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1920-1929

Antimarxismus (1925)
Die Goldkernwährung (1925)
Eugen v. Böhm-Bawerk: Zu seinem 10. Todestage (1924)
Rezension: Das Geld von Karl Helfferich (1924)
Die Rückkehr zur Goldwährung (1924)

Die Goldkernwährung (1925)

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Quelle: Deutsche allgemeine Zeitung. Ausgabe Groß-Berlin, 24.2.1925

Die Bismarck-Bambergersche Münzreform der Jahre 1871-1873, die der deutschen Münzzersplitterung ein Ende machte und zugleich das deutsche Geldwesen von der Silberbasis auf die Goldbasis umstellte, ging von der Anschauung aus, daß es notwendig sei, im Zahlungsverkehr des Alltags der Goldmünze einen breiten Raum zuzuweisen. Als Vorbild galten die englischen Verhältnisse. Wenn man auch nicht so weit ging wie England, das alle Notenabschnitte unter fünf Pfund unterdrückt hatte, so sind doch alle Bestimmungen über die Banknotenstückelung und über die Reichskassenscheine offenkundig von dem Gedanken getragen, daß die papierenen Geldsurrogate nicht in die Hand des Bauers, des Arbeiters, des Handwerksmannes und des Subalternen gehören. Den Verkehr mit Gold zu „sättigen“ hielt man für eine wichtige Aufgabe der neuen deutschen Reichswährungspolitik, zu deren Durchführung man nicht unbeträchtliche materielle Opfer brachte.

Der Rückgang des Silberpreises, zu dem die deutschen Silberverkäufe den Anstoß gegeben haben, wenn sie ihn auch nicht allein verursacht haben, und der Umstand, daß nun durch das Vorgehen des deutschen Reiches der Währungsstreit zugunsten des Goldes entschieden war, nötigten im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auch Indien, von der Silberwährung zur Goldwährung überzugehen. Die indische Regierung war nicht geneigt, in der technischen Durchführung der Währungsreform dem deutschen Beispiel zu folgen. Sie wollte weder die großen finanziellen Opfer auf sich nehmen, die die Beschaffung eines großen Goldvorrates und die, naturgemäß nur bei sinkenden Preisen, mögliche Abstoßung eines großen Silbervorrats verlangt hätten. Sie wollte die indische Bevölkerung nicht zwingen, auf den alt überkommenen Gebrauch von Silbergeld zu verzichten und das ungewohnte Goldgeld anzunehmen. Vor allem aber scheute sie die Rückwirkung derartiger Maßnahmen auf die internationale Preisbewegung des Goldes. Große Goldkäufe für indische Rechnung hätten den Preis des Goldes beträchtlich in die Höhe getrieben und den allgemeinen Niedergang der Warenpreise, der damals – in der ersten Hälfte der 90er Jahre – noch die vornehmste Sorge der Staatsmänner aller Völker der Erde bildete, noch mehr verschärft. So griff Indien zu dem Auskunftsmittel, eine Goldwährung ohne effektiven Goldumlauf im Inlande zu schaffen. Die freie Silberprägung wurde eingestellt, und nach Ansammlung eines Währungsreservefonds wurde die Silberrupie zu einer Art silbernen Banknote umgestaltet. Zu einem festen Satz wurden Rupien in Gold und Gold in Rupien umgetauscht. Damit wurde die Rupie zum Gold in ein festes Wertverhältnis gebracht; war sie früher die Einheit einer Silberwährung gewesen, so ward sie nun zum einem Geldsurrogat einer Goldwährung. Das geldwertpolitische Ziel der indischen Währungsreform war erreicht.

Ähnlich wie in Indien wurde in den letzten Jahrezehnten vor dem Kriege die Währungsfrage in einer ganzen Reihe von asiatischen und amerikanischen Silber- und Papierwährungsländern gelöst. Auch in Europa fand das neue System Eingang. Österreich-Ungarn z.B. hatte 1892 damit begonnen, eine Goldwährung nach deutschem Muster mit effektivem Goldumlauf zu schaffen. Das, was schließlich – seit ungefähr 1900 – wirklich durchgeführt wurde, war Goldwährung ohne Goldumlauf.

Der geistige Vater des neuen Systems, das den Namen gold exchange standard oder Goldkernwährung führt, war Ricardo. In einer 1816 unter dem Titel Proposals for an economical and secure currency erschienenen Schrift hat er die Metallkernwährung, die auf Edelmetall (Gold oder Silber) begründete Währung ohne effektiven Edelmetallumlauf, als die beste und billigste Währungsverfassung empfohlen. In bewusster Anlehnung an die in Vergessenheit geratenen Vorschläge von Ricardo haben Lindsay und Probyn die Goldkernwährung als besten Ausweg aus den indischen Währungsschwierigkeiten empfohlen.

