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1920-1929

Die Abschaffung des Geldes in Russland (1920)
Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen (1920)
Zu Karl Mengers achtzigstem Geburtstag (1920)
Ernste Rückgänge der Valuta (1920)

Zu Karl Mengers achtzigstem Geburtstag (1920)

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Quelle: Neues Wiener Tagblatt Nr. 52, 22. Februar 1920; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Die Entwicklung der Wissenschaften vollzieht sich nicht in gleichmäßigem und ununterbrochenem Aufstieg; auf Perioden großer Leistungen solche geistiger Ermattung, auf die Meister folgen die Epigonen, bis das geniale Männer wieder eine neue Blütezeit herbeiführen. Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war die Nationalökonomie zweifellos an einem toten Punkt angelangt. Man fühlte das Unbefriedigende des von der klassischen Nationalökonomie überlieferten Systems, man war aber nicht imstande, darüber hinauszukommen. Um die Probleme, die hier zu lösen waren, auch nur richtig zu formulieren, bedurfte es Männer, die Ricardo an Genialität nicht nachstanden. Solche fehlten. Auch John Stuart Mill, der originellste Nationalökonom jener Tage, war nicht der Mann dazu.

Der Franzose Dupuit und der preußische Assessor Gossen hatten versucht, den Weg zu gehen, der gegangen werden musste. Ohne deren Schriften, die verschollen waren, zu kennen und unabhängig voneinander traten um 1871 herum ziemlich gleichzeitig Karl Menger in Oesterreich, Jevons in England, Leon Walras in der Schweiz hervor. Ihre Arbeiten weisen eine merkwürdige Uebereinstimmung in allem Grundsätzlichen auf. Am schärfsten ist jedoch dieser Grundgedanke, die durchgängige Aufrichtung der Wertlehre auf dem subjektiven Gebrauchswerte der Güter, bei Menger herausgearbeitet. Seine Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, ein dünner Band, haben die nationalökonomische Wissenschaft vollständig revolutioniert. Alles, was seither geleistet wurde, baut sich auf Mengers Arbeiten auf. Die Grenznutzentheorie hat in Oesterreich neben Menger in Wieser und in dem viel zu früh dahingegangenen Böhm-Bawerk ihre bedeutendsten Vertreter gefunden; man pflegt diese drei unter der Bezeichnung „Die Österreichische Schule“ zusammenzufassen, unter diesem Namen haben sie Weltruf gewonnen. Am wenigsten Anerkennung vermochten sie in Deutschland zu finden; ungleich größer war ihr Erfolg in England, in Italien, in den Niederlanden und in den skandinavischen Ländern. Die moderne amerikanische Nationalökonomie fußt auf den Arbeiten der „österreichischen Schule“.

Im Jahre 1883 veröffentlichte Menger seine Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Oekonomie insbesondere. Mit diesem Buche, das zunächst als Kritik des damals in Deutschland herrschenden Relativismus und Historismus gedacht war, hat er der Logik und Erkenntnistheorie der Geisteswissenschaften neue Wege gewiesen. Auch dieses Buch wurde anfangs wenig beachtet, mehr als zwanzig Jahre vergingen, bis es in seiner Bedeutung voll erkannt wurde. Die neueren methodologischen Arbeiten stehen durchaus unter dem Einflusse dieses Werkes.

Menger war kein Vielschreiber, seine Veröffentlichungen nehmen dem Umfange nach nur wenig Raum ein. Er hat auch nur selten zur Feder gegriffen um zur Klärung aktueller volkswirtschaftlicher Fragen beizutragen. Von den Tagesfragen hat ihn am meisten das Währungsproblem angezogen. Seine kleine Abhandlung über das österreichische Währungsproblem und seine Ausführungen auf der Valutaenquete des Jahres 1892 haben die Reform des österreichischen Geldwesens entscheidend beeinflusst. Er hat die Lehre vom Geld wiederholt auch in rein theoretischer Weise behandelt, vor allem in einem klassischen Beitrage für das Handwörterbuch der Staatswissenschaften.

Die Arbeiten Mengers haben, wie schon erwähnt, lange keine Würdigung gefunden; erst später sind sie voll anerkannt worden, von Jahr zu Jahr wuchs ihr Ansehen. Heute kann man ohne Uebertreibung sagen, dass die österreichische Schule der Nationalökonomie in der Geschichte der Sozialwissenschaften eine unvergängliche Stellung einnimmt. Karl Menger kann mit Stolz und Befriedigung auf sein Lebenswerk zurückblicken. Möge es ihm noch vergönnt sein, die großen Arbeiten, mit denen er beschäftigt ist, zur Vollendung zu bringen.