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Über die Produktion von Sicherheit (1849)

I.
II.-IV.
V.-VII.
VIII.-X.

V.-VII.

V.

Überprüfen wir nun, wie es kommt, daß alle bekannten Regierungen dem Gesetz des Monopols unterworfen oder gemäß dem kommunistischen Prinzip organisiert sind.
Untersuchen wir zunächst, was man unter Monopol und Kommunismus versteht. Es ist eine beobachtete Wahrheit, daß, je dringender und notwendiger die Bedürfnisse des Menschen, desto beträchtlicher die Opfer sind, die er sich aufzuerlegen bereit ist, um sie zu befriedigen. Nun gibt es Dinge, die es in der Natur im Überfluß gibt und deren Produktion nur sehr wenig Arbeit erfordert; die jedoch, indem sie dazu dienen, dringende und notwendige Bedürfnisse zu stillen, einen Tauschwert erhalten können, der in keinem Verhältnis zu ihrem natürlichen Wert steht. Denken wir etwa an das Salz. Angenommen, es gelänge einem Menschen oder einer Vereinigung, sich exklusiv die Produktion und den Verkauf von Salz zu verschaffen, dann ist offensichtlich, daß dieser Mensch oder diese Vereinigung den Preis dieses Gutes weit über seinen Wert, weit über den Preis hinaus anheben könnte, den es unter der Herrschaft des freien Wettbewerbs gehabt hätte.

Man wird nun sagen, daß dieser Mensch oder diese Vereinigung ein Monopol besitzt und daß der Salzpreis ein Monopolpreis ist. Doch ist offensichtlich, daß die Konsumenten nicht freiwillig zustimmen werden, den mißbräuchlichen Monopolaufschlag zu bezahlen; man wird sie dazu zwingen müssen, und um sie dazu zu zwingen, wird man Gewalt einsetzen müssen.

Jedes Monopol stützt sich notwendigerweise auf Gewalt.

Was geschieht, wenn die Monopolisten aufhören, stärker als die von ihnen ausgebeuteten Konsumenten zu sein?

Stets verschwindet das Monopol schließlich, sei es gewalttätig oder infolge eines gütlichen Vergleichs. Was setzt man an seine Stelle?

Wenn sich die zusammengerotteten, aufständischen Konsumenten des Materials der Salzindustrie bemächtigt haben, ist es sehr wahrscheinlich, daß sie diese Industrie zu ihren Gunsten konfiszieren und daß ihr erster Gedanke sein wird, sie nicht etwa der freien Konkurrenz zu überlassen, sondern sie gemeinschaftlich zu ihren eigenen Gunsten auszubeuten. Sie werden daher einen Direktor oder einen Direktionsausschuß zur Salinenausbeutung ernennen, dem sie die nötigen Gelder einräumen werden, um die Kosten der Salzproduktion zu bestreiten; dann ­ weil die Erfahrung der Vergangenheit sie mißtrauisch, vorsichtig gemacht haben wird, weil sie fürchten werden, daß der von ihnen bestellte Direktor sich der Produktion für seine eigene Rechnung bemächtigt und zu seinen Gunsten, auf offene oder verborgene Weise das alte Monopol wiederherstellt ­ werden sie Abgeordnete wählen, Vertreter, die den für die Produktionskosten notwendigen Geldern zustimmen müssen, die deren Verwendung zu überwachen und die zu kontrollieren haben, ob das produzierte Salz gleichmäßig unter allen Berechtigten verteilt wird. So wird die Salzproduktion organisiert sein. Diese Form der Produktionsorganisation trägt den Namen Kommunismus.

Wenn diese Organisation nur auf ein einziges Gut angewendet wird, nennt man den Kommunismus partiell.

Wenn diese Organisation auf alle Güter angewendet wird, nennt man den Kommunismus vollständig.

