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1930-1939

Vom Weg der subjektivistischen Wertlehre (1931)
Das Wirtschaftssystem des Interventionismus (1930)
Begreifen und Verstehen (1930)

Das Wirtschaftssystem des Interventionismus (1930)

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Quelle: Mitteilungen des Deutschen Hauptverbandes der Industrie, XI. Jg., Folge 31, 31.7.1930, S. 569

Zwei Wirtschaftssysteme ringen um die Herrschaft. Auf der einen Seite das vom Liberalismus verfochtene System des Kapitalismus, d. i. des Sondereigentums an den Produktionsmitteln, auf der anderen Seite das von den Sozialisten aller Schattierungen vertretene System des Sozialismus oder Kommunismus, d. i. des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln. Zwischen diesen beiden Systemen aber steht ein drittes System, von dem seine Anhänger und Befürworter behaupten, dass es weder Sozialismus noch Kapitalismus ist, dass es vielmehr die Nachteile beider vermeidet und die Vorzüge beider vereinigt, das System des Interventionismus. Der Interventionismus, der heute nahezu von allen Regierungen gehandhabt wird, und den nahezu alle politischen Parteien in dieser oder jener Form vertreten, will das Sondereigentum an den Produktionsmitteln nicht aufheben, sondern nur einschränken. Er erklärt einerseits, dass das uneingeschränkte Sondereigentum an den Produktionsmitteln der Gesellschaft schädlich sei, aber er hält andererseits das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, den Sozialismus, entweder überhaupt oder doch wenigstens für den Augenblick für undurchführbar. Und so will er etwas drittes schaffen: einen Gesellschaftszustand, der in der Mitte zwischen Sondereigentum an den Produktionsmitteln auf der einen Seite und gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln auf der anderen Seite liegt. Damit sollen die „Auswüchse“ und Schäden des Kapitalismus vermieden werden und doch die Vorteile freier Initiative und Regsamkeit gewahrt bleiben, die der Sozialismus nicht gewähren kann.

Das Mittel, mit dem der Interventionismus arbeitet, sind „Eingriffe“ in das Wirtschaftsleben. Unter solchen Eingriffen verstehen wir einen von einer gesellschaftlichen Gewalt (also in der Regel vom Staate) ausgehenden isolierten Befehl, der die Eigentümer der Produktionsmittel und die Unternehmer zwingt, die Produktionsmittel anders zu verwenden, als sie es sonst tun würden. „Isolierter Befehl“ bedeutet, dass der Befehl nicht Teil eines Systems von Befehlen bildet, das die ganze Produktion und Verteilung regelt und damit das Sondereigentum an den Produktionsmitteln beseitigt und an seine Stelle das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, den Sozialismus, setzt. Die Befehle, die wir im Auge haben, mögen sich noch so sehr häufen; solange sie nicht planmäßig darauf ausgehen, das Ganze der Wirtschaft zu lenken und an Stelle des Gewinnstrebens der Individuen allgemein den Gehorsam zur Triebfeder des Handelns zu machen, sind sie als isolierte Befehle anzusehen. Unter „Produktionsmittel“ sind alle Güter höherer Ordnung, also alle noch nicht beim Konsumenten zum Gebrauch oder Verbrauch bereitliegenden Güter zu verstehen, so dass auch die bei den Händlern vorrätigen, im kaufmännischen Sinne als „gebrauchsreif“ bezeichneten Waren inbegriffen sind.

Die Eingriffe können zweierlei Art sein: sie können entweder produktionspolitische Eingriffe sein, d.h. Befehle, die die Produktion unmittelbar hemmen oder erschweren, oder preispolitische Eingriffe, die darauf hinauslaufen, Preise von Gütern und Dienstleistungen anders festzusetzen, als der unbehinderte Markt sie bilden würde.

