Home Kontakt Sitemap Impressum

1930-1939

Die Goldwährung und ihre Gegner (1931)
Die Krise und der Kapitalismus (1931)
Die bankpolitischen Lehren der Krisis (1931)
Das festangelegte Kapital (1931)
Die psychologischen Wurzeln des Widerstandes gegen die nationalökonomische Theorie (1931)

Die bankpolitischen Lehren der Krisis (1931)

Diesen Artikel können sie auch im PDF-Format hier (84kb) herunterladen.

Quelle: Allgemeiner Tarifanzeiger. Nr. 31 (1. August 1931) S. 1000-1001

Die Vorgänge der letzten Wochen haben Mängel des deutschen und des österreichischen Banksystems, die bisher nur von wenigen als solche erkannt wurden, allgemein offenbar gemacht.

Während sich die englischen und amerikanischen Banken dem Grundsatz nach und, zumindest bis in die jüngste Zeit, auch faktisch lediglich als Bankiers im alten klassischen Sinne dieses Wortes betätigt haben, d. h. als ihren vornehmsten Geschäftszweig die Verleihung fremder Gelder angesehen haben, haben die deutschen Banken eine Geschäftstätigkeit entfaltet, die sie nicht nur als Bankiers, sondern eher als Industriekonzerne, als Holdings- oder als Investmenttrusts erscheinen ließ. Diese Entwicklung hat sich nicht planmäßig vollzogen. Auch die deutschen Banken haben sich anfangs auf die Kreditgewährung beschränkt. Sie wurden zu Teilnehmern der Geschäfte, denen sie Kredit gewährt hatten, vor allem durch den Umstand, daß sie den Unternehmungen im Verhältnis zu deren Eigenkapital zu große Kredite gewährt haben, deren rechtzeitige Umwandlung in Aktien oder in Obligationen auf Schwierigkeiten stieß. Schritt für Schritt wurde so die Bank aus der Rolle des Kreditors in die des Hauptinteressenten gedrängt. Das Ergebnis war, daß die Bank den Unternehmungen nicht mehr als der kritische Bankier gegenüberstand, der vor der Kreditgewährung die geschäftlichen Aussichten: des Debitors sorgsam prüft und ständig die Veränderungen in seiner Kreditwürdigkeit beobachtet, um den Kredit rechtzeitig zurückziehen oder einschränken zu können, falls die Verhältnisse es erfordern sollten. Die Bank betrachtete die Kreditgeschäfte nicht mehr vom Gesichtspunkte des Kreditgebers, sondern vom Standpunkte des Kreditnehmers. Damit fiel die Zensurtätigkeit, die der geldverleihende Bankier an den Geschäften übt, fort, und ein unentbehrlicher Regulator des Geldmarktes verschwand faktisch, wenn auch nicht dem Namen nach. Als einzelne Industrieunternehmungen und Handelshäuser den Versuch unternahmen, Einlagengelder vom Publikum entgegenzunehmen, wurde dies stets auf das heftigste getadelt, und die Bedenken, die gegen eine solche Verquickung von Banktätigkeit und Produktions- und Handelstätigkeit sprechen, wurden in der Presse zutreffend dargelegt. Man hat aber übersehen, daß die Verhältnisse bei manchen angesehenen Banken (eben bei den drei Großbanken, die in Wien und Berlin in den letzten Jahren Schiffbruch gelitten haben) nicht viel besser lagen, daß auch diese Banken die ihnen zugeführten fremden Gelder unmittelbar in gewagte Geschäfte steckten und daß die Selbständigkeit der Person der Bank und der der Industriegesellschaft in vielen Fällen nur noch juristisch gegeben war. Die Organe der Bank, die über die Kreditgewährung zu entscheiden hatten, waren in leider nicht ganz seltenen Fällen identisch mit den Organen der Debitoren, die die Kredite und die Krediterweiterungen anstrebten. Wenn sich volkswirtschaftliche Schriftsteller gegen diese Verquickung des Bank- und des Industriegeschäftes aussprachen, wurden sie von den Bankleuten als lebensfremde Theoretiker bezeichnet. Die modernen Verhältnisse, meinte man, verlangten kategorisch die Verquickung von Bank- und Industriegeschäft. Der Mißerfolg dieses Systems beweist deutlich, wer im Rechte war. Je zurückhaltender eine Bank in der Ausgestaltung ihres Industriekonzerns war, desto besser steht sie heute da.

