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1920-1929

Interventionismus (1926)
Vorwort: S. Strakosch "Das sozialdemokratische Agrarprogramm in seiner politischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung" (1926)
Diskussionbeiträge bei der Versammlung des Vereins für Sozialpolitik in Stuttgart (1925)
Preistaxen (1925)
Die Goldwährung (1925)

Vorwort: S. Strakosch "Das sozialdemokratische Agrarprogramm in seiner politischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung" (1926)

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Quelle: Das sozialdemokratische Agrarprogramm in seiner politischen und
volkswirtschaftlichen Bedeutung. Von Dr. h.c. Siegfried Strakosch.
Wien, 1926. 48 Seiten. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ludwig Mises.
(S. 3-4)

Vorwort

Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Ideologie und dem Misserfolg ihrer Rezepte zur Weltbeglückung ist die sozialdemokratische Partei nicht von der Bildfläche verschwunden. Sie blieb bestehen, auch nachdem ihr ursprüngliches Programm versagt hatte. Mag sie es auch nicht offen eingestehen wollen, ihr neues Programm heißt: Aufzehrung der vom Kapitalismus angesammelten Gütermassen.

In dem neuen Agrarprogramm der österreichischen Sozialdemokratie tritt uns dieses Bestreben unverhüllter und offener als sonst entgegen. Der landwirtschaftliche Großbetrieb arbeitet rationeller als der Bauer und der Parzellenbesitzer; das Agrarprogramm kann das nicht bestreiten, es fordert aber dennoch die Enteignung des landwirtschaftlichen Großgrundbesitzes und seine Überführung in das Eigentum des Bundes, obwohl jedermann weiß, daß alle Bundesbetriebe mit Betriebsabgängen arbeiten. Zwölf Prozent der gesamten Waldfläche Österreichs werden vom Bund bewirtschaftet; sie verschlingen alljährlich ein Milliardendefizit, wogegen alle privaten Waldbesitzer Erträge erzielen. Nichtsdestoweniger verlangt das Agrarprogramm Enteignung und Verstaatlichung des privaten großen Forstbesitzes. Die sozialisierten Forste, heißt es dann weiter, sollen „nicht als kapitalistische Ertragswälder, sondern als sozialistische Wohlfahrtswälder“ bewirtschaftet werden. Der Zusatz war überflüssig; es wird wohl ohnehin nach den Erfahrungen, die wir reichlich zu machen Gelegenheit hatten, niemand befürchten, daß Betriebe des Bundes oder der Gemeinwirtschaft Erträge abwerfen könnten. Mit einem Wort: Das Ziel, das das sozialdemokratische Agrarprogramm anstrebt, ist die Umwandlung eines großen Teils der Land- und Forstwirtschaft in einen Zuschussbetrieb; Grund und Boden sollen keinen Reinertrag mehr abwerfen, die bei seiner Bewirtschaftung Tätigen sollen durch Zuflüsse aus anderen Quellen unterstützt werden. Nahezu jeder Absatz des Agrarprogramms spricht von Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zugunsten der Landwirtschaft. So sind zum Beispiel aus „öffentlichen Mitteln zu fördern“ Gespanngenossenschaften der Häusler und Kleinbauern. Die Aufwendung von Bundes- und Landesmitteln wird ferner verlangt für Maßregeln, die die Beschaffung guten Saatgutes, Kunstdüngers, guter Zuchttiere erleichtern, für die Errichtung landwirtschaftlicher Maschinenstationen usw.

Woher die Mittel kommen sollen, um alle diese Aufwendungen zu bestreiten, wird im sozialdemokratischen Programm allerdings nicht gesagt. Dagegen wird die Beseitigung verschiedener heute bestehender Steuern, zum Beispiel der Zuckersteuer und der Weinsteuer, beantragt. Der Abbau der Weinsteuer soll wohl den Alkoholismus fördern! Sachliche Bedenken scheinen die Verfasser des neuen sozialdemokratischen Agrarprogramms nicht sonderlich geplagt zu haben. Der einzige Gesichtspunkt, den sie bei der Verfassung des Programms hatten, war eben: Wirkung auf die Wähler.

Bisher hat die sozialdemokratische Partei in der Behandlung aller Fragen, die mit der Landwirtschaft zusammenhängen, ausschließlich den Standpunkt des städtischen Konsumenten vertreten. Nun braucht sie aber zur Erlangung der vollen Herrschaft auch die Stimmen der ländlichen Wählerschaft und entwirft daher ein Agrarprogramm voll von lockenden Versprechungen. Werden die Landwirte sich durch dieses Programm täuschen lassen? Werden sie nicht erkennen, daß es der sozialdemokratischen Partei doch auf die Dauer nicht möglich sein wird, der städtischen Bevölkerung Lasten aufzuerlegen zugunsten der Landwirtschaft? Wird ihnen nicht das Interesse, das in der sozialdemokratischen Partei plötzlich für landwirtschaftliche Dinge erwacht ist, verdächtig vorkommen?

Dr. Siegfried Strakosch, unser erfolgreichster Landwirt, gleich hervorragend als Naturforscher und als volkswirtschaftlicher Schriftsteller, hat sich der Aufgabe unterzogen, das sozialdemokratische Agrarprogramm im einzelnen zu prüfen. Wenn Dr. Strakosch über agrarpolitische Probleme spricht, dann kann jedermann in Österreich lernen, mag er auch mit ihm in manchen volkswirtschaftlichen Dingen nicht ganz übereinstimmen. Die nüchterne Sachlichkeit seiner Ausführungen wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Hoffen wir, daß sie manchen die Augen öffnen wird über die Größe der Gefahr, die die Durchführung auch nur eines Teiles des sozialdemokratischen Agrarprogramms über unser Land heraufbeschwören müsste.

Wien, 5. Jänner 1926.

Professor Dr. Ludwig Mises