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John Prince-Smith

Die sogenannte Arbeiterfrage (1864)
Handelsminister für sechs Stunden (1851)
Ueber die Nachtheile der Industrie durch Erhöhung der Einfuhrzölle (1845)
Ueber Handelsfeindseligkeit (1841)

Ueber die Nachtheile der Industrie durch Erhöhung der Einfuhrzölle (1845)

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Quelle: entnommen aus den Gesammelten Werken, hrsg. v. Otto Michaelis

EINEM HOCHVERORDNETEN ZOLLVEREINS KONGRESS ZU KARLSRUHE ZUR GENEIGTEN WÜRDIGUNG HOCHACHTUNGS- UND VERTRAUENSVOLL VORGELEGT VON DEM VERFASSER.

ELBING DEN 1. JUNI 1845.

Die Industrie ist für jede zivilisirte Nation die Quelle leiblicher Wohlfahrt, die Bedingung höherer geistiger Ausbildung, der Hebel grösserer gemeinsamer Werke, die Stütze der politischen Stellung. Die Industrie zu heben und zu beschützen ist also erste Pflicht einer Staatsregierung. Aber in demselben Maasse ist die Verantwortlichkeit Derer gross, welche in den Gang der Industrie einzugreifen wagen. Machen sie Missgriffe dabei, so vernichten sie die Nahrungsquellen von Millionen von Arbeitern, verdammen Tausende von Begüterten zum Verlust ihrer Habe unter fruchtlosen ängstlichen Bemühungen, und untergraben das Gedeihen der Gesammtheit.

Im Juli dieses Jahres worden sich Abgeordnete der Zollvereins Regierungen zum Kongress in Karlsruhe versammeln, um über Tarifbestimmungen, mit Rücksicht auf Hebung und Beschützung der vereinsländischen Industrie, zu berathen.

Die Partei, welche in hohen Eingangszöllen auf fremde Fabrikate ein Schutz und Hebungsmittel für einheimische Industrie finden will die Partei der Merkantilisten nämlich hat mit mehr als gewöhnlicher Thätigkeit und Energie diesmal auf die Entscheidung jenes Kongresses einzuwirken versucht. Die aufgeklärte Handelspolitik der preussischen Regierung war bisher den Anschlägen jener Partei ein unübersteigliches Hinderniss. Auf diese also mussten die Ueberredungsversuche hauptsächlich gerichtet werden. Die Merkantilisten scheinen auch zu glauben, dass Preussen jetzt bereit wäre, seinen früheren Widerstand gegen Handelsbeschränkung für unzweckmässig, seine bisherige Richtung in der Handelspolitik für eine nachtheilige zu erklären, und fortan für ein System mitzuwirken, auf dessen Bekämpfung es zum Theil seinen Anspruch auf höhere Intelligenz stützte.

Ich befürchte nicht eine so verhängnissvolle Katastrophe für das ganze soziale Wohl Deutschlands. Denn die preussische Regierung hat vor Augen, in dem höchst erfreulichen Aufschwung aller Produktivität, und in dem raschen Wachsthum aller Hilfsquellen, den unzweideutigsten Beweis für die Zuträglichkeit ihrer bisher befolgten Prinzipien. Die Vorstellungen aber, wodurch sie bewogen werden soll, ihre Prinzipien in dieser grossen Lebenssache zu ändern, bestehen aus Entstellung der Thatsachen, Verrückung der Gesichtspunkte und Vermischung der Fragen. Diese Vorstellungen gehen von Personen aus, welche durch die empfohlenen Maassregeln für sich selbst einen unmittelbaren grossen Vortheil, wie ich nachweisen werde, ziehen würden. Die heftige Begierde, diesen Vortheil für sich zu erhaschen, macht sie blind gegen den, dem allgemeinen Interesse daraus erwachsenden unermesslichen Nachtheil, den ich gleichfalls nachweisen werde. Obgleich nun jene Sonderinteressenten eine sehr energische Thätigkeit zur Unterstützung ihrer Ansprüche entwickeln, und die Nation im Allgemeinen, deren höchstes Interesse dabei auf dem Spiele steht, eine fast eben so grosse Sorglosigkeit beweist, so darf man nicht befürchten, dass die Einsicht der preussischen Regierung in das für das Allgemeinwohl Förderliche hier getrübt, noch ihre Standhaftigkeit in der Wahrung desselben bei dieser wichtigen Gelegenheit vermisst werden wird. Der englische Handelsminister, Herr Gladstone erklärt, dass die europäischen Regierungen, indem sie einer beschränkenden Handelspolitik nachgeben, dem populären Willen, öfters im Widerspruch mit ihren eigenen Ueberzeugungen, gehorchen. Die Ueberzeugungen der ausgezeichnetsten Mitglieder der preussischen Regierung haben sich bisher entschieden gegen eine beschränkende Handelspolitik geäussert.

[…]

Schluss.