Die dringendste Reform, die angestrebt werden muß, ist die Lösung der engen Verbindung, die zwischen den Banken und den Konzernen besteht. Darüber sind sich heute alle einig. Man wird dieses Ziel allerdings nur langsam erreichen können. Jahre werden vergehen müssen, ehe es gelingen wird, die großen Bankschulden der Unternehmungen in Aktien- und in Obligationenkapital umzuwandeln und diese Aktien und Obligationen ins Publikum zu leiten. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit haben ein schweres Mißtrauen gegen Industrieaktien und Obligationen entstehen lassen, ein Mißtrauen, das nicht so schnell überwunden werden kann. Aber dieses Mißtrauen ist noch stärker gegen die Aktien von Banken, deren Verbindung mit der Industrie eine so enge geworden ist, daß ihre Liquidität ernstlich in Frage gestellt ist. Schon dieser Umstand wird die Banken dazu drängen müssen, ihre Beziehungen zur Industrie zu lockern und auf jeden Fall so durchsichtig zu gestalten, daß der Außenstehende sie doch einigermaßen zu beurteilen vermag. In diese Richtung wird die Banken zweifellos auch die erhöhte Vorsicht treiben, die die amerikanischen, englischen und holländischen Banken in Hinkunft bei der Kreditgewährung beobachten werden. Es ist anzunehmen, daß die Bankiers dieser Länder das von ihnen, zumindest im Prinzipe, hochgeschätzte System der Arbeitsteilung im
Bankwesen bei ihren Debitoren werden durchgeführt sehen wollen.

Die enge Verquickung zwischen Bank und Industrie brachte es mit sich, daß Gelder, zu deren Rückzahlung die Bank kurzfristig verpflichtet war, in einer Weise bei den Industrieunternehmungen angelegt wurden, die ihre Zurückziehung in kurzer Zeit unmöglich macht. Die berühmte goldene Regel des Bankgeschäftes, daß eine Bank keine längerfristigen Kredite geben dürfe, als sie selbst erhält, ist zwar für die Umlaufsmittelbanken und für das Geschäft der Ausgabe von Umlaufsmitteln — nicht durch Gold gedeckte Banknoten und Kassenführungsguthaben — nicht durchführbar, sollte aber im übrigen Bankgeschäft streng eingehalten werden. Man braucht darüber kein Wort zu verlieren, daß es nicht abgeht, Hunderte von Millionen Gelder hereinzunehmen unter der Verpflichtung, sie sofort oder innerhalb einer kurzen Frist zurückzuzahlen, und den Gegenwert dieser Gelder dazu zu verwenden, Industrieaktien zu kaufen oder an Unternehmungen zu verborgen, die mit den geborgten Mitteln bauen oder Maschinen kaufen.

Man wird dazu gelangen müssen, im Zinssatz noch stärker als bisher zu differenzieren zwischen Einlagen, die augenblicklich mit kurzer Kündigungsfrist fällig sind, und zwischen Geldern, die auf lange Zeit gebunden sind. Man wird dabei insbesondere darauf zu achten haben, daß die Spareinlagen der großen Masse geschäftsferner Bevölkerungsschichten nur langfristig angelegt werden, um die Rungefahr herabzumindern. Man wird aber auch von den Banken verlangen müssen, daß sie in ihren periodischen Ausweisen genau darüber Aufschluß geben, in welcher Weise sich die Fälligkeitsfristen der von ihnen hereingenommenen Gelder zu den fälligkeitsfristen ihrer Außenstände verhalten.

Als besonders schädlich hat sich für die Banken die Geheimniskrämerei erwiesen. Es hat sich gezeigt, daß die Wortkargheit der Berichte oft nur allzu gute Gründe gehabt hat, daß sie Verluste verhüllen sollte. Die Kontrolle durch die Oeffentlichkeit ist ein unentbehrlicher Faktor für die Sicherheit eines Bankinstitutes.