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Wirtschaftlicher Liberalismus (1959)
Markt (1959)

Markt (1959)

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Quelle: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 7 (1959) 131-136

Gliederung:
1. Der Marktprozeß
2. Monopol und Wettbewerb
3. Spekulation
4. Teilmärkte
5. Gewinn und Verlust
6. Ungleichheit der Einkommen und Vermögen
Literatur

1. Der Marktprozeß

“Markt” nennt die Nationalökonomie den Prozeß, durch den in der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden arbeitsteiligen Wirtschaft (Marktwirtschaft) die Erzeugung in die Wege gelenkt wird, auf denen sie der Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse der Verbraucher am besten dient.

Die Verbraucher sind souverän. Indem sie kaufen oder vom Kaufen absehen, entscheiden (132) sie über Gewinn oder Verlust der Unternehmer. Gewinn und Verlust leiten die Verfügung über die Produktionsmittel in die Hände derjenigen, die sie am zweckmäßigsten im Dienste der Verbraucher zu nützen wissen. Eigentum an Produktionsmitteln ist in der Marktwirtschaft gewissermaßen ein gesellschaftliches Mandat, das dem Mandatar entzogen wird, wenn er den jeweiligen Weisungen seiner Auftraggeber, der Verbraucher, nicht nachkommt.

Ein Geschäft ist rentabel, wenn es der bestmöglichen Versorgung der Verbraucher dient. Es ist unrentabel, wenn die Verbraucher eine andere Verwendung der betreffenden Produktionsmittel vorziehen. Die Konstruktion eines Gegensatzes zwischen Rentabilität und Produktivität ist sinnlos, solange man im Rahmen der Marktwirtschaft verbleibt und die Souveränität der Verbraucher nicht in Frage stellt. Wer ein rentables Geschäft als unproduktiv bezeichnet, stellt seine eigene Meinung über das, was erzeugt und verbraucht werden sollte, über die der Marktparteien. Er maßt sich an, besser zu wissen, was den Verbrauchern frommt, als sie selbst es wissen. Er gibt dabei seinem persönlichen Urteil eine Fassung, die es als allgemeingültige Wahrheit und Lebensregel erscheinen läßt. Wenn er fordert, die Staatsgewalt möge Zwangsmaßnahmen ergreifen, um Produktivität gegen bloße Rentabilität durchzusetzen, nimmt er stillschweigend an, daß die Urteile aller über das, was produktiv ist und was nicht, Übereinstimmen und daß seine eigene, Auffassung auch die der Obrigkeit sein wird.

Man pflegt in der Beschreibung der Marktvorgänge von dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte zu sprechen. Ein anderes Bild, das zur Charakterisierung des Marktes oft verwendet wird, ist das der Automatik. Einer vermeintlich blind waltenden Automatik stellt man das bewußte Eingreifen der weise planenden Behörde gegenüber. Derartige metaphorische Redensarten verdunkeln den Sachverhalt. Alle Markterscheinungen sind das Ergebnis der auf bestmögliche Deckung ihres Bedarfes gerichteten Bestrebungen aller derer, die auf dem Markte kaufen oder verkaufen wollen. Es ist verkehrt, diese Handlungen der Individuen dadurch als unbewußtes Verhalten zu kennzeichnen, daß man sie dem bewußten Eingreifen der Obrigkeit gegenüberstellt.

Menschen sind auch in ihrem wirtschaftlichen Tun und Lassen nicht unfehlbar. Es steht jedem frei, das Handeln seiner Mitmenschen – etwa ihre Vorliebe für alkoholische Getränke, Schaustellungen zweifelhaften Charakters, Ring- und Boxkämpfe und dergleichen mehr – zu tadeln und den Versuch zu machen, sie zu weiserer Verwendung ihrer Mittel zu überreden. Man löst jedoch die aus der Unzulänglichkeit des Menschengeistes entspringenden Probleme keineswegs, wenn man den Markt durch Planwirtschaft ersetzt und die Individuen unter die Vormundschaft der Obrigkeit stellt. Auch Könige, Führer, und Beamte sind Menschen und können irren. Die Freiheit, die der Markt dem einzelnen gewährt, mag von metaphysischen Gedankengängen aus angezweifelt werden. Sie verkörpert jedoch auf dem Gebiete der Bedarfsdeckung das Freiheitsideal, das das Wesen der E ultur des Westens ausmacht und sie grundsätzlich vom orientalischen Lebensstil unterscheidet. In diesem Sinne ist der letztlich durch die Verbraucher beherrschte Markt ein wesentliches Element der modernen gesellschaftlichen Ordnung und Kultur.

