preis zu fordern und zu erhalten als es der ist, der unter gewöhnlichen Umständen erzielt werden kann. Wenn z. B. dem Lohnfuhrwerk ein Tarif von Amtswegen vorgeschrieben wird, dann wird ihm verwehrt, jene Fälle auszunützen, in denen es auf Fahrgäste trifft, die bereit sind, mehr zu zahlen als den Preis, der im übrigen für Fahrten dieser Art erzielt werden kann. Der wohlhabende Reisende, der spät nachts bei ungünstigem Wetter auf dem Bahnhofe einer fremden Stadt in Begleitung kleiner Kinder mit zahlreichen Gepäckstücken eintrifft, wird gern bereit sein, für die Fahrt in den entlegenen Gasthof weit mehr zu bezahlen als sonst üblich ist, wenn er dadurch den Wettbewerb anderer um die wenigen oder um die einzige zur Verfügung stehende Fahrgelegenheit auszustechen vermag. Die Rücksichtnahme auf die außerordentlichen Gewinne, die durch die Ausnützung solcher Gelegenheiten erzielt werden können, würde den Fuhrwerkern die Möglichkeit bieten, zu Zeiten schlechteren Geschäftsganges mit niedrigeren Vergütungen vorlieb zu nehmen, um die Nachfrage zu erhöhen. Das Eingreifen der Obrigkeit hat also das Ergebnis, daß die Spannung, die zwischen dem Preis zur Zeit starker Nachfrage und dem zur Zeit schwacher Nachfrage besteht, beseitigt wird und daß ein Durchschnittspreis herrscht. Geht die Obrigkeit bei ihrer Taxfestsetzung auch noch unter diesen ideellen Durchschnittspreis hinunter, dann haben wir eine echte Taxe vor uns; von den echten Taxen soll dann weiter unten die Rede sein.

Aehnlich liegt die Sache, wo die Behörde die Preise nicht unmittelbar festsetzt, jedoch dem Verkäufer, z. B. Gastwirten, vorschreibt, die geforderten Preise allgemein ersichtlich zu machen. Auch hier ist der Erfolg der, daß es dem Verkäufer verwehrt wird, unter Ausnützung besonderer Umstände von einzelnen Käufern höhere Preise als die sonst erzielbaren zu erhalten. Das muß er in seiner Kalkulation berücksichtigen; wenn er auf der einen Seite gehindert wird, die Preisforderung unter günstigen Umständen hinaufzusetzen, dann wird es ihm erschwert, mit ihr unter anderen – ungünstigeren – Umständen hinunterzugehen.

(1058) Andere Ordnungstaxen verfolgen den Zweck, die Entstehung von Zufallsgewinnen die sich unter dem Einflusse außerordentlicher Verhältnisse bilden könnten, zu verhindern. Wenn die Beleuchtungsanlagen einer Großstadt durch irgendeinen unerwarteten Zufall für einige Tage stillgelegt werden, dann müßten die Kerzenpreise ganz außerordentlich steigen, und die Händler die Kerzen vorrätig, haben, würden einen beträchtlichen Zufallsgewinn erzielen. Wenn die Obrigkeit hier eingreift und für Kerzen einen Höchstpreis und gleichzeitig den Verkaufszwang, solange der Vorrat reicht, vorschreibt, kann dies keine nachhaltigen Wirkungen auf die Versorgung des Marktes mit Kerzen äußern, da das Versagen des Beleuchtungswerkes, das die Ursache der vorübergehenden Preissteigerung der Kerzen gewesen ist, schnell und ohne dauernde Wirkung auf die Preise der Kerzen vorübergeht. Nur soweit die Händler und Erzeuger auf den Eintritt derartiger Zufälle hoffen und im Hinblick darauf die Preise und die Größe der Lager errechnen, kann der Eingriff der Obrigkeit Wirkungen für die Zukunft äußern. Muß man darauf gefaßt sein, daß bei Wiederkehr ähnlicher günstiger Gelegenheiten für den Absatz irgendwelcher Waren eine obrigkeitliche Verfügung die Ausnützung der Konjunktur untersagen werde, dann wird dies den Preis, der unter gewöhnlichen Verhältnissen für sie gefordert wird, erhöhen und den Antrieb zur Haltung größerer Vorräte herabmindern.

b) Echte Taxen.

