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Wirtschaftlicher Liberalismus (1959)

1. Liberalismus und Nationalökonomie
2. Aufstieg und Niedergang des Liberalismus
3. Liberalismus und Sonderinteressen
4. Vorrang des Verbrauches und Freiheit des Marktes
5. Liberalismus und Außenhandel

3. Liberalismus und Sonderinteressen

Wirtschaftsfreiheit bringt eine Elite hervor: die der erfolgreichen
Unternehmer. Wenn man diese Schicht eine soziale Klasse nennen will,
darf man nicht vergessen hinzuzufügen, daß ihre Zusammensetzung
beständig wechselt. Es gibt eine Anzahl von Familien, die ihren in
Geschäften erworbenen und angelegten Reichtum durch mehr als zwei oder
drei Generationen erhalten und gemehrt haben. Viel häufiger ist es, daß
der Sohn vermögensloser Eltern emporsteigt und daß seine Söhne oder
Enkel die ererbte Stellung nicht zu wahren wissen. Wo
Wirtschaftsfreiheit herrscht, hat jedes bestehende Unternehmen immer
wieder gegen den Wettbewerb von Personen zu kämpfen, die emporkommen
wollen. Es ist daher verfehlt anzunehmen, daß "Klasseninteressen" die
Unternehmer antreiben, für unbeschränkte Wirtschaftsfreiheit
einzutreten. Wer für Wirtschaftsfreiheit eintritt, will vielmehr jenen
heute armen und unbekannten Männern Bahn schaffen, die in kommenden
Jahren diejenigen, die heute reiche Unternehmer sind, entweder
verdrängen oder zur höchsten Anspannung ihrer Kräfte zwingen werden.

Mit dieser Feststellung erweist sich alles als falsch, was seit mehr
als hundert Jahren über die Rolle der Nationalökonomie in der
Entwicklung der liberalen Politik gesagt wurde. Wenn Nationalökonomen
Wirtschaftsfreiheit empfahlen, haben sie nicht Klasseninteressen derer,
die schon Bourgeois waren, vertreten. Niemand hatte von der
Wirtschaftsfreiheit Sondervorteile zu erwarten. Die liberale Bewegung
war eine geistige Bewegung, nicht etwa ein Kampf der Bourgeoisie zur
Erlangung und Bewahrung von Sondervorteilen. Die Nationalökonomen waren
nicht "Sycophanten der Bourgeoisie" (Karl Marx); sie lieferten nicht
den "ideologischen Überbau" für eine Umwälzung, die die Entwicklung der
"materiellen Produktivkräfte" eingeleitet hatte. Der Liberalismus war
eine politische Macht, solange die Freihandelslehre die Geister
beherrschte. Er verlor Einfluß auf die Gestaltung der Dinge in dem
Maße, in dem sozialistische und interventionistische Ideen die Oberhand
gewannen.

Kein zweites Argument hat jedoch auf die Gebildeten sowohl als auf die
Massen stärker gewirkt als das, daß Wirtschaftsfreiheit nur den
Sonderinteressen der Reichen diene. Die Niederlage des Liberalismus
äußerte sich gerade darin, daß man Politikern und Schriftstellern, die
für die Marktwirtschaft eintraten, den guten Glauben absprach und ihre
Ausführungen einer Entgegnung nicht mehr für würdig erachtete.

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