Staats- und Gemeindebetriebe, die im Rahmen einer im übrigen auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftsordnung arbeiten, sind vom Markte ebenso abhängig wie Privatunternehmungen. Sie müssen sich als Käufer (von Rohstoffen, Halbfabrikaten, Werkzeugen und Arbeit) und als Verkäufer (von Waren oder Dienstleistungen) in den Marktverkehr einfügen und müssen, um sich zu behaupten, trachten, Gewinne zu erzielen und Verluste zu meiden. Versuche, diese Abhängigkeit dadurch zu mildern oder auszuschalten, daß Betriebs- und Kapitalverluste öffentlicher Unternehmungen durch Zuschüsse aus Steuergeldern gedeckt werden, verschieben nur die Ansatzpunkte der Reaktion des Marktes. Denn nicht der die Steuern einhebende Staat, sondern das Getriebe des Marktes entscheidet darüber, wen die Abgabe in letzter Linie belastet und wie sie auf Erzeugung, Güterversorgung, Kapitalgebarung und Einkommensbildung wirkt. So kommt auch hier die Souveränität der Käufer und die Unentrinnbarkeit der Gesetze des Marktes zur Geltung. Wenn man von einem privatkapitalistischen Sektor und einem staatlichen Sektor der Volkswirtschaft spricht, darf man nicht vergessen, daß auch der staatliche Sektor vom Markte abhängt.

2. Monopol und Wettbewerb

Die auf dem Markte herrschende Tendenz, die Erzeugung dem Begehren der Verbraucher in bestmöglicher Weise anzupassen, kommt nur in einem Falle nicht voll zur Wirkung, in dem der Monopolpreise. Um einen Monopolpreis möglich zu machen, genügt es nicht, daß das Angebot eines Gutes oder einer Dienstleistung monopolisiert ist. Es muß eine besondere Gestaltung der Nachfrage hinzutreten. Die Verbraucher müssen das Monopolgut so hoch einschätzen, daß sie bei einer Erhöhung seines Preises über den potentiellen Wettbewerbspreis den Ankauf nicht in solchem Umfange einschränken, daß der Verkäufer schlechter fährt als beim Verkauf zum Wettbewerbspreis [–->Monopol].

(133) Ein Beispiel mag die Wirkung von Monopolpreisen verdeutlichen. Bei Wettbewerbspreisen für Kupfer besteht die Tendenz, die Fundstätten bis zu dem Punkte auszubeuten, an dem die weitere Ausbeutung den zusätzlichen Aufwand der komplementären sachlichen und menschlichen Produktionsmittel nicht mehr deckt. Bei Monopolpreisen für Kupfer wird die Ausbeutung an einem früheren Punkte abgebrochen. Die damit ersparten nicht spezifischen komplementären Produktionsmittel werden anderweitig verwendet zur Erzeugung von Artikeln, die den Verbrauchern sonst entgangen wären. Doch die Verbraucher hätten eine bessere Versorgung mit Kupfer der Versorgung mit diesen anderen Artikeln vorgezogen.

Die Marktpreise streben jeweils einer Lage zu, bei der Nachfrage und Bedarf einander decken. Zu diesem Preis, den die Klassiker den natürlichen Preis und die älteren Subjektivisten den Gleichgewichtspreis nannten und den wir besser den endlichen Preis nennen, können alle, die kaufen wollen, kaufen und alle, die verkaufen wollen, verkaufen. Da jedoch die preisbestimmenden Faktoren beständigen Änderungen unterliegen, ändert sich – anders als im Gedankenbild der gleichmäßigen Wirtschaft (Wirtschaft des statischen Gleichgewichts) – in der Wirklichkeit der endliche Preis immer wieder, bevor der Marktpreis ihn erreicht hat.