Als echte Taxen wollen wir die Preistaxen bezeichnen, mit denen die Obrigkeit die Absieht verbindet, den Preis abweichend von jenem festzusetzen. der sich auf dem unbehinderten Markte bilden würde. Will die Obrigkeit den Preis über dem Marktpreis festsetzen, so wählt sie in der Regel die Festlegung von Mindestpreisen, will sie ihn unter den Marktpreis herabdrücken, dann pflegt sie in der Regel das Mittel der Festlegung von Höchstpreisen zu wählen.

Betrachten wir zunächst den Höchstpreis oder Maximalpreis. Der natürliche oder statische Preis, der sich auf dem unbehinderten Markte einstellen würde, entspricht einer Gleichgewichtslage aller Preise und Dienstleistungen. Bei diesem Preisstande fallen Preis und Kosten zusammen. Tritt nun infolge der obrigkeitlichen Verfügung eine Verschiebung ein, müssen die Verkäufer die Ware zu einem niedrigeren Preis als zu dem Preis, der sieh auf dein unbehinderten Markte gebildet hätte, her geben, dann bleibt der Erlös hinter den Kosten zurück. Die Verkäufer werden daher, wenn es sich nicht um Waren handelt, die dem schnellen Verderb oder sonst schneller Wertminderung ausgesetzt sind, vorn Verkaufe absehen und in der Erwartung daß die obrigkeitliche Maßregel nicht von Dauer sein werde, die Ware für günstigere Zeiten aufbewahren. Die Kauflustigen aber werden nicht in der Lage sein, den Gegenstand ihres Begehrs zu kaufen; sie werden, wenn es geht, an seiner Statt andere Güter kaufen, die sie sonst nicht gekauft hätten, weil sie etwa weniger geeignet sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. (Dazu muß noch bemerkt werden, daß die Preise dieser Surrogatgüter durch die gesteigerte Nach frage in die Höhe getrieben werden.) Nun ist es aber gar nicht die Absicht der Obrigkeit gewesen, diesen Erfolg herbeizuführen. Sie will durch die Preisbestimmung die Ware den Kauflustigen zu billigem Preise zur Verfügung stellen, nicht ab er sie überhaupt der Möglichkeit berauben, sich die Ware zu beschaffen. Daher wird die Obrigkeit mit der Bestimmung der Höhe des Kaufpreises auch die Verpflichtung der Verkäufer verbinden, die Ware solange der Vorrat reicht, an Kauflustige um den Maximalpreis abzulassen. Nun aber tritt erst die größte Schwierigkeit auf, die mit der Preisfestlegung verbunden ist. Das Spiel des Marktes zielt darauf ab. den Preis in der Höhe fest zulegen, in der Angebot und Nachfrage sich gerade decken. Die Zahl jener Kauf lustigen, die bereit sind, für die Ware im äußersten Falle so viel zahlen, als der Marktpreis beträgt, ist gerade so groß, daß der ganze auf den Markt gebrachte Vorrat zur Veräußerung gelangen kann.

Wird der Preis durch den Eingriff der Obrigkeit unter den Preis, der sieh auf dem unbehinderten Markte gebildet hätte, herabgedrückt, dann steht der gleichen Warenmenge eine größere Zahl von Kauflustigen gegenüber, die bereit sind, im äußersten Falle den von der Obrigkeit festgelegten niedrigeren Preis für die Ware zu bieten. Angebot und Nachfrage decken sieh nicht mehr: die Nachfrage übersteigt das Angebot, und der Marktmechanismus, der sonst durch Verschiebung der Preishöhe Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen sucht, kann eben infolge des obrigkeitlichen Eingriffes nicht mehr spielen.

