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2.3. Güterkonzentration, Monopolisierung und Wettbewerb

I.
II.
III.
IV.
V.

IV.

[S.135] Auf die erste der oben gestellten Fragen: die empirische Frage ‚Führt eine anarchische Ordnung, angewendet auf empirische Personen, zu immer größerer Konzentration und Monopolisierung?’ muß man von daher antworten: Nein. Erfahrungen deuten eher auf das Gegenteil hin. Tendenzen zunehmender Konzentration treten erst dann auf, wenn man Ausnahmen im Hinblick auf die Gültigkeit des GWAP zuläßt. Erst die ausgenommenen Unternehmungen, d. i. erst der Staat und alle, die er an seinem Monopol, Zwangsaustauschakte durchführen zu dürfen, mehr oder weniger partizipieren läßt, weisen Tendenzen zunehmender Konzentration auf: Tendenzen, die umschlagen würden in Phasen zunehmenden Wettbewerbs und abnehmender Unternehmenskonzentration, würde man den angesprochenen Unternehmungen das Sonderrecht auf Durchführung von Zwangsmaßnahmen wieder nehmen. Bei ausnahmsloser Geltung des GWAP würde ausgerechnet das vielgeschmähte Profitmotiv, zusammen mit den Tatsachen der Unmöglichkeit ökonomischer Kalkulation im Hinblick auf monopolisierte Produktionsfaktoren, und von zunehmenden Informationsbeschaffungskosten bei zunehmender Konzentration, dazu führen, daß einmal erreichte Monopolstellungen und einmal erreichte Grade der Vermögenskonzentration immer wieder umso wahrscheinlicher zerbröckeln, je weiter der fragliche Prozeß fortgeschritten ist.

Angenommen aber, das Unwahrscheinliche tritt gleichwohl ein: es kommt trotz vorausgesetzter Geltung des GWAP zu Monopolisierungs- und Konzentrationserscheinungen. Besteht nicht dann, da ein intervenierender Staat unter dieser Voraussetzung nicht existiert, die Möglichkeit zu ungehinderter Monopolpreisbildung; und kommt es infolge dessen nicht zu einer suboptimalen Güterversorgung (im Vergleich zur Versorgung bei Wettbewerbspreisen)? Diese Frage ist nicht empirischer, sondern theoretischer Natur. Entsprechend muß die Antwort auf sie kategorisch eindeutig ausfallen. Auch sie lautet: Nein. In einer anarchischen Ordnung gibt es per definitionem nicht die Möglichkeit, einen Monopolpreis und einen Wettbewerbspreis begrifflich operabel voneinander zu unterscheiden, und auch einen Zustand suboptimaler Güterversorgung kann es aus logisch-begrifflichen Gründen unter den angenommenen Voraussetzungen nicht geben![FN59]

Zunächst zum Nachweis des zweiten Thesenteils. Dazu sei der denkbar ungünstigste Fall im Hinblick auf Monopolisierung und Konzentration angenommen: Es gibt nur noch einen Supermonopolisten, eine einzige Unternehmung (mit beliebiger Organisationsverfassung und struktur), die Eigentümer sämtlicher als Produktionsmittel eingesetzten Güter ist. Sämtliche Personen stehen in ihrer Rolle als Konsumenten und Produzenten von Gütern ausschließlich zu diesem einen Unternehmen in Austauschkontakt. Es ist der einzige Arbeitgeber, und der einzige Anbieter von Gütern.

Ist diese Extremsituation, wie ausdrücklich angenommen, unter vorausgesetzter Geltung eines auf dem GWAP aufbauenden Rechtssystems entstanden, und [S.136] kann das Unternehmen seine Position ohne Verstoß gegen dies System behaupten, so ist sie in zweierlei Hinsicht ausgezeichnet. Negativ darin, daß niemand einen berechtigten Eigentumsanspruch gegenüber dem supermonopolistischen Unternehmen hätte, weil dieses seine Position ausschließlich im Rahmen zweiseitiger freiwilliger vertraglicher Beziehungen und unter Respektierung des Grundsatzes der Unverletzlichkeit der physischen Integrität des Eigentums anderer Personen erreicht hätte. Und positiv darin, daß es trotz der ‚Herrschaft’ des Monopols weiterhin gestattet wäre, jeden angebotenen Austausch zu boykottieren; daß es erlaubt wäre, die im Austausch gegen Arbeitsleistungen erhaltenen Güter in beliebiger Aufteilung für Konsum
, wie für Kapitalbildungszwecke zu verwenden, und Kapital nach Belieben ‚produktiv’ oder ‚nicht-produktiv’ zu nutzen; und daß es schließlich zulässig wäre, Personenvermögen im Rahmen beliebiger privatrechtlicher Vereinbarungen zu Gesellschaftsvermögen von im Prinzip unbegrenzter Höhe zu verbinden. Unter dieser Voraussetzung bedeutet das Gegebensein eines Monopols im Hinblick auf das Problem gesellschaftlicher Güterproduktion nicht mehr und nicht weniger als dies: zwar ist der Zustand so wie er ist, aber er besteht nur deshalb, weil offenbar keine einzige Person sich in der Lage sieht, für irgendeinen der im Prozeß der Güterproduktion insgesamt eingesetzten Produktionsfaktoren eine Verwendungsmöglichkeit zu entdecken, die im Vergleich zur bisherigen (monopolistischen) Verwendungsweise, für sie ein relativ erhöhtes Einkommen versprechen würde. Weder sieht der Eigentümer der monopolisierten Produktionsfaktoren eine Möglichkeit, sein (aus materiellen wie immateriellen Gütern bestehendes) Einkommen dadurch zu erhöhen, daß er Verfügungsgewalten über bestimmte Produktionsfaktoren im Austausch gegen bestimmte materielle oder immaterielle Gegenleistungen auf andere Personen überträgt. Noch sehen (obwohl die Möglichkeit hierzu vorhanden ist, und ihre Wahrnehmung nicht unter Strafe steht) andere Personen eine Möglichkeit, ihr Einkommen dadurch zu erhöhen, daß sie existierende, monopolisierte Produktionsfaktoren aufkaufen, weil sie sie gewinnbringender als der Monopolist einsetzen können, oder dadurch, daß sie sich selbst, sei es mittels originärer Sparleistung, sei es mittels Umwandlung bestehender Vermögensbestände in Produktivkapital, oder sei es mittels Zusammenlegung bestehender Ressourcen, als ursprünglicher Kapitalbildner betätigen.