Interventionistische und sozialistische Schriftsteller behaupten, daß die von den Nationalökonomen entwickelte Markt- und Preistheorie nur für die Verhältnisse einer Wirtschaft von Klein- und Mittelbetrieben gelte. Die Großunternehmungen, die den “Spätkapitalismus” kennzeichnen, wären so mächtig, daß sie den Verbrauchern ihren Willen aufzwingen könnten. Diesen Mammutbetrieben gegenüber könne es keine Konkurrenz geben. Soweit ihr Bereich sich erstrecke, gäbe es nichts mehr, was dem entspräche, was die Nationalökonomie Markt genannt habe.

Um die Wende 19./20. Jh. bezeichnete man die Eisenbahngesellschaften als das typische Beispiel solcher Großunternehmungen, gegen die keine Konkurrenz aufkommen könne. Doch jene angeblich unwiderstehliche Macht der Eisenbahnen hat das Aufkommen gefährlichster Konkurrenten, der Kraftwagen und der Flugzeuge, nicht zu verhindern oder auch nur zu verzögern vermocht. Sobald etwas auf den Markt kommen wird, das den Verbrauchern besser zusagt als das, was die Großunternehmungen von heute erzeugen, wird sich der gleiche Vorgang wiederholen. Gerade je größer ein Unternehmen ist, desto stärker ist es vom Markte, d. h. von den Verbrauchern, abhängig. Der Großbetrieb hat deshalb Methoden der Marktanalyse und der systematischen Erforschung der Wünsche der Verbraucher entwickelt [–->Marktforschung].

Auch das Steigen der für die Kundenwerbung aufgewendeten Beträge zeigt die überragende Macht der Käufer [–->Werbung].
Wettbewerb besteht nicht nur zwischen denen, die den gleichen Artikel zum Verkauf anbieten, sondern auch zwischen denen, die verschiedene Artikel verkaufen wollen. Die Beträge, die ein Verbraucher zum Ankaufe einer beliebigen Ware aufwendet, schmälern die Beträge, die er für den Ankauf anderer Waren auslegen kann. Alle Unternehmer bemühen sich, so viel als möglich von den dem Publikum zur Verfügung stehenden Geldmitteln in ihre Kassen zu leiten. Alle Waren und Dienstleistungen stehen im Wettbewerb mit allen übrigen Waren und Dienstleistungen. Man verkennt das Wesen des –->Wettbewerbs, wenn man das Betreben der Erzeuger, ihre Erzeugnisse zu “differenzieren”, d. h. ihnen Eigenschaften zu geben, die sie in den Augen des Publikums begehrenswerter erscheinen lassen sollen als die anderer Erzeuger, als Maßnahmen ansieht, die den Wettbewerb “monopolistisch” gestalten sollen. Das Bestreben, durch solche Produktdifferenzierung die Konkurrenten auszustechen ist eines der wichtigsten Mittel des Wettbewerbs. Es ist gerade dieses Bestreben, das die dem kapitalistischen Markt innewohnende Kraft, auf beständige Verbesserung der Bedürfnisversorgung hinzuarbeiten, auslöst und wach erhält.

3. Spekulation

Wirtschaften dient der Befriedigung künftigen Bedarfs. Da über die Gestaltung der Zukunft nichts mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, beruht jegliches auf Bedarfsdeckung gerichtete Tun auf Vermutungen und Erwartungen. Nicht nur die Handlungen der Erzeuger, sondern auch die der Verbraucher sind spekulativ. Der Verbraucher, der kauft, rechnet damit, daß das erstandene Gut seinen künftigen Bedarf besser befriedigen wird als andere Güter, deren Ankauf er zurückgestellt hat, um gerade dieses Gut kaufen zu können. Alles Wirtschaften, auch das des Selbstversorgers und das des Leiters einer sozialistischen Organisation, ist –-> Spekulation. Wer Zeit, Geld und Mühe zur Ausbildung für eine bestimmte Berufstätigkeit aufwendet, spekuliert gleichfalls. Erst die Zukunft entscheidet, ob er richtig gehandelt hat.

Marktlage nennen wir den Inbegriff der –-> Erwartungen bezüglich der Gestaltung der Preise der Zukunft, sowohl der Zukunft des nächsten Augenblicks als auch der ferneren Zukunft. Diese Erwartungen bilden die Marktparteien aus der Kenntnis der bei den zuletzt getätigten Umsätzen gezahlten Preise und aus der Einschätzung der Veränderungen, die schon eingetretene oder erwartete neue Tatsachen an ihnen bewirken werden.

