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1920-1929

Antimarxismus (1925)
Die Goldkernwährung (1925)
Eugen v. Böhm-Bawerk: Zu seinem 10. Todestage (1924)
Rezension: Das Geld von Karl Helfferich (1924)
Die Rückkehr zur Goldwährung (1924)

Eugen v. Böhm-Bawerk: Zu seinem 10. Todestage (1924)

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Quelle: Neue Freie Presse (Wien) Nr. 21539, 27. August 1924; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Eugen v. Böhm-Bawerk wird allen, die ihn gekannt haben, unvergeßlich bleiben. Die Schüler, die das Glück genossen haben, seinem Seminar anzugehören, werden ihr Leben lang das nicht verlieren, was ihnen der Umgang mit diesem starken Geist gebracht hat. Den Politikern, die mit dem Staatsmann in Berührung gekommen sind, werden die Lauterkeit seiner Gesinnung und die Selbstlosigkeit seiner Hingabe an die Pflicht immer ein Vorbild bleiben. Und kein Bürger dieses Landes sollte des Finanzministers vergessen, des letzten österreichischen Finanzministers, der noch ernstlich bemüht war, allen Hindernissen zum Trotz die Ordnung im öffentlichen Haushalt herzustellen und die heraufziehende finanzielle Katastrophe zu verhüten. Doch auch wenn alle die, die Böhm-Bawerk noch persönlich nahegestanden sind, ihre Lebensbahn vollendet haben werden, wird sein wissenschaftliches Werk fortleben und Früchte tragen.

Böhm-Bawerk hat seine wissenschaftliche Arbeit von vornherein ganz auf das Zentralproblem der theoretischen Nationalökonomie, auf das Zinsproblem, eingestellt. Fünfundzwanzig Jahre alt, erstattet er im Frühjahr 1876 in Heidelberg im Kniesschen Seminar ein Referat über den Kapitalzins, das bereits die Grundzüge seiner später berühmt gewordenen Agiotheorie zeigt. Doch bevor er sein Werk der Oeffentlichkeit übergeben konnte, waren noch schwierige Vorfragen zu lösen. Diesen wendete er zunächst seine Arbeit zu. Immer das Endziel im Auge behaltend, veröffentlichte er im Jahre 1881 die Schrift „Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen Güterlehre.“ 1884 „Die Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien”, 1886 die “Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes,” bis schließlich 1889 die „Positive Theorie des Kapitals“ folgte. Damit waren seine Arbeiten vorläufig zum Abschluß gelangt. Als Ministerialrat und Sektionschef im Finanzministerium, als k. k. Finanzminister und als Senatspräsident im Verwaltungsgerichtshof, fand er in den nächsten Jahren nur wenig Muße für wissenschaftliche Arbeit. Erst als er 1904 zum dritten- und letzten Mal aus dem Kabinett geschieden war, konnte er sich ungestört seinen Forschungen hingeben. Eine Reihe von ausgezeichneten Arbeiten sind die Frucht der unermüdlichen Arbeit des letzten Jahrzehnts, das ihm noch vergönnt war. Er starb am 27. August 1914, als die Heere Oesterreichs gerade die ersten schweren Kämpfe des Weltkrieges in Polen und in Ostgalizien zu bestehen hatten.