Die Entstellungen und Trugschlüsse, deren sich die Merkantilisten bedienen, sind, in kürzesten Worten, hauptsächlich folgende:

1. Sie heben die Ein und Ausfuhr von Waaren, anstatt des Verbrauchs von Rohstoffen und Halbfabrikaten, hervor, um den Zustand der Industrie darzuthun. Durch solchen Missbrauch der Statistik unterstützen sie ihre Klagen über ein Sinken unter fremder Konkurrenz bei Industriezweigen, welche in erstaunlich raschem Aufschwunge begriffen sind.

2. Sie geben vor, dass sie mit dem Auslande nicht konkurriren können, weil sie zu wenig Kapital für ihre jetzigen Geschäfte haben; und dabei fordern sie eine Vermehrung der Geschäfte für das jetzige Kapital.

3. Sie geben ein blosses Umsatteln für eine Vermehrung der Industrie aus.

4. Den Verdienst bei einer neuen Beschäftigung, für welchen eben so grosser anderweitiger Verdienst aufgegeben wird, stellen sie als eine Vermehrung des Verdienstes überhaupt dar.

5. Sie wollen die Produktionsmittel Gewerben entziehen, welche bei natürlichen Preisen rentiren, um dieselben in Gewerbe zu stecken, deren Produktionskosten nur durch gewaltsame Erhöhung des Konsumtionspreises gedeckt werden können, und nennen Solches eine Beförderung des Nationalwohlstandes.

6. Sie wollen die Produkte theuerer machen, damit die Industrie sich entwickele; wogegen die Industrie nur darin sich entwickelt, dass sie die Produkte billiger macht. Sie wollen den Absatzpreis künstlich steigern, um die Kosten eines mangelhaften oder ungeeigneten Betriebs zu decken; wogegen es Aufgabe der Industrie ist, durch Verbesserung des dem Lande geeigneten Betriebs, die Kosten unter den natürlichen Absatzpreis zu bringen.

7. Sie wollen, durch erzwungene Anlage grosser Fabriken, die Industriemittel steigern, weil gesteigerte Industriemittel grosse Fabriken erzeugen; als ob man durch Anschaffung einer glänzenden Equipage reich würde, weil reiche Leute glänzende Equipagen halten. Eben so wollen sie durch erzwungenes Hervorrufen einer eigenen Marine und des direkten überseeischen Verkehrs einen blühenden auswärtigen Handel erzeugen, weil ein blühender auswärtiger Handel eine Marine und direkten Verkehr nöthig macht.

8. Sie behaupten, dass baares Geld, durch die zu geringe Beschränkung der Waareneinfuhr, dem Lande entzogen wird, – eine Behauptung, welcher den Zustand sowohl der Wechselkurse als des Geldwerths widerspricht.

9. Sie behaupten, dass eine beständige Mehreinfuhr an Industrieprodukten stattfinde, obwohl jede solche Mehreinfuhr ihre schnelle Gegenwirkung in einem veränderten Verhältniss der inländischen zu den auswärtigen Preisen findet, mithin der Werth der eingeführten durch den Werth der ausgeführten Produkte bedingt ist.

10. Sie wollen die Einfuhren beschränken, um das Umsatzmittel im Lande anzuhäufen und die Industrie zu heben, obwohl Entwerthung des Zahlmittels, zur Störung aller Geldverhältnisse, und Verminderung der Ausfuhren, zum Schaden der Industrie, die augenscheinlichen Folgen des Versuchs wären.

11. Die Verführer unter der Merkantilpartei, Diejenigen, welche wissen, was sie wollen, wollen sich selbst, auf Kosten und zum unberechenbaren Schaden ihrer Mitbürger bereichern.

12. Die Verführten stimmen nur deshalb bei, weil sie die vielseitige Natur der Produktions und Erwerbsgesetze nicht erfassen, und nur zu Beschränkungen greifen können, wo ihnen die Einsicht für ein positives Entwickeln fehlt.

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Aus den angegebenen Gründen und in Betracht,

dass jede legislative Einwirkung auf die Preisverhältnisse, eine schädliche und ungerechte Störung des Erwerbs sei,

dass die mit dein Auslande konkurrirenden Industrieen des Zollvereins in ungewöhnlich raschem Aufschwunge begriffen seien,

dass eine Beschränkung des Handelsverkehrs mit dem Auslande jenen Aufschwung nur hemmen könne,

dass mithin eine gewaltsame Einmischung in den Gang der vereinsländischen Industrie, für die Hebung derselben, durch die Umstände nicht gerechtfertigt werde,

dass eine Erhöhung der Einfuhrzölle nicht als Mittel zur ferneren Hebung einheimischer Industrie sich ausweise;

so lege ich hiermit, im Namen der unparteiischen Wissenschaft, zur Wahrung des Allgemeininteresses, und wider die Forderungen unwissenschaftlicher Sonderinteressenten, einen feierlichen Protest gegen jede Vermehrung der Theuerungszölle ein.