Jeder einzelne ist erfreut, wenn die Erwartungen, die sein Handeln bestimmt (134) haben, sich als richtig erweisen oder wenn sich die Verhältnisse günstiger gestalten, als er erwartet hatte. Stellt sich aber heraus, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, anders vorzugehen, dann neigen die, die durch unrichtige Beurteilung der künftigen Lage (Fehlspekulation) zu Schaden gekommen sind, dazu, die Forderung zu erheben, die Staatsgewalt möge ihnen zu Hilfe kommen. Die einzige Quelle, aus der solche Staatshilfe gewährt werden kann, ist Kürzung der Gewinne derer, die richtig spekuliert haben. Je weiter diese Politik, Gewinne und Verluste auszugleichen, fortschreitet, desto mehr wird der Markt an der Erfüllung seiner Funktion gehindert. Die Aufgabe, der Produktion die Richtung vorzuschreiben, muß dann vom Staate übernommen werden.

4. Teilmärkte

Der Markt ist einheitlich und unzerlegbar. Alle Preise hängen zusammen und bedingen einander. Jeder Teil des Marktes ist von allen anderen Teilen abhängig und beeinflußt sie seinerseits. Es gab und gibt selbst noch heute Menschengruppen, die in voller Autarkie außerhalb der den Rest der Welt umspannenden Tauschgesellschaft leben. Doch innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems sind alle Handlungen potentiell mit dem Markte verbunden. Wer in bezug auf bestimmte Bedürfnisse Selbstversorger ist, beeinflußt den Marktpreis der betreffenden Artikel und wird von ihm beeinflußt.

Die Teilmärkte, auf denen Produktionsmittel umgesetzt werden, sind ebenso von den letzten Verbrauchern abhängig wie die Teilmärkte der verschiedenen gebrauchs- und verbrauchsfertigen Güter [–->Märkte]. Dasselbe gilt von den Effektenbörsen. Die Effektenbörsen entscheiden über die Aufteilung der für zusätzliche Investition verfügbaren Kapitalgüter auf die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten. Das neugebildete Kapital und die für Neuanlage verfügbaren Mittel, die der Reservebildung und Abschreibung entsprechen, die zum Ersatz der in der vergangenen Produktion aufgebrauchten Kapitalgüter gemacht wurden, werden durch die –-> Börse in jene Produktionswege gelenkt, die nach Meinung der Spekulanten die günstigsten Aussichten zu bieten scheinen. An der Börse selbst entstehen weder Gewinne noch Verluste. Gewinne und Verluste in den Umsätzen des Wertpapierhandels sind das Ergebnis richtiger oder unrichtiger Vorwegnahme des künftigen Verhaltens der Verbraucher durch die Investitionstätigkeit.

Die Preisbildung auf dem –—>Arbeitsmarkt ist ebenso von der Nachfrage der letzten Verbraucher abhängig wie die auf dem Markt der sachlichen Produktionsmittel. Für die Bezüge der Bühnengrößen und der Berufssportler ist das nie bezweifelt worden. Es ist jedoch auf dem Markte, auf dem die Löhne aller übrigen Dienst- und Werkleistungen gebildet werden, nicht anders. Auf dem freien, d. h. durch keine Zwangsgewalt behinderten, Arbeitsmarkte waltet die Tendenz, die Löhne jeder einzelnen Arbeitsart so festzusetzen, daß alle, die für diesen Lohn arbeiten wollen, Arbeit und alle, die zu diesem Satz Arbeiter beschäftigen wollen, Arbeiter finden. Der freie Arbeitsmarkt strebt nach Vollbeschäftigung. Werden durch Regierungsbefehl oder durch Zwangsmaßnahmen der Gewerkschaften Mindestlöhne festgesetzt, die die potentiellen Marktsätze übersteigen, dann entsteht dauernde Arbeitslosigkeit eines Teils der Arbeitsuchenden (institutionelle Arbeitslosigkeit).