Die produktionspolitischen Eingriffe können ihrer Natur nach keinen anderen Erfolg haben als den, die Ergiebigkeit der wirtschaftlichen Arbeit herabzusetzen. Über sie soll hier nicht mehr gesagt werden.(*) Wir wollen uns ausschließlich auf die Behandlung der preispolitischen Eingriffe beschränken und zu diesem Zwecke die von der Obrigkeit angeordnete Preissatzung, den gesetzlich vorgeschriebenen Höchstpreis, untersuchen.

Bei dem Preisstande, der sich auf dem unbehinderten Markte bildet oder, falls nicht die Obrigkeit die Freiheit der Preisbildung unterbunden hätte, bilden würde, werden die Produktionskosten durch den Erlös gedeckt. Wird von der Obrigkeit ein niedrigerer Preis anbefohlen, dann bleibt der Erlös hinter den Kosten zurück. Die Händler und Erzeuger werden daher, wenn es sich nicht um Waren handelt, die durch die Aufbewahrung eine schnelle Wertverminderung erleiden, vom Verkauf absehen, um die Ware für günstigere Zeiten aufzubewahren, etwa in der Erwartung, dass die obrigkeitliche Verfügung bald wieder rückgängig gemacht wird. Will die Obrigkeit nicht, dass der Erfolg ihrer Verfügung der sei, dass die betroffene Ware überhaupt aus dem Verkehr verschwindet, dann kann sie sich nicht darauf beschränken, den Preis festzusetzen; sie muß gleichzeitig auch schon verfügen, dass alle vorhandenen Vorräte zum vorgeschriebenen Preis verkauft werden.

Aber auch das genügt nicht. Zu dem ideellen Marktpreis hätten Angebot und Nachfrage sich gedeckt. Nun, da durch die obrigkeitliche Verfügung der Preis niedriger festgelegt wurde, ist die Nachfrage gestiegen, während das Angebot unverändert blieb. Die vorhandenen Vorräte reichen nicht aus, um alle, die den vorgeschriebenen Preis aufzuwenden bereit sind, voll zu befriedigen. Ein Teil der Nachfrage wird unbefriedigt bleiben. Der Marktmechanismus, der sonst Nachfrage und Angebot durch Veränderung des Preisstandes zur Deckung bringt, spielt nicht mehr. Nun müssen Personen, die bereit wären, den von der Obrigkeit vorgeschriebenen Preis auszulegen, unverrichteter Dinge den Markt verlassen. Diejenigen, die früher am Platze waren oder irgendwelche persönlichen Beziehungen zu den Verkäufern auszunützen verstehen, haben bereits den ganzen Vorrat erworben; die anderen haben das Nachsehen. Will die Obrigkeit diese Folge ihres Eingriffes, die doch ihren Absichten zuwiderläuft, vermeiden, dann muß sie zur Preistaxe und zum Verkaufszwang auch noch die Rationierung hinzufügen. Eine obrigkeitliche Vorschrift bestimmt, wieviel Ware an jeden einzelnen Bewerber zum vorgeschriebenen Preis abgegeben werden darf.