Die Vorteile, die die Goldkernwährung bietet und die sie den Finanzministern sympathisch gemacht hat, sind allein darin zu suchen, daß sie die höheren Kosten, die mit der Verwendung effektiven Goldes im täglichen Geldverkehr verbunden sind, entfallen lassen. Da so der Goldbedarf herabgesetzt wird, ist die Goldkernwährung verantwortlich zu machen für die Senkung des Goldpreises, d.h. für die allgemeine Erhöhung der Warenpreise, für die Teuerung. Auch dies hat, wie schon erwähnt, am Anfang ihrer Laufbahn als ein besonderer Vorzug gegolten. Heute würde man, falls man diese Kausalzusammenhänge klar erkennen würde, darin eher einen Nachteil zu erblicken geneigt sein.
Die Goldkernwährung wurde aber nun in der Weise ausgestaltet, daß ein Teil der Währungsreserve, in manchen Ländern die ganze Währungsreserve, nicht in effektivem Gold (Barren oder Münzen) gehalten wird, sondern in Goldforderungen auf ein Goldwährungsland, in Golddevisen. Bei dieser Anlage des Währungsreservefonds springt der Gewinn noch klarer ins Auge: der Goldschatz, der in den Kellern der Nationalbank oder der staatlichen Konversionskasse ruht, ist unfruchtbar, die Devisen aber tragen Zinsen. Mit dieser Ausgestaltung ist aber die Goldkernwährung an einen kritischen Wendepunkt angelangt. Es ist nämlich klar, daß die Anlage des Währungsreservefonds an Devisen nicht zur allgemeinen Norm für alle Länder der Welt erhoben werden kann, daß zumindest ein Land bei der effektiven Goldwährung alten Stils oder bei der Goldkernwährung mit effektivem Barschatz verbleiben muß, da sonst für das Gold nirgends mehr auf der Welt ein Platz als Währungsmetall übrig bleiben würde.

Alle Staaten der Welt, die nach der großen Inflationsepoche der letzten Jahre ihr Geldwesen wieder in Ordnung gebracht haben oder in Ordnung zu bringen suchen, streben die Goldkernwährung mit einem in Devisen angelegten Währungsreservefonds an. Das ist nur durchführbar, solange einige Länder, vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika, das ganze Gold willig aufzunehmen bereit sind. Es ist aber zu bezweifeln, daß die Vereinigten Staaten auf die Dauer bereit sein werden, diese große Last zu tragen. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß sie leichten Herzens jenen Vorschlägen Gehör schenken sollten, die ihnen die Loslösung vom Golde und den Übergang zu einer Inderwährung empfehlen. Die schweren sachlichen Bedenken, die gegen die Annahme der dahingehenden Vorschläge von Irving Fisher und von Keynes sprechen, sind zu groß. Wohl aber dürfen sie die Forderung erheben, daß zumindest die reicheren und wirtschaftlich kräftigeren Staaten der Welt entweder von der Goldkernwährung zurück zur Goldwährung mit effektivem Goldumlauf übergehen oder zumindest sich zur Haltung einer bestimmten Goldreserve verpflichten.

Die Probleme, die die jüngste Entwicklung der Goldkernwährung brachten, sind bisher in der volkswirtschaftlichen Literatur stiefmütterlich behandelt worden. Zumal in Deutschland und Österreich hat man bisher der Goldkernwährung lange nicht die Beachtung geschenkt, die sie verdient hätte; es wird selbst viele geben, denen es nicht klar geworden ist, daß auch Deutschlands neue Währung eine Goldkernwährung ist. Noch immer herrschen in der öffentlichen Meinung die Missverständnisse vor, die Heyn’s und Knapp’s Schriften über das Wesen der Goldkernwährung in Umlauf gesetzt haben.

Es ist daher mit besonderer Genugtuung zu begrüßen, daß Dr. Fritz Machlup es unternommen hat, die Goldkernwährung in einer Monographie darzustellen.(1) Das Buch stellt die Goldkernwährung in dogmengeschichtlicher und systematischer Besprechung dar, es bringt eine Wirtschaftsgeschichte der Goldkernwährung und schließt mit scharfsinnigen Untersuchungen über die geldwertpolitischen und geldtheoretischen Probleme dieser Geldverfassung. Besonders dankenswert ist es, daß im Anhang der Ricardo’sche Währungsvorschlag von 1816 zum ersten Mal in deutscher Sprache der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Man mag in verschiedenen Einzelfragen und auch in manchen grundsätzlichen Fragen anderer Auffassung sein als der überaus sachkundige und belesene Verfasser. Man kann aber nicht bestreiten, daß hier eine gediegene Arbeit vorliegt, die den ganzen Problemkreis in umfassender Weise bearbeitet, die Kernfragen mit großem Geschick erfasst und ihre Lösung mit Verständnis anzubahnen sucht. Ein Buch dieser Art hat unserer Geldliteratur bisher gefehlt. Jedermann, der sich mit den Fragen des Geldwesens – besonders des deutschen – in ernster Weise zu befassen gedenkt, sollte diese Schrift nicht nur durchsehen, sondern gründlich studieren. Sie bietet die beste Grundlage für die Erörterung der weiteren Ausgestaltung des deutschen und des europäischen Geldwesens.

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(1) Die Goldkernwährung. Eine währungsgeschichtliche und währungstheoretische Untersuchung von Dr. Fritz Machlup. Mit einem Anhang: Übersetzung des Ricardoschen Währungsplanes aus dem Jahre 1816 von Dr. Wilhelm Frontowitz und Dr. Fritz Machlup. Halberstadt. H. Meyers Buchdruckerei, Abteilung Verlag. 1925. XV und 203 Seiten.