Was nun geschieht, um so viele Käufer auszuschalten, daß nicht mehr als die vorhandene Menge der Ware zur Verteilung gelangt, ist, vom Standpunkte des Marktes betrachtet, Zufall. Es kann sein, daß diejenigen Käufer, die als die ersten auf dem Platze erscheinen. die Ware nach Hause tragen, oder daß die Käufer noch zum Zuge kommen, die persönliche Beziehungen mit den Verkäufern verbinden. Die jüngst verflossene Kriegszeit hat mit ihren mannigfachen Vers suchen, Preistaxen festzusetzen, für (1059) beides Beispiele gebracht. Man bekam die Ware um den Höchstpreis entweder, weil man ein Freund des Verkäufers war, oder weil man sich bei der “Polonäse” rechtzeitig angestellt hatte. Doch auch mit dem Ergebnis dieser Auslese derer, die noch zum Zuge gelangen, kann die Obrigkeit nicht einverstanden sein. Sie will ja mit ihrem Eingriffe gerade erzielen, daß jedermann die Ware zu billigerem Preise erhält, und will vermeiden, daß es Leute gibt, die nicht imstande sind, sich für ihr Geld die Ware zu beschaffen. Darum muß sie noch einen Schritt über den Verkaufszwang hinausgehen, sie muß zur Rationierung der Ware schreiten. Die Ware wird nicht mehr an jedermann in Mengen abgegeben, die dem Belieben des Verkäufers und des Käufers anheim gestellt sind. Die vorhandene Menge wird von der Behörde auf die Bewerber aufgeteilt, und jedermann bekommt zum behördlich festgelegten Preis so viel, als ihm auf Grund der obrigkeitlichen Rationierungsvorschrift zukommen soll.

Doch auch dabei kann die Obrigkeit nicht stehen bleiben. Denn die Eingriffe, von denen wir bisher gesprochen haben, betreffen bloß den schon auf dem Markte vorhandenen Warenvorrat. Ist dieser Vorrat einmal erschöpft, dann werden sich die leerten Vorratskammern nicht aufs neue füllen, weil die Erzeugung nicht mehr die Kosten deckt. Will daher die Obrigkeit die fortgesetzte Belieferung des Verbrauches sicherstellen, dann muß sie noch einen Schritt weitergehen, sie muß die Verpflichtung, zur Produktion aussprechen. Sie: muß, wenn es zu diesem Zwecke notwendig: ist, auch die Preise der Rohstoffe und der Halbfabrikate, eventuell auch die der Arbeitskraft festlegen, und sie muß die Unternehmer und die Arbeiter verpflichten, zu diesen Preisen zu produzieren und zu arbeiten.

Wir sehen damit ohne weiteres, daß die Preistaxe als isolierter Eingriff in das Spiel des Marktes in der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden arbeitsteiligen Gesellschaftsordnung undenkbar ist. Sie ist nicht imstande, den Erfolg zu erzielen, den die Obrigkeit durch ihren Eingriff erzielen will, und die Obrigkeit sieht sieh darum genötigt, schrittweise von dem isolierten Befehl, der die Höhe des Preises festsetzt, weiterzuschreiten, bis sie endlich dahin gelangt, die Verfügung über die Produktionsmittel und über die Arbeitskräfte an sich zu reißen, zu verfügen, was und wie produziert und wie verteilt werden soll. Der isolierte Eingriff in das Getriebe des Marktes stört mir die Versorgung der Verbraucher, lenkt sie von jenen Waren, die sie als die dringenderen ansehen, auf Ersatzartikel ab, die sie als mindergeeignet zur Deckung ihrer Bedürfnisse betrachten, und würde daher durchaus nicht jenen Erfolg erzielen, den die Obrigkeit anstrebt. Die Geschichte des Kriegssozialismus hat dies deutlich gezeigt. Schritt für Schritt waren die Regierungen, die in das Getriebe des Marktes eingreifen wollten, genötigt, von den isolierten Eingriffen in die Preisbestimmung, mit denen sie angefangen hatten, schließlich bis zur völligen Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu gehen. Sie hätten diesen Weg noch schneller zurücklegen müssen, wenn ihre Preistaxen vom Verkehr besser befolgt worden wären und kein Schleichhandel sie mit Erfolg zu umgehen verstanden hätte. Daß sie den letzten Schritt, die Vergesellschaftung des ganzen Produktionsapparates, nicht auch wirklich durchgeführt haben, ist nur auf die vorzeitige Beendigung. des Krieges, mit der zugleich das Ende der Kriegswirtschaft gegeben war, zurückzuführen. Wer aber die einzelnen Maßnahmen der Kriegswirtschaftspolitik verfolgt, der kann deutlich die oben genannten Phasen feststellen: zuerst Preistaxen, dann Verkaufszwang, dann Rationierung, dann Vorschriften über die Einrichtung der Produktion und der Verteilung, schließlich Versuche zur Uebernahme der planmäßigen Leitung der gesamten Produktion und Verteilung.