Das hat auch John Maynard Keynes anerkannt. Die Besonderheit der von ihm empfohlenen Vollbeschäftigungspolitik liegt darin, daß sie die Beseitigung der institutionellen Arbeitslosigkeit nicht durch Wiederherstellung des freien Arbeitsmarkts, sondern durch Vermehrung der Geldmenge anstrebt. Keynes ging dabei von der Erwartung aus, daß bei Aufrechterhaltung der nominellen Geldlöhne eine durch inflationistische Preissteigerung bewirkte schrittweise “automatische” Senkung der Reallöhne auf geringeren Widerstand seitens der Lohnempfänger stoßen werde als unverhüllte Versuche, die Geldlöhne dem Markte anzupassen. Ob diese Erwartung zutrifft, mag angesichts der Volkstümlichkeit, die die Methode der Indexzahlen erlangt hat, bezweifelt werden.

5. Gewinn und Verlust

Im Gedankenbild der gleichmäßigen oder stationären Wirtschaft ist der Preis eines jeden Produkts gleich der Summe der für die komplementären Produktionsmittel ausgelegten Preise einschließlich des der benötigten Produktionszeit entsprechenden Zinses. Es gibt daher weder Gewinne noch Verluste. In der sich beständig verändernden wirklichen Wirtschaft entsteht immer wieder Unstimmigkeit zwischen Versorgung und Bedarf. Zur Behebung dieser Unstimmigkeit muß die Erzeugung den veränderten Verhältnissen neu angepaßt werden. Aus diesem Anpassungsprozeß entspringen Gewinne oder Verluste der Unternehmer.

Gewinne oder Verluste sind die Folge des Umstandes, daß die Anpassung der Produktion an die neue Lage sich nicht mit einem Schlage im ganzen Marktsystem vollzieht. Die Unternehmer, die die Veränderung richtig vorausgesehen und danach gehandelt haben, erzielen Überschüsse, weil sie einerseits höhere Preise für das Produkt erlösen und andererseits Produktionsmittel noch zu den der früheren Lage entsprechenden niedrigeren Preisen einkaufen können. Im Fortgang der Ereignisse versiegen beide Quellen ihres Gewinns. Die Vermehrung (135) der Erzeugung des gewinnbringenden Artikels senkt seinen Preis, und gleichzeitig steigen die preise der komplementären Produktionsmittel. Würden keine weiteren Veränderungen auftreten, dann würde sich stationäres Gleichgewicht einstellen, bei dem es weder Gewinne noch Verluste gibt. Auf dem Markte besteht die Tendenz, Gewinne und Verluste zum Verschwinden zu bringen. Gewinn und Verlust sind ständige Erscheinungen nur, weil es immer wieder Veränderung in den wirtschaftlichen Daten gibt und die gleichmäßige Wirtschaft nichts als ein Gedankenbild ist, dem das wirkliche Leben nie entspricht. Gewinn und Verlust sind gewissermaßen Belohnung und Strafe, die die Verbraucher für schnellere oder langsamere Befriedigung ihrer Wünsche ausmessen.

Es wäre unzweckmäßig, das Auftreten von Unternehmergewinnen und Unternehmerverlusten als eine Übergangserscheinung oder eine Reibungserscheinung und ihre Abwesenheit als den idealen Zustand der Wirtschaft zu bezeichnen [–->Unternehmereinkommen]. Das nie aussetzende Streben nach Verbesserung der Bedürfnisdeckung ist ein charakteristisches Merkmal des Menschen. Der Gleichgewichtszustand, von dem die Nationalökonomie spricht, ist nicht ein Ziel, dessen Erreichung von irgendeinem Gesichtspunkt aus wünschenswert erscheint. Er ist ein gedankliches Hilfsmittel, das die Erkenntnis der anders gearteten Wirklichkeit vermitteln soll. Politische Voreingenommenheit ist im Spiele, wenn man den Markt, auf dem kein stationäres Gleichgewicht besteht, einen unvollkommenen Markt und den Wettbewerb, der auf diesem Markt vor sich geht, unvollkommenen oder –-> unvollständigen Wettbewerb nennt.

