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Michael von Prollius

Geschichte wiederholt sich: Kontroverse Geldpolitik um 1825
Wirtschaftszyklus und Finanzmarktkrise – gemeinsame Ursachen und Folgen

Wirtschaftszyklus und Finanzmarktkrise – gemeinsame Ursachen und Folgen

Die Österreichische Schule der Nationalökonomie bietet bekanntlich eine erhellende Konjunkturtheorie, die zugleich die tieferen Ursachen der aktuellen Finanzkrise erläutern kann. Zudem beleuchtet sie die weit reichenden Folgen beider Phänomene. Im Mittelpunkt steht eine grundsätzliche Störung des Preisgefüges, das bisher weitgehend ignoriert wird. Gottfried Haberler (http://www.mises.org/about/3232), dem wir weit mehr als seine in Schulen gelehrte Charakterisierung des Konjunkturzyklus verdanken, hat 1932 in seinem Aufsatz „Money and the Business Cycle“ eine anschauliche Erklärung der komplexen Materie entwickelt.

Krisensymptome

Haberler beginnt mit einer bemerkenswert aktuellen Zurückweisung. Zwar sei es interessant über dramatische Ereignisse wie Spekulation und Bankrott, akute Finanzkrisen und den Einbruch der Börse zu sprechen. Gleichwohl wolle er dieser Versuchung widerstehen und sich mit den diesen Phänomenen zu Grunde liegenden Bewegungen beschäftigen.

Die ursprüngliche Annahme von Ökonomen, die ein regelmäßiges Auf und Ab wirtschaftlicher Aktivitäten auf isolierte Ereignisse zurückführten, war bereits im 19. Jahrhundert auf Grund der Regelmäßigkeit dieser Erscheinungen nicht mehr haltbar. Offenkundig handelt es sich lediglich um Symptome einer ernst zu nehmenden Krise der gesamten Volkswirtschaft. Auffälliger Weise steigen die Preise während der Prosperitätsphase und fallen während der Depression, die heute teilweise verharmlosend als Abschwung oder Rezession bezeichnet wird. Begleitet wird diese Entwicklung mit einem beträchtlichen Anwachsen und Absinken des Zahlungsvolumens. Die Frage lautet nun: Kommt der Impuls von der Geldseite durch die Geschäftsbanken bzw. monetäre staatliche Autoritäten oder von der Güterseite durch Veränderungen der Nachfrage, der Produktion und Innovationen?

Unzureichender Monetarismus

Frühe monetäre Arbeiten (Cassel und Hawtrey) erklärten das Phänomen rein monetär mit einer durch die Regierung ausgelösten Inflation und Deflation. Das bedeutet, die staatliche Veränderung der Zinsrate, wenn es sonst keine Veränderungen gibt, beeinflusst die Bereitschaft der Geschäftsleute, Kredite aufzunehmen. Hinzu kommt die Beobachtung, dass die Zinsen im Aufschwung regelmäßig zu niedrig waren. Infolgedessen steigen die Preise und es kommt zu einer Kreditinflation, später notwendiger Weise zu einer Kontraktion in Gestalt einer Krise und nachfolgenden Depression.

Alle monetären Theorien arbeiteten Haberler zufolge mit folgendem Prinzip: Störende Faktoren bewirken über eine Veränderung des Preisniveaus die Expansion und Kontraktion von Krediten und Geld und parallel der volkswirtschaftlichen Aktivität. Folglich sei die Ansicht weit verbreitet, dass die Stabilität des Preisniveaus ein ausreichendes Kriterium für eine rationale Regulierung der Kredite sei. „Wenn es möglich wäre, das Preisniveau stabil zu halten, dann würde Prosperität niemals von Depressionen gefolgt werden.“ schrieb Haberler 1932. Diese Argumentation ist für den 1936 nach Harvard emigrierten Ökonomen unzureichend.

Kredite haben weit reichende Folgen

Vielmehr hat eine Kreditexpansion einen weiterreichenden Einfluss auf die gesamte Volkswirtschaft. Dies gilt insbesondere für die Struktur der Produktion. Eine bloße Veränderung des Preisniveaus blendet dies aus – zumal ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen sinkenden Preisen als Folge der Kontraktion der Geldmenge einerseits und als Folge von sinkenden Kosten, die auf Neuerungen oder technologischen Verbesserungen beruhen, andererseits.

Tatsächlich führt für Haberler, der auf Hayeks „Preise und Produktion“ aufbaut, eine Veränderung des Preisniveaus zu einer geänderten vertikalen (!) Struktur der Produktion. Die klassische Sicht betrachtet demgegenüber noch die horizontalen Missverhältnisse und erklärt diese als Folge von Überproduktion bestimmter Branchen. Die neue Sichtweise fokussiert hingegen die (vertikale) Herstellungsketten von Gütern (über Branchen hinweg), z.B. ein Paar Schuhe. In dieser Sicht erscheinen Konjunkturzyklen als eine Verlängerung bzw. Verkürzung dieser Produktionskette. In ihr ist das Kapital einer Volkswirtschaft gespeichert. Wohlhabende Volkswirtschaften verkürzen durch Kapitaleinsatz diese Ketten.