Die Preistaxe hat in der Geschichte vor allem bei Münzverschlechterungen und bei Inflationspolitik eine große Rolle gespielt. Die Regierungen haben immer wieder den Versuch unternommen, trotz der Münzverschlechterung und der Vermehrung der zirkulierenden Geldmenge das alte Preisniveau festzuhalten; so war es auch in der jüngsten und größten aller Inflationsperioden, in der des Weltkrieges. Die Regierungen haben mit der strafgerichtlichen Bekämpfung der Preistreiberei an demselben Tage begonnen, an dem sie die Notenpresse in den Dienst der Staatsfinanzen stellten. Nehmen wir an, sie hätten damit zunächst Erfolg erzielt. Wir wollen dabei ganz davon absehen, daß der Krieg auch das Angebot von Waren vermindert hat, und annehmen, daß von der Warenseite her keine Kräfte zur Verschiebung des zwischen den Waren und dem Gelde bestehenden Austauschverhältnisses wirksam gewesen wären. Weiter müssen wir davon absehen, daß die Kriegsereignisse durch Verlängerung der zur Geldversendung erforderlichen Zeit und durch Einschränkung des Kompensationsverkehrs und noch auf andere Weise den Geldbedarf der Einzelwirtschaften erhöht haben. Wir wollen lediglich die Frage prüfen, welche Folgen sich einstellen müßten, wenn ceteris paribus bei steigender Geldmenge die Geld- (1060) preise durch behördlichen Zwang auf der alten Höhe erhalten werden. Durch die Vermehrung der Geldmenge ist neue Kauflust auf dem Markte aufgetreten, die früher nicht bestanden hat; „neue Kaufkraft“, pflegt man zu sagen, ist geschaffen worden Wenn diese neuen Käufer mit denen, die schon auf dem Markte waren, wetteifern, ohne daß die Preise erhöht werden dürfen, dann kann nur ein Teil der Kauflust befriedigt werden. Es gibt dann Kauflustige, die unverrichteter Dinge den Markt verlassen. obwohl sie bereit waren, den geforderten Preis zu bewilligen, Kauflustige, die mit dem Gelde, mit dem sie ausgezogen waren, um zu kaufen, wieder nach Hause kommen. Die Regierung, die neugeschaffene Noten in den Verkehr setzt, will aber gerade damit Waren und Dienstleistungen aus den Wegen, in die sie bisher geleitet wurden, herausziehen, um sie der ihr erwünschten Verwendung zuzuführen. Sie will diese Waren und Dienstleistungen kaufen, nicht was ja auch denkbar wäre, zwangsweise, einfordern. Sie muß also gerade wünschen daß um Geld und nur um Geld alles zu haben ist. Es ist ihr nicht damit gedient, daß sich auf dem Markte ein Zustand heraus bildet, der einen Teil der Kauflustigen unverrichteter Dinge wieder abziehen läßt Sie selbst will kaufen, sie will den Markt benützen, nicht ihn zerstören. Der behördlich festgelegte Preis aber zerstört den Markt, auf dem Waren und Dienste gegen Geld gekauft und verkauft werden. Der Verkehr sucht sich, soweit es geht, auf andere Weise zu helfen. Es bildet sich z. B. wieder unmittelbarer Tausch heraus, in dem Waren und Dienstleistungen ohne Vermittlung des Geldes getauscht werden. Der Regierung, die ihrerseits für solchen direkten Tauschverkehr nicht ausgestattet ist, weil sie keine Waren dafür zur Verfügung hat, kann dies durchaus nicht recht sein. Sie, die nur mit Geld nicht auch mit Waren auf den Markt kommt, muß im Gegenteil wünschen, daß die Kaufkraft der Geldeinheit nicht dadurch weiter herabgedrückt werde, daß die Besitzer von Geld nicht mit Bestimmtheit darauf rechnen können, vermittels des Geldes in den Besitz der Waren zu gelangen, die sie begehren. Sie kann als Käuferin von Waren und Arbeitskräften selbst den Grundsatz nicht aufrechterhalten, daß die alten Preise nicht überschritten werden dürfen. Mit einem Worte: sie selbst als Emittentin der zusätzlichen Geldmenge kann der Notwendigkeit, die die Quantitätstheorie beschreibt, nicht entrinnen.

