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2.2. Sicherheit: Recht und Strafrecht; Rechtsdurchsetzung und Rechtsfrieden

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[S.126] Was ist jedoch, wenn es trotz des unter Wettbewerbsbedingungen für Sicherheitsproduzenten bestehenden ökonomischen Anreizes zur Formulierung eines Konsensus bezüglich der Normen des Außenverkehrs, nicht zur allgemeinen, konsensuellen Anerkennung des auf dem GWAP aufbauenden Rechtssystem kommt? Was, wenn das Unwahrscheinliche eintritt, und ein Sicherheitsproduzent, von den eigenen Klienten dabei möglicherweise unterstützt, dazu übergeht, auf konsensfähige Lösungen von Streitfällen im Außenverkehr zu verzichten, um stattdessen einseitig die eigenen Vorstellungen gegen Widerstand durchzusetzen? Für diesen fraglos möglichen Fall des Unfriedens, hat man sich folgendes zu vergegenwärtigen: Frieden bezeichnet einen gesellschaftlichen Zustand, in dem es angesichts eines gegebenen Rechtssystems zwar mehr oder weniger zahlreiche Regelverstöße gibt, die dann regelgerecht bestraft werden, in dem es aber keine Regelverstöße gibt, mit denen Personen mit dem gegebenen Rechtssystem unvereinbare, alternative Rechtsnormen ‚regelwidrig’ durchzusetzen versuchen (ein Mörder will durch seine Tat in der Regel nicht etwa für Straffreiheit für Mord plädieren und berührt insofern durch seine Tat nicht den Rechtsfrieden; umgekehrt will jemand, der, indem er etwas publiziert, die Zensur umgeht, durch seine Tat häufig auch ein Plädoyer ablegen für die Abschaffung der Zensur und stellt insofern ein friedensstörendes Element dar); und/oder mit denen Personen sich unter Verweis auf von ihnen nicht anerkannte Rechtsnormen regelgerecht einsetzenden Strafverfolgungsbemühungen ,regelwidrig’ zu entziehen versuchen (der Mörder flieht in der Regel nicht etwa unter Hinweis auf die von ihm nicht anerkannten Strafbestimmungen für Mord und stört den Frieden nicht; im Fall des Dissidenten jedoch erfolgt die Flucht fast regelmäßig in Zusammenhang mit entsprechenden Hinweisen bezüglich nicht anerkannter Regeln, und er stört darum den Frieden).

[S.127] Frieden an sich kann demnach keineswegs als allgemein anerkennungsfähiger Wert gelten, dessen Realisierung als im Sinn des Gemeinwohls erstrebenswert eingesehen werden kann. Frieden im Rahmen von Rechtsregeln, die Unvereinbarkeiten mit dem aus dem GWAP ableitbaren Regelsystem aufweisen, kann z. B. nicht so gerechtfertigt werden: denn er beruhte u. a. darauf, daß die friedensstiftende Institution in allgemein nicht rechtfertigbarer Weise (nämlich durch Ausübung herrschaftlicher Gewalt) die Kosten für die handelnde Durchsetzung gerechter Eigentumsansprüche (anstelle existierender ungerechter) so hochgesetzt hätte, daß entsprechende Versuche unterbleiben. Da ein solcher Frieden auf einer zwar erfolgreichen, aber nicht rechtfertigbaren Unterdrückung rechtfertigbarer Ansprüche basiert, ist er nicht allgemein anerkennenswert. Sollte, veranlaßt etwa durch eine veränderte subjektive Kosten-Nutzen-Kalkulation unrechtfertigbar geschädigter Personen, statt Frieden Unfrieden ausbrechen, und sollten sich die unfriedlichen Aktionen ihrerseits strikt im Rahmen des GWAP und des sich aus ihm ergebenden Proportionalitätsprinzips bewegen, so wäre dieser Unfrieden nicht weniger rechtfertigbar als der vorhergehende Frieden. Anstelle durch Gewaltandrohung erfolgreich erzwungener Unterlassungen treten trotz Gewaltandrohung erfolgende Durchsetzungsaktionen auf – und rechtlich, d. i. was die Anerkennungsfähigkeit betrifft, unterscheiden sich unrechtmäßig erzwungene Unterlassungen nicht von rechtmäßig gegen Gewalt aufbegehrenden Aktionen (und moralisch gesehen wird man letzteres, als heroische Tat, möglicherweise höher bewerten!).

Nur der Rechtsfrieden läßt sich allgemein als erstrebenswert rechtfertigen und als solcher positiv von einem entsprechenden Zustand des Unfriedens abheben, der sich im Rahmen eines Rechtssystems einstellt, das seinerseits allgemein gerechtfertigt werden kann. Frieden im Rahmen eines auf dem GWAP basierenden Regelsystems bedeutete, daß niemand versuchte, unrechtfertigbare Normen handelnd durchzusetzen; derartig unrechtfertigbare Handlungen dagegen müßten vorliegen, sollte Unfrieden bestehen, – so daß Friede und Unfriede hinsichtlich der rechtlichen Qualität eindeutig unterschieden wären. – Dabei ist es selbstverständlich, daß (wie bei einem unrechtfertigbaren Rechtssystem so auch bei einem gerechtfertigten) der Rechtsfriede sich u. a. der Tatsache verdankt, daß friedensgefährdende Aktionen mit Strafe bedroht sind: aber während man im ersteren Fall den Rechtsfrieden durch erfolgreiche, aber nicht rechtfertigbare Unterdrückung u. a. auch universalistischer Ansprüche realisierte, basierte er im letzteren auf einer erfolgreichen und sich selbst ausschließlich allgemein rechtfertigbarer Methoden bedienenden Unterdrückung partikularistischer Ansprüche. Und genauso ist es bei Unfrieden: beide Male haben die jedes Rechtssystem auszeichnenden Strafandrohungen gegen friedensstörende Handlungen als Unterdrückungsmechanismus versagt. Aber im ersteren Fall wäre das Aufbrechen von Unfrieden gerecht, wenn es sich gegen ungerechtfertigte (sich auf Gewalt stützenden) Mechanismen der Unterdrückung richtete und nicht über das durch das Proportionalitätsprinzip gesteckte Maß hinausschösse. Dagegen wäre ein Aufbrechen des Unfriedens im zweiten Fall eines Systems nichtstaatlicher, sich dem GWAP entsprechend verhaltender Sicherheitsproduzenten von Anfang an nicht allgemein zu rechtfertigen.