Unter dieser Voraussetzung aber: daß niemand eine Möglichkeit sieht, sein (auch psychisches) Einkommen zu erhöhen, ohne gegen das GWAP und die sich aus ihm ergebenden eigentumsrechtlichen Bestimmungen zu verstoßen, ist es offensichtlich absurd, von suboptimaler Güterversorgung zu sprechen. Selbst wenn es ein Monopol der angegebenen Art geben würde, es würde solange eine optimale gesellschaftliche Güterversorgung gewährleisten, solange es annahmegemäß zulässig wäre, daß jedermann jederzeit in der o. a. Weise zum Monopolisten in Konkurrenz um die knappen Mittel von Konsumenten treten darf. Wenn dies nicht geschieht, heißt das nur, daß offenbar niemand eine gewinnbringendere, und daher wertproduktivere Verwendungsmöglichkeit für Produktionsfaktoren zu kennen meint als die durch den Monopolisten tatsächlich genutzte.[FN60]

[S.137] Tatsächlich handelt es sich bei der Vorstellung, daß irgendetwas mit einem Monopol an sich im Hinblick auf das gesellschaftliche Problem der Güter- bzw. Einkommensproduktion problematisch, und somit eingriffswürdig sei, um eine Illusion. Psychologisch hat zu ihrer Entstehung vermutlich der Eindruck ökonomischer Ineffizienz beigetragen, den die (wenn auch immer noch recht ‚unvollkommenen’) Paradebeispiele eines Supermonopolisten: die Staaten des ‚realen Sozialismus’ dem Betrachter bieten. Aber so zutreffend dieser Eindruck ist: die bemerkenswerte Ineffizienz dieser Staaten ist gerade nicht Folge eines sich unter Beachtung des GWAP vollziehenden Superwachstums des Unternehmens Staat, sondern Konsequenz ständiger Nicht-Beachtung des GWAP. Die ökonomische Ineffizienz der Staaten des realen Sozialismus rührt nicht daher, daß sie einen besonders hohen Grad der Monopolisierung von Produktionsfaktoren aufweisen, sondern daher, daß der Monopolisierungsgrad Ergebnis von Gewaltanwendung ist. Im Gegensatz zum analysierten Fall eines anarchischen Monopolisten ist der reale Sozialismus dadurch gekennzeichnet, daß die in ihm lebenden Personen nicht einmal als ‚freiwillig Beschäftigte’ klassifiziert werden können (weil sie sich ja keine Arbeitgeber außerhalb eines staatlicherseits festgelegten Territoriums suchen dürfen!), und dadurch, daß z.B. Prozesse privater Kapitalbildung und freiwilliger Kapitalzusammenlegung, durch die die Monopolstellung des Staates aufgelöst und gebrochen werden könnte, durch Strafandrohung verboten sind. Das sozialistische Produktionsmonopol existiert, wo es existiert, nicht, weil niemand etwas Besseres mit den Produktionsfaktoren anzufangen wüßte als der Monopolist, sondern weil trotz der Tatsache, daß viele Personen solche wirtschaftlicheren Verwendungsweisen kennen, ihre Wahrnehmung vom Monopolisten untersagt wird.

Nicht das Monopol an sich ist also das Problem; ein Problem entsteht nur dann, wenn es einen exklusiven Status im Hinblick auf die Geltung des GWAP genießt. Nur dann impliziert sein Bestehen einen Zustand suboptimaler Güterversorgung; denn dann beruht es auf der Unterdrückung bestimmter, allgemein rechtfertigbarer Handlungsweisen, durch die Personen ihr (auch psychisches) Einkommen ansonsten über ein gegebenes Niveau hinaus steigern könnten. – Und auch gegen einen Sozialismus-an-sich gäbe es nichts einzuwenden. Zum Problem wird eine sozialistische Produktionsweise allein dann, wenn sie durch Gewalt etabliert und aufrechterhalten werden muß – was freilich faktisch bei fast allen sich im Gemeinbesitz befindlichen Unternehmen der Fall ist: die bekannten Formen des realen Sozialismus sind jedenfalls keine Marktphänome, sondern das Ergebnis einer auf Gewalt beruhenden Ausschaltung privater wirtschaftlicher Konkurrenz; welche geringe Bedeutung eine sozialistische Produktionsweise besitzt, die sich in der Konkurrenz rechtlich gleichgestellter Privatrechtsunternehmungen zu behaupten hat, davon vermittelt die kümmerliche Rolle z. B. der Kibbuzims im Wirtschaftsleben Israels einen Eindruck; nur in dieser Rolle als Privatrechtssubjekt kann die Produktionsleistung eines Sozialismus aber als positiver Beitrag zu einer optimalen gesellschaftlichen Güterproduktion und -versorgung gewertet werden.