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2.1. Austauschhandlungen: direkt und indirekt

I.
II.

II.

[S.105] Die gerade formulierte Einsicht kann erneuert und verallgemeinert werden, betrachtet man eine Sozialordnung, die nicht nur durch das Auftreten direkter, sondern auch indirekter, d. i. durch Geld vermittelter Austauschprozesse charakterisiert ist. Wieder sagt das GWAP nichts darüber, ob und wann indirekte Austauschprozesse auftreten. Es erlaubt sie ebenso wie es direkten Austausch und Nicht-Austausch erlaubt; und es verbietet sie, sofern es sich um gewalttätig durchgesetzten indirekten Austausch handelt. Erneut ist auch festzustellen, daß die Betrachtung gesellschaftlicher Strukturen unwesentlich ist, um den von ihr ausgehenden Beitrag zum Gemeinwohl beurteilen zu können. Hierfür ist wieder allein die Art der Spielregeln, nach denen die Struktur erzeugt wird, entscheidend. Das Auftreten indirekter Austauschhandlungen ist erlaubt, und trägt zum Gemeinwohl bei, solange sie freiwillig erfolgen. Werden sie dagegen gewalttätig durchgesetzt, so sind sie verboten. Nicht die Erzeugung einer spezifischen Gesellschaftsstruktur ist Sinn und Zweck des GWAP, sondern durch seine Geltung soll ein optimaler Mix aller Strukturelemente realisiert werden, die zu einem gegebenen Untersuchungszeitpunkt gewaltlos erzeugt werden können: Nicht-Austausch sooft und solange es kein übereinstimmendes Interesse am Austausch gibt (wobei jeder Nicht-Austausch für die von ihm betroffenen Personen, sofern es indirekten Austausch gibt, sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Kosten bzw. Nutzen implizieren kann); und Austausch sooft und solange es zwei Personen gibt, die ihn dem Nicht-Austausch gemeinsam vorziehen (wobei, falls es indirekten Austausch gibt, der Austausch wieder monetär oder nicht-monetär sein kann, und auch die mit ihm verbundenen Kosten, ebenso wie der aus ihm resultierende Nutzen, monetäre und nicht-monetäre bemeßbare Bestandteile aufweisen können).

In dem Ausmaß, in dem Leistungen bzw. Güter gegen Geld ausgetauscht werden, und in dem auch die zu ihrer Herstellung benötigten Produktionsfaktoren gegen Geld getauscht werden, kann eine Person monetäre Kosten-Nutzenanalysen für jede ihrer Handlungen, sei es Austausch oder Nicht-Austausch oder Planung und Vorbereitung zukünftigen Austauschs oder Nicht-Austauschs, durchführen.[FN15] Niemand ist verpflichtet, monetäre Kalkulationen durchzuführen. So wie jeder selbst entscheiden kann, ob und inwieweit er an indirekten Austauschprozessen teilzunehmen wünscht, so kann er auch selbst entscheiden, welche Bedeutung er (sollte es Geldpreise für Güter geben) monetären Kalkulationen im Rahmen seiner [S.106] Nicht-rechnenden Kosten-Nutzenvergleiche geben will. Das Auftreten indirekter Austauschprozesse gestattet die Anwendung einer neuartigen rechnenden Methode des Vergleichens; aber ob und in welchem Ausmaß von dieser Methode bei der Entscheidung über eine bestimmte Handlung oder bei der nachträglichen Beurteilung des Erfolgs einer vergangenen Handlung Gebrauch gemacht wird, hängt von den noch fundamentaleren nicht-rechnenden Kosten-Nutzenerwägungen jeder einzelnen Person ab.

Die Funktion des GWAP ist allein darin zu sehen, eine interpersonelle Handlungskoordinierung durch unterhalb der Gewaltschwelle liegende Stimuli vornehmen zu wollen. Jede Person darf sich in ihren Handlungen so selbstverwirklichen und entfalten, wie es ihr angesichts ihrer Interessen und ihres Interessenwandels am nützlichsten erscheint. Jeder kann als nützlich ansehen, und jeder kann als Kosten in Betracht ziehen, was er will; und jeder kann entsprechend diesen Erwägungen handeln. In welchem Ausmaß monetäre Überlegungen hierbei eine Rolle spielen, bleibt jeder Person selbst überlassen. Ausgeschlossen ist nur eins: daß man es als nützlich auffaßt, Gewalt anzuwenden oder anzudrohen. Ansonsten kann jeder beliebige eigene Ziele verfolgen; und jeder kann auch versuchen, durch die von seinen Handlungen ausgehenden Wirkungen auf andere Personen, sofern sie von diesen positiv oder negativ berührt werden, Einfluß zu nehmen auf Struktur und Gestalt gesellschaftlicher Interaktionen.[FN16] Solange es sich im Rahmen des GWAP vollzieht, stellt das Resultat dieses Prozesses beabsichtigter oder unbeabsichtigter wechselseitiger Verhaltensregulierung das denkbar höchste Maß sozialer Wohlfahrt dar. Angesichts ständig wechselnder persönlicher Interessen und persönlichen Wissens, angesichts dementsprechend ständig wechselnder Werte, Kostenbewertungen und zur Zielerreichung für geeignet gehaltener Mittelkombinationen, angesichts auch ständig schwankender Bewertungen von monetären im Vergleich zu nicht-monetären Gesichtspunkten, wird bei konstanter Geltung des GWAP immer die Gesellschaft erzeugt (wie immer ihre Gestalt auch aussehen und sich verändern mag), die den für das Gemeinwohl optimalen Mix von Austausch und Nicht-Austausch, von direktem und indirektem Austausch, von monetären und nicht-monetären Kosten- und Nutzenerwägungen darstellt.