Setzt die Obrigkeit den Preis höher fest, als er sich auf dem unbehinderten Markte gebildet hätte und verbietet sie den Verkauf zu einem niedrigeren Preise (Mindestpreis), dann wird der Absatz sinken. Bei dem niedrigeren Marktpreis decken sich Angebot und Nachfrage; bei einem behördlich festgelegten höheren Preise bleibt die Nachfrage hinter dem Angebot zurück und ein Teil der zu Markte gebrachten Ware findet keinen Käufer. Da die Obrigkeit den Mindestpreis festlegt, um den Verkäufern lohnenden Absatz zu sichern, so kann dieser Erfolg durchaus nicht in ihrer Absieht gelegen sein. Sie muß daher zu anderen Mitteln greifen, zu Mitteln, die schließlich wieder Schritt für Schritt bis zur vollen Ueberführung der Verfügung über die Produktionsmittel in die Hand der Obrigkeit gehen müssen.

Von praktischer Bedeutung sind von den Mindestpreissatzungen vor allem die, welche die Höhe des Lohnes betreffen (Mindestlöhne). Solche Mindestlohnsätze können entweder unmittelbar durch die Obrigkeit verfügt werden oder mittelbar durch Förderung der gewerkschaftlichen Maßnahmen die auf Festlegung des Mindestlohnes abzielen. Wenn die Gewerkschaft durch Streik oder Streikdrohung einen über dem Stande des Lohnes, der sich auf dem unbehinderten Markte bilden würde, liegenden Mindestlohnsatz durchsetzt, so kann sie dies nur, weil hinter ihr die Obrigkeit steht und den Arbeitswilligen den Schutz des Gesetzes und der vollziehenden Gewalt verweigert und so den von den Gewerkschaften ausgeübten unmittelbaren Zwang zur Arbeitsenthaltung, wirksam macht. Es ist eben für die Untersuchung der prinzipiellen Bedeutung von Preissatzungen gleichgültig, ob der Zwangsapparat, der sie durchzusetzen bestrebt ist, der “legitime” Zwangsapparat der Staatsverwaltung ist oder der geduldete einer Organisation, die tatsächlich öffentliche Gewalt ausübt. Wird der Mindestlohn, der über der Höhe des Lohnsatzes liegt, der sich auf dem unbehinderten Markte ergeben würde, für einen einzelnen Industriezweig verfügt, dann wird die Produktion verteuert, der Preis des Endproduktes muß steigen und entsprechend der Absatz zurückgehen. Es muß mithin zu Arbeiterentlassungen kommen, und die entlassenen Arbeiter drücken den Lohn in den anderen Gewerbszweigen. Insofern könnte man also den Anschauungen der Lohnfondstheorie über die Wirkungen von nicht aus dem Getriebe des Marktes hervorgegangenen Erhöhungen des Lohnes zu stimmen. Was die Arbeiter in dem einen Produktionszweig gewonnen haben, verlieren die Arbeiter anderer Produktionszweige. Will man diese Folgen vermeiden, dann muß man an die Festsetzung des Mindestlohnsatzes die Verpflichtung knüpfen, die Zahl der Arbeiter nicht herabzusetzen.

(1061) Dann muß in dem betreffenden Produktionszweige der Gewinnsatz sinken, sei es dadurch, daß ein Teil der Arbeiter bezahlt wird: ohne daß man ihn verwendet, sei es dadurch, daß man die Arbeiter nicht nur bezahlt, sondern auch verwendet, den Umfang der Produktion nicht herabsetzt und das Produkt mit Verlust verkauft. Dann wird sich die Unternehmungstätigkeit aus diesem Produktionszweig zurückziehen wollen, und wenn die Obrigkeit dies verhindern will dann muß sie durch besondere Verfügungen eingreifen.