Doch sind die im Augenblick des Eingriffs der Obrigkeit schon vorhandenen Vorräte einmal aufgebraucht, dann ergibt sich ein ungleich schwierigeres Problem. Da die Erzeugung bei Verkauf zu dem von der Obrigkeit vorgeschriebenen Preis nicht mehr rentabel ist, wird sie eingeschränkt oder ganz eingestellt. Will die Obrigkeit die Erzeugung weiter fortsetzen lassen, dann muß sie die Produzenten verpflichten, zu erzeugen, sie muß zu diesem Zwecke auch die Preise der Rohstoffe und der Halbfabrikate und die Arbeitslöhne festlegen. Diese Verfügungen dürfen sich aber nicht nur auf den einen oder die wenigen Produktionszweige beschränken, die man regeln will, weil man ihre Produkte für besonders wichtig erachtet. Sie müssen alle Produktionszweige umfassen, sie müssen die Preise aller Güter und jeglichen Arbeitslohn, das Verhalten aller Unternehmer, Kapitalisten, Grundbesitzer und Arbeiter regeln. Würden sie einige Produktionszweige freilassen, so würden Kapital und Arbeit in sie abströmen und das Ziel, das die Obrigkeit mit ihrem ersten Eingriff erreichen wollte, würde verfehlt werden. Die Obrigkeit will doch, dass gerade der Produktionszweig, den sie wegen der Wichtigkeit, die sie seinen Erzeugnissen beilegt, mit der besonderen Regelung bedacht hat, auch reichlich besetzt werde. Es läuft ihrer Absicht durchaus zuwider, dass man ihn – gerade infolge des Eingriffes – vernachlässigen sollte. Man sieht also, der isolierte preispolitische Eingriff – in unserem Falle der Höchstpreis – in das Getriebe der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftsordnung verfehlt den Zweck, den seine Urheber durch ihn erreichen wollen; er ist – im Sinne seiner Urheber – nicht nur zwecklos, sondern geradezu zweckwidrig, weil er das „Übel“, das durch ihn bekämpft werden soll, noch ganz gewaltig vermehrt. Ehe die Preistaxe erlassen wurde, war die Ware – nach Meinung der Obrigkeit – zu teuer; nun verschwindet sie vom Markte. Das aber hat die Obrigkeit, die die Ware dem Verbraucher billiger zugänglich machen wollte, nicht beabsichtigt. Im Gegenteil: von ihrem Standpunkt muß der Mangel, die Unmöglichkeit, sich die Ware zu beschaffen, als das größere, als das weitaus größere Übel erscheinen. In diesem Sinne kann man von dem isolierten Eingriff sagen, dass er sinn- und zweckwidrig ist, und von dem System der Wirtschaftspolitik, das mit solchen Eingriffen arbeiten will, dass es undurchführbar und undenkbar ist, dass es der wirtschaftlichen Logik widerspricht.

Will die Obrigkeit die Dinge nicht dadurch wieder ins Geleise bringen, dass sie von ihrem isolierten Eingriff absteht, indem sie die Preistaxen wieder aufhebt, dann muß sie dem ersten Schritt weitere folgen lassen. Zum Befehl, keinen höheren Preis als den vorgeschriebenen zu fordern, müssen nicht nur der Befehl, die Vorräte zu verkaufen, und die Rationierung hinzutreten, sondern auch Preistaxen für die Güter höherer Ordnung und Lohntarife und schließlich Arbeitszwang für Unternehmer und Arbeiter. Und diese Vorschriften dürfen sich nicht auf einen oder einige wenige Produktionszweige beschränken, sondern sie müssen alle Zweige der Produktion umfassen. Es gibt eben keine andere Wahl als die: entweder von isolierten Eingriffen in das Spiel des Marktes abzusehen oder aber die gesamte Leitung der Produktion und der Verteilung an die Obrigkeit zu übertragen. Entweder Kapitalismus oder Sozialismus; ein Mittelding gibt es nicht.

Die Erkenntnis dieses Sachverhaltes ist es, die den Liberalismus dazu führt, die interventionistischen Eingriffe in das Gebiet der Wirtschaft abzulehnen. Nicht aus „Staatsfeindschaft“, nicht auf ein Naturrecht pochend, sondern aus nüchterner Erkenntnis des Sachverhaltes bekämpft der Liberalismus die obrigkeitlichen Eingriffe. Er lehnt die unmittelbare Betätigung des Staates und der Gemeinden auf wirtschaftlichem Gebiete ab, weil er der Überzeugung ist, dass die private Unternehmungstätigkeit zu höherer Ergiebigkeit der Produktion, d. h. zu besserer Versorgung der Konsumenten führt, und er lehnt die Staatseingriffe in die Verfügungen der Unternehmer ab, weil er der Meinung ist, dass sie den Zweck, den die Obrigkeit mit ihrer Setzung verfolgen will, nicht erreichen können.

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(*) Eine ausführliche Kritik des gesamten Interventionismus enthalten meine im Verlage von Gustav Fischer in Jena erschienenen Arbeiten „Liberalismus“ und „Kritik des Interventionismus“, auf die ich hier nur verweisen kann.