Eine Kreditexpansion bewirkt lange zeitraubende Produktionsumwege, weil zusätzliche Zwischenprodukte wie Werkzeuge und Hilfsmittel hergestellt werden, die später zu technisch ergiebigeren Produktionsmethoden führen (Verleitung zur Überinvestition). Das bedeutet, das Verhältnis von Arbeit und Kapital wird gestört, und zwar erstens in den oberen und unteren Phasen des Herstellungsprozesses, zweitens im Verhältnis zur (erforderlichen, weil nachgefragten) Produktion der Konsumgüter aktuell und drittens hinsichtlich der Ausweitung dieses Apparats für eine vergrößerte spätere Produktion. Produktive Ressourcen werden also vom aktuellen Produktionsprozess für Konsumgüter abgezogen und für Produktionsgüter verwandt, was zur Verlängerung des Produktionsprozesses führt. Zugleich trifft die noch unveränderte Konsumgüternachfrage nunmehr auf eine verringerte Konsumgüterproduktion. Damit wird ein Konsumverzicht im Ausmaß der von den Investoren zusätzlich beanspruchten Ressourcen erzwungen (erzwungenes Sparen).

Unnatürliche Zinsen verhindern sanfte Korrektur

Diese Verzerrung bezüglich der tatsächlichen Anforderungen wird durch die zu günstigen Kredite nicht nur ermöglicht, sondern auch zu spät sichtbar. Zwar steigen mit knappen Konsumgütern die Preise und vielfach werden die Zinsen bald auf das natürliche Niveau oder sogar darüber hinaus angehoben. Investitionen werden teurer, unproduktive Investitionen werden aufgegeben und es erfolgt eine Rückkehr zur kürzeren Produktionskette. Die Krise ist also Ausdruck der durch die Kreditexpansion herbeigeführten Kapitalfehlleitungen, die nun korrigiert wird. Das im Aufschwung erzeugte Missverhältnis zwischen Nachfrage- und Produktionsstruktur wird wieder angepasst. Gleichwohl geht dieser Anpassungsprozess der vertikalen Struktur mit hohen Kapitalverlusten einher – dessen Ausmaß das Wesen und die Dauer der Depression konstituiert. Diese Verluste werden durch falsche Zins- und Kreditsignale verursacht. Dennoch bleibt die Krise für Hayek und Haberler ein gleichermaßen schmerzhafter wie notwendiger Prozess.

Eigentlich gibt es keinen Grund, warum der freiwillige Wechsel vom Konsumieren zum Sparen sowie vom Einsatz der produktiven Ressourcen von der Bereitstellung von Konsumgütern zur Verlängerung der Produktionskette durch Investitionstätigkeiten nicht sanft verlaufen sollte. Schließlich gleicht der Produktionsprozess einem mannigfach verästelten Strom von Gütern und Leistungen (http://www.forum-ordnungspolitik.de/content/view/218/64/). Gewaltsame Fluktuationen entstehen erst durch den Einfluss der Banken. Sie können die Entscheidung, ob konsumiert, gespart oder investiert wird, durch expansive Kreditschöpfung beeinflussen. Und das Ausmaß der Kredite legen die staatlichen Zentralbanken u.a. mit ihrer Zinspolitik fest.

Österreicher versus Keynes und Staatsinterventionismus

Durch die Interdependenz aller Wirtschaftsbereiche bleibt die Krise nicht beschränkt, sondern wirkt sich potenziell auch auf scheinbar nicht verbundene Bereiche aus. Erste Insolvenzen lösen eine Welle des Pessimismus und der Nervosität aus. Ein Prozess der Kreditschrumpfung setzt ein. Billiges (staatlich indiziertes) Geld verschiebt und verschlimmert die Krise allerdings nur. Denn wenn das Kreditgebäude erst einmal wackelt, droht bei dem heute üblichen ungedeckten Papiergeld (Fiat money) ein Einsturz über eine Deflation, anders als in einer durch Gold gedeckten Währung.

Sobald wir die Vorstellung akzeptieren, dass der Produktionsapparat aus dem Tritt ist, dass große Verschiebungen von Arbeit und Kapital erforderlich sind, um zu einem neuen Gleichgewicht zu gelangen, wird deutlich, dass der Konjunkturzyklus nicht allein ein monetäres Phänomen ist, auch wenn die Geldkräfte den ganzen Ärger ausgelöst haben, betont Haberler. Die Heilung erfordert Zeit und kann nicht kurzfristig erfolgen. Das liegt auch daran, dass die Zeitspanne der Produktion länger dauert als die Zeitspanne der Zirkulation des Geldes.

Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu Keynes – eine marktliche Reaktion ist für Österreicher alternativlos und kann nicht durch staatliche Interventionen kompensiert werden. Schließlich sind die Verschiebungen im Produktionsapparat nicht durch reales, freiwilliges Sparen von Individuen oder Unternehmen erfolgt, sondern durch ad hoc erzeugte Kredite. Zudem wird deutlich, dass ein stabiles Konsumgüterpreisniveau kein geeigneter Schutz für eine derartige künstliche Stimulation der Produktionsausdehnung ist. Sicher ist, dass sich die Politik der Geldmengenausweitung nicht dauerhaft aufrecht erhalten lässt. Mit den Worten von Ludwig von Mises: „Inflation ist a policy that cannot last.“