Doch ob der Kommunismus partiell oder vollständig ist ­ die politische Ökonomie erkennt ihn nicht mehr an als das Monopol, von dem er nur eine Erweiterung darstellt.

VI.

Trifft das, was gerade vom Salz gesagt wurde, nicht augenscheinlich auch auf die Sicherheit zu? Ist es nicht die Geschichte aller Monarchien und aller Republiken? Überall wurde die Produktion von Sicherheit zunächst als Monopol organisiert, und überall tendiert sie heute dazu, sich als Kommunismus zu organisieren.

Der Grund ist der folgende.

Unter den dem Menschen notwendigen materiellen oder immateriellen Gütern ist keines, außer vielleicht dem Korn, unabdinglicher und kann daher eine höhere Monopolsteuer vertragen.

Keines kann auch so leicht an ein Monopol fallen.

Was ist denn die Lage der Menschen, die der Sicherheit bedürfen? Sie sind schwach. Was ist die Lage derjenigen, die sich verpflichten, ihnen diese notwendige Sicherheit zu verschaffen? Sie sind stark. Wäre es anders, wären die Konsumenten von Sicherheit stärker als die Produzenten, so nähmen sie offensichtlich nicht deren Beistand in Anspruch.

Wenn nun die Sicherheitsproduzenten ursprünglich stärker als die Konsumenten sind, können sie ihnen nicht leicht die Monopolherrschaft aufzwingen?

Daher sieht man überall am Anfang der Gesellschaften, daß die stärksten, kriegerischsten Geschlechter sich die ausschließliche Regierung der Gesellschaften verschafften; überall sieht man, wie diese Geschlechter sich in einem bestimmten, je nach Anzahl und Stärke mehr oder weniger ausgedehnten Umfang, das Sicherheitsmonopol verschafften.

Und da das Monopol seiner Natur nach äußerst gewinnbringend ist, sieht man auch überall, wie sich die mit dem Sicherheitsmonopol ausgestatteten Völker bittere Kämpfe liefern, um die Ausdehnung ihres Marktes, die Zahl ihrer genötigten Konsumenten und folglich ihren Gewinn zu vergrößern.

Krieg war die notwendige, unausweichliche Folge der Einrichtung des Sicherheitsmonopols.

Als weitere unvermeidliche Folge mußte dieses Monopol alle anderen Monopole hervorbringen.

Als die Produzenten der anderen Güter die Lage der Sicherheitsmonopolisten näher betrachteten, konnten sie nicht verkennen, daß nichts in der Welt vorteilhafter als das Monopol ist. Sie mußten daher ihrerseits versucht sein, durch dasselbe Vorgehenden Gewinn ihrer Industrie zu mehren. Doch was brauchten sie, um das Monopol des von ihnen hergestellten Gutes zum Nachteil der Konsumenten an sich zu reißen? Es bedurfte der Gewalt. Nun besaßen sie aber diese Gewalt nicht, die notwendig war, um die Widerstände der interessierten Konsumenten zu unterdrücken. Was taten sie also? Sie liehen sie gegen Bezahlung bei jenen aus, die sie besaßen. Sie erbaten und erhielten zum Preis bestimmter Gegenleistungen das ausschließliche Privileg, ihre Industrie in einem bestimmten, festgelegten Umfang auszuüben. Da die Verleihung dieser Privilegien den Sicherheitsproduzenten schöne Geldsummen einbrachte, war die Welt bald mit Monopolen bedeckt. Arbeit und Tausch wurden überall behindert, gefesselt, und die Lage der Massen blieb denkbar schlecht.

Doch nach langen Jahrhunderten des Leidens und nachdem sich in der Welt nach und nach die Aufklärung verbreitet hatte, begannen die Massen, die dieses Netz aus Privilegien erstickte, sich gegen die Privilegien zu wenden und die Freiheit, das heißt die Unterdrückung der Monopole einzufordern.

Es gab damals zahlreiche Verhandlungen. Was geschah etwa in England? Das