6. Ungleichheit der Einkommen und Vermögen

In der auf Eroberung und gewaltsamer Aneignung des Bodens beruhenden Gesellschaftsordnung, die Adam Ferguson, Claude Henry de Rouvroy de Saint-Simon und Herbert Spencer als Militarismus und zeitgenössische angelsächsische Schriften als Feudalismus bezeichnen, ist die Ungleichheit in der Verteilung des Grundeigentums politischen Ursprungs. Man ist reich oder arm, je nachdem einem vom Eroberer oder seinen Nachfolgern mehr oder weniger zugeteilt wurde. Eine Änderung der Besitzverteilung kann nur durch politische Maßnahmen bewirkt werden.

In der Marktwirtschaft waltet die Tendenz, die Produktionsmittel in die Verfügung jener zu bringen, die sie im Sinne der Verbraucher am besten zu verwenden wissen. Ungleichheit im Ausmaß der Einkommen und Vermögen ist das Ergebnis des Verhaltens der Verbraucher. Sie sind es, die die einen reich und die anderen arm machen. Wenn man durchaus an dem den Sachverhalt in der Marktwirtschaft verkehrt darstellenden Ausdruck Einkommens- und Vermögensverteilung festhalten will, muß man sich darüber klar sein, daß die Verteilung von den Verbrauchern vorgenommen wird, die dabei ausschließlich auf die bestmögliche Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen bedacht sind. In der militaristischen Gesellschaftsordnung mag es zutreffen, daß die Bedürftigkeit der Armen das Gegenstück des Überflusses der Reichen ist. In der Marktwirtschaft sind das Anwachsen des Vermögens der Reichen und das Schrumpfen des Vermögens anderer die Folge einer Verbesserung in der Bedarfsdeckung der übrigen Mitglieder der Gesellschaft. Die Vorgänge, die die durchschnittliche Lebenshaltung erhöhen, sind es, die große Vermögen entstehen und verschwinden machen. Die Auffassung, die in der Bildung von großen Vermögen eine Beeinträchtigung des Wohlergehens der übrigen Volksgenossen erblickt, verkennt das Wesen der Marktwirtschaft. Die Quelle marktwirtschaftlichen Reichtums ist die Hebung der Lebenshaltung der Verbraucher und umgekehrt. Maßnahmen, die auf Ausgleichung der Ungleichheit im Ausmaß der Einkommen und Vermögen abzielen, gehen auf Kosten der Lebenshaltung der Verbraucher. Vom Standpunkte der Interessen der Verbraucher wäre eine Besteuerung der Geschäftsverluste eher zu rechtfertigen als eine Besteuerung der Geschäftsgewinne. Ungleichheit der Vermögen und Einkommen ist ein wesentliches Element der Marktwirtschaft. Karl Marx und Friedrich Engels haben im »Kommunistischen Manifest« richtig erkannt, daß “starke Progressivsteuer” und “Abschaffung des Erbrechts” zur Vernichtung der Marktwirtschaft führen.

Die interventionistische Politik der Gegenwart geht darauf aus, den Entscheidungen, die die Verbraucher auf dem Markte treffen, entgegenzuwirken. Sie will den Markt ausschalten. Man ist sich dabei nicht immer darüber klar, daß dann schließlich die Obrigkeit die Leitung des Produktionsprozesses übernehmen und damit Sozialismus an die Stelle der Marktwirtschaft setzen muß.

Literatur
Baudin, Louis: Le mécanisme des prix. Paris 1940.
Clark, John Bates: Essentials of Economic Theory. New York 1907.
Eucken, Walter: Die Grundlagen der Nationalökonomie. (Jena 1940) 6 Berlin, Göttingen u Heidelberg 1950.
Keynes, John Maynard: The General Theory of Employment, Interest and Money. London u New York 1936, Neudr 1951. [Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Berlin u München 1936, Neudr Berlin 1952]
Knight, Frank H.: The Economic Organization. New York 1951.
Muthesius, Volkmar: Die Wirtschaft des Wettbewerbs. Wiesbaden 1948.
v. Böhm-Bawerk, Eugen: Kapital und Kapitalzins. 2 Bde. (Innsbruck 1884-1889) 4 Jena 1921.
v. Hayek, Friedrich A.: The Pure Theory of Capital. London (1941) 3 1952.
v. Mises, Ludwig: Human Action. New Haven (1949) 4 1950.
Wicksteed, Philip H.: The Common Sense of Political Economy. London 1910, Neudr 1933.