Home Kontakt Sitemap Impressum

Meinung

Welt-Textilabkommen (16.01.2005)
Straßenbaubeitragsgesetz (09.01.2005)
EU-Verfassungsvertrag (30.12.2004)
Neoprotektionismus (März 2004)
Ausbildungsplatzabgabe - Kampf der SPD mit der Realität (Feb. 2004)

Neoprotektionismus (März 2004)

Die Große Depression der frühen 30er Jahre wird vornehmlich mit dem „Schwarzen Freitag“ des Oktober 1929 in Verbindung gebracht, an dem die New Yorker Börse seinerzeit ihren ersten großen Einbruch erlitt. Aber dieser Einbruch hätte nicht eine langjährige Krise der Weltwirtschaft hervorrufen können. Der eigentliche Auslöser der Depression war die Handelspolitik der Vereinigten Staaten. Im Juni 1930 wurde der Hawley-Smoot Tariff Act verabschiedet, mit dem die höchsten Einfuhrzölle in der Geschichte der USA in Kraft traten. Die anderen Staaten erhöhten daraufhin ebenfalls die Zölle und brachen damit dem Welthandel endgültig das Genick. Der Westen stürzte nun in einen langen ökonomischen und politischen Winter. Überall wuchs der Staat auf Kosten der Gesellschaft, und in Deutschland wurde er sogar totalitär.

Heute besteht die Gefahr, daß der gleiche Fehler wiederholt wird, mit ähnlichen oder vielleicht sogar schlimmeren Folgen. Ganz ähnlich wie in den späten 20er Jahren befindet sich die heutige Weltwirtschaft in einer Krise, die durch eine inflationäre Währungspolitik hervorgerufen wurde. Und heute genau wie damals will kein Politiker an der Währungspolitik rühren. Die expansive Geldpolitik soll munter weiter gehen, da der Staat ja zu den wichtigsten Nutznießern dieser Expansion gehört. Stattdessen machen heute einflußreiche Kreise – genau wie in den frühen 30er Jahren – den freien Welthandel zum Sündenbock. Aber diese Diagnose ist falsch, und die aus ihr abgeleiteten politischen Empfehlungen würden katastrophale Folgen zeitigen.

Seit dem Zusammenbruch der Börsenkurse im Frühjahr 2001 hat die amerikanische Zentralbank versucht, mit expansiver Geldpolitik einen neuen Aufschwung in Gang zu setzen. Allen nüchternen Beobachtern ist heute klar, daß dabei im Ergebnis nur eine künstliche „Blase“ der Börsenkurse herauskam. Mit anderen Worten: Es wurde viel Geld in den Sand gesetzt, aber der viel beschworene Wirtschaftsaufschwung will einfach nicht kommen. Am 5. März 2004 kamen neue Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt: nur 21.000 neue Stellen, statt der erhofften 200.000. Für viele Beobachter liegen nun die Ursachen dieser Lage in der Handelspolitik. Sie weisen darauf hin, daß die amerikanischen Konsumenten seit Jahren schon immer mehr ausländische (vor allem chinesische) Produkte kaufen und daß die chinesischen Unternehmen jetzt auch auf den Märkten für Produktionsgüter nachziehen. Immer mehr amerikanische Firmen verlegen mehr oder minder große Teile ihrer Produktion ins Ausland („Outsourcing“). Die Folge sei vermehrte Arbeitslosigkeit und Verarmung unter den Amerikanern.

Als besonders skandalös wird der Bezug ausländischer Dienstleistungen empfunden. Dramatische Kostensenkungen im Bereich der Telekommunikation machen es zum Beispiel möglich, daß amerikanische Unternehmen indische Telefonisten beschäftigen – natürlich zu einem Bruchteil des Lohnes, den sie in den USA zu bezahlen hätten. Banken, Versicherungen und viele andere Dienstleister machen davon zunehmend Gebrauch. Der Freihandel scheint also nicht nur die einfachen Leute im Blaumann zu bedrohen, sondern auch die feinen Leute, die mit Telefon und Computer arbeiten. Seit Monaten mehren sich daher die Stimmen, die nach politischen Schutzmaßnahmen rufen. Präsident Bush machte sich im vergangenen Jahr daran, die Stahlzölle zu erhöhen, ließ aber schließlich davon ab. Doch im Wahljahr 2004 könnte sich das Blatt wenden. Sein Konkurrent Kerry hat bereits öffentlich das Outsourcing als „unpatriotische Praxis“ gegeißelt; im Falle seiner Wahl will er alle Handelsverträge im Lichte amerikanischer Umwelt- und Arbeitsnormen revidieren.