Böhm-Bawerks wissenschaftliches Werk hat sehr bald die Anerkennung gefunden, die ihm gebührt. Sein Hauptwerk wurde schon 1890 von William Smart ins Englische übersetzt; nicht lange darauf erschien auch eine französische Ausgabe. In England, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, in Italien, in den Niederlanden, in Schweden und in Dänemark wurde seine Lehre zum Ausgangspunkt eingehendster Studien und Untersuchungen. In Deutschland fehlte freilich lange Zeit das Verständnis für das Große in Böhm-Bawerks Leistung. Die offizielle Universitätswissenschaft lehnte sie ab. Jahrzehnte mußten vergehen, bis auch im Reich die Bedeutung dessen erkannt wurde, was die “österreichische Schule“ vollbracht hatte. Längst wurde es als großer Uebelstand empfunden, dass nur das Hauptwerk Böhm-Bawerks, das in deutscher Sprache bereits vier Auflagen erlebt hat, leicht zugänglich war. Seine kleinen Schriften, die für jeden Freund nationalökonomischer Studien unentbehrlich sind, waren dagegen nur schwer erreichbar. Es war ein dankenswertes Unternehmen, sie, gesammelt, neu herauszugeben. Ein durch verschiedene wissenschaftliche Arbeiten bestens bekannter Schüler Böhm-Bawerks hat sich dieser Aufgabe unterzogen.(*) Der schön ausgestattete, mit einem wohlgelungenen Bildnisse Böhms gezierte Band bringt die erwähnte Schrift „Rechte und Verhältnisse“, dann die Abhandlungen zur allgemeinen Theorie und Methodenlehre, die Schriften zur Wertlehre und schließlich eine am 6., 8. und 9. Januar 1914 in der Neuen Freien Presse erschienene Abhandlung über „unsere passive Handelsbilanz“. Voran steht eine kurze biographische Einleitung des Herausgeber Dr. Franz X. Weiß. Die Aufsätze über Kapital und Zins, die in die Sammlung nicht aufgenommen worden sind, sollen in einem besonderen Bande folgen.

Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man den hohen Wert der in dieser Sammlung vereinigten theoretischen Schriften Böhms preisen. Dem Fachmann und den zahlreichen Gebildeten, die sich mit nationalökonomischen Fragen befassen, würde man damit kaum etwas Neues sagen können. Nur um zu zeigen, mit welcher Schärfe Böhm das Grundübel unserer Staatsfinanzen frühzeitig erkannt hat, seien aus dem obenerwähnten Aufsatz über die passive Handelsbilanz seine Sätze wiedergegeben. Es heißt dort: „Sparsamkeit ist nie populär … Waren ehedem die Parlamente die Wächter der Sparsamkeit gewesen, so sind sie heute weit eher ihre geschwornen Feinde. Heutzutage pflegen die politischen und nationalen Parteien – vielleicht nicht nur bei uns, aber jedenfalls auch bei uns – eine förmlich für pflichtgemäß gehaltene Begehrlichkeit nach allerlei Vorteilen für ihre Konnationalen oder Wählerkreise auf Kosten der Oeffentlichkeit zu entwickeln, und wenn die politische Situation entsprechend günstig, das soll sagen, wenn sie für die Regierung entsprechend ungünstig ist, erhält man auch durch politischen Druck das Gewünschte.“ Unsere Bevölkerung leide an ökonomischer Großmannssucht. Das zeige sich auch bei den „Investitionen aus öffentlichen Mitteln“. Man täuscht sich zwar gerade bei diesen gern mit dem ebenso populären als gefährlichen Schlagwort von der „indirekten Produktivität” der öffentlichen Ausgaben, vermöge deren auch an sich unrentable passive Staatsbetriebe der Volkswirtschaft durch indirekte Vorteile immer noch mehr nützen sollen, als was die öffentlichen Kassen an dem passiven Betrieb daraufzahlen. Die „blinden Lobredner einer leichtherzigen Investitionspolitik“ bekommen das Fehlerhafte ihres Vorgehens erst zu spüren, „wenn, wie in unseren Tagen, die schwachen Kapitalskräfte, durch die vieljährige übermäßige Inanspruchnahme unseres öffentlichen Haushaltes ausgepumpt und für die nützlichsten und lebenswichtigsten privaten Unternehmungen an allen Ecken und Enden nicht mehr genug Kapital übrig ist, wenn vieles ins Stocken geraten, vieles ganz unterbleiben muß und alles durch den Druck des überteuerten Zinsfusses empfindlich leidet“.

Das waren die letzten Worte, die Böhm-Bawerk der Finanzpolitik Oesterreichs gewidmet hat. Man wird sie heute besser zu würdigen wissen als damals, da sie zum ersten mal in diesem Blatte erschienen.

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(*) Gesammelte Schriften von Eugen v. Böhm-Bawerk, herausgegeben von Franz X. Weiss, Wien, 1924. Hölder-Pichler-Tempsky, A. G.