Erstreckt sich die Mindestlohnsatzung nicht nur auf einen einzigen oder auf einige wenige Produktionszweige. sondern wird sie allgemein für alle Produktionszweige einer isolierten Volkswirtschaft oder für die ganze Welt verfügt, dann kann die Preissteigerung der Produkte, die durch sie ausgelöst wird nicht zu einem Rückgang des Verbrauches führen.(1) Denn die höheren Löhne erweitern die Konsumkraft der Arbeiterschichten; sie können mehr konsumieren und können daher die Produkte, obwohl sie nun teuerer auf den Markt gelangen, kaufen. (Verschiebungen innerhalb der Produktionszweige können sich allerdings ergeben.) Die Unternehmer und Kapitalisten müßten, wenn sie nicht ihr Kapital angreifen, ihren Verbrauch einschränken, da ihr Geldeinkommen nicht gestiegen ist und sie nicht imstande sind, aus ihm die höheren Preise zu bezahlen. Soweit diese Verbrauchseinschränkung gehen müßte, hat die allgemeine Lohnerhöhung den Arbeitern Teile des Unternehmergewinnes und der Kapitalrente zugeführt. Die Erhöhung des Arbeitereinkommens gelangt darin zum Ausdruck, daß infolge der Zurückhaltung der Kapitalisten und Unternehmer die Preise doch nicht um den ganzen Betrag steigen, um den die Produktionskosten durch die Lohnsteigerung erhöht wurden, daß vielmehr die Steigerung der Preise der Konsumgüter ein wenig zurückbleibt. Angesichts der von keiner Seite bestrittenen Tatsache, daß eine Aufteilung selbst des ganzen Besitzeinkommens auf die Arbeiter nach Kopfteilen das Einkommen des einzelnen Arbeiters nicht wesentlich vermehren würde, darf man sich über die quantitative Bedeutung einer derart begrenzten Herabsetzung des Besitzeinkommens keinen Täuschungen hingeben. Wollte man aber annehmen, daß die Lohnsteigerung so weit geht und die Preise so beträchtlich hinauftreibt, daß ein Großteil oder fast das ganze Realeinkommen der Unternehmer und Kapitalisten den Arbeitern zufällt, so muß man beachten, daß Unternehmer und Kapitalisten auch weiter von ihrer Unternehmungstätigkeit und von ihrem Kapitalbesitz leben wollen und daß sie, wenn sie nicht von den Ueberschüssen der Verwendung von Kapital in Unternehmungen zu leben vermögen, den Kapitalstock selbst angreifen werden. Es würde also die Beseitigung des Besitzeinkommens auf dem Wege der von außen her erzwungenen Lohnerhöhung nur zum Verzehren von Kapitalbestandteilen und damit zu einer fortschreitenden Verminderung des Nationaleinkommens führen. (Dasselbe bewirkt übrigens jeder Versuch, das Kapital- und Unternehmungseinkommen anders als durch Vergesellschaftung der Produktion und der Verteilung abzuschaffen.) Will man diese Konsequenz vermeiden, dann scheint, im Sinne der Etatisten gesprochen, kein anderer Weg offen zu stehen als der, die Verfügung über die Produktionsmittel den Privateigentümern abzunehmen.

Alles das, was hier gesagt wurde, gilt nur von Preissatzungen, die den Preis von dem Stande, den er auf dem unbehinderten Markte einnehmen würde, abzulenken bestrebt sind. Gehen aber die Preissatzungen darauf aus, nicht den Konkurrenzpreis, der sich auf dem unbehinderten Markte entwickeln würde, sondern den Kartellpreis zu unterbieten, so sind die Folgen einer Preissatzung ganz andere. Dann steht für das Eingreifen der Obrigkeit die ganze Preisspannung zwischen dem höheren Monopolpreis und dem niedrigeren Konkurrenzpreis zur Verfügung. Innerhalb dieser Spannung können Preissatzungen wirksam werden; über den spezifischen Monopolertrag kann die Obrigkeit unter bestimmten Umständen verfügen Wird z. B. in einem abgeschlossenen Wirtschaftsgebiet, in dem ein Zuckerkartell den Preis des Zuckers über dem Stande hält, den er auf dem unbehinderten Markte eingenommen hätte, ein Mindestpreis für Zuckerrüben vorgeschrieben, der über dem Stande liegt, den der Rübenpreis auf dem unbehinderten Markte eingenommen haben würde, so können die geschilderten Wirkungen von Mindestpreisen solange nicht eintreten, als durch den Eingriff der Obrigkeit nur der spezifische Monopolgewinn der Zuckermonopolisten getroffen wird. Erst wenn der Rübenpreis so hoch festgesetzt wird, daß die Zuckerproduktion selbst zu dem Monopolpreis nicht mehr lohnt, so daß das Zuckermonopol gezwungen ist, den Preis hinaufzusetzen und entsprechend dem sinkenden Absatz die Produktion einzuschränken, treten jene (1062) Wirkungen zutage, von denen oben gesprochen wurde.

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(1) Wir sehen dabei von den von der Geldseite her auf die Preise wirkenden Kräften ab. Wir wollen dazu annehmen daß gleichzeitig mit der Lohnsteigerung eine Vermehrung der Umlaufsmittel um jenen Betrag stattfindet der dem durch sie ausgelösten Steigen des Geldbedarfs entspricht.