Die freihändlerischen Gegner dieses Neoprotektionismus sind in den USA heute sehr zahlreich. Ihren Stimmen ist es u.a. zu verdanken, daß Präsident Bush im letzten Jahr von der Erhöhung der Stahlzölle abließ. Sie weisen darauf hin, daß die freie internationale Zusammenarbeit – auch im Bereich der Dienstleistungen – für alle beteiligten Nationen große Vorteile bringt. Und sie haben Kerry bereits als Heuchler entlarvt, der seine Wahlkampagne mit Hilfe kanadischer Telefonisten und ausländischer Praktikanten betreibt.

Zyniker werden hier eine Konstante der amerikanischen Politik sehen. Während des gesamten 20sten Jahrhunderts haben amerikanische Politiker den freien Markt gepredigt, aber dann doch immer wieder dem Protektionismus gefrönt, wenn dies im Interesse der tonangebenden Gruppen zu sein schien. Aber der grundsätzliche Einwand reicht sehr viel weiter und tiefer. Der Protektionismus ist nicht allein deshalb verwerflich, weil er die traditionelle Heuchlerei amerikanischer Handelspolitiker entlarvt; er ist verwerflich, weil er den Interessen der großen Bevölkerungsmehrheit entgegensteht.

Das ist ganz offensichtlich der Fall, wenn man das Problem vom globalen Standpunkt der Weltbevölkerung betrachtet. Protektionismus in einem Land bedeutet immer auch Einkommensverluste in anderen Ländern. Der Protektionismus der westlichen Länder, vor allem im Bereich landwirtschaftlicher Produkte ist sicherlich das größte Hemmnis für die Entwicklung der Dritten Welt. Wir in Europa sehen uns ja gerne als die humanen Förderer der armen Länder. In Wirklichkeit jedoch steht die europäische Heuchlerei der amerikanischen nicht nach. Wir verteilen ein paar milde Gaben an ausländische Regierungen („Entwicklungshilfe“), aber die Arbeitsfrüchte ausländischer Bauern haben bei uns Hausverbot, weil ja sonst unsere Bauern vom Land in die Städte ziehen müßten und dort die Löhne der gewerkschaftlich organisierten Industriearbeiter drücken würden. Die Folge: statt afrikanischer und asiatischer Waren strömen uns nun afrikanische und asiatische Menschen zu. Das vorläufige Zwischenergebnis unserer Handelspolitik ist die gewaltigste Wanderungsbewegung der letzten 1500 Jahre; und es steht zu befürchten, daß am Ende der Bürgerkrieg steht.

Auch vom engen Standpunkt der eigenen nationalen Interessen ist und bleibt der Protektionismus ein Irrweg. Er kann allenfalls sehr kurzfristige Vorteile für einige tonangebende Gruppen wie z.B. Gewerkschaften und Politiker bringen. Den Kapitalabfluß und die damit einhergehende Ausgleichung der Lebensverhältnisse auf der ganzen Welt kann er letztlich doch nicht verhindern.

Niemand wird behaupten wollen, daß mit der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung alles zum Besten bestellt ist. Aber ihre strukturellen Mängel liegen eben nicht im Handel – der freie Handel operiert immer und überall zum Vorteil der breiten Masse. Jene Mängel liegen vielmehr im Bereich der Währungspolitik. Hier gilt es, das Übel an der Wurzel zu packen. Die neuerlich heraufziehende Börsenblase zeigt überdeutlich, daß eine gesunde Wirtschaft ein gesundes Geld verlangt, d.h. ein Geld, das nicht von Politikern manipuliert werden kann. Das ist insbesondere bei Silber und Gold der Fall, deren monetärer Gebrauch bei uns seit vielen Jahren schon vom Gesetzgeber behindert wird.

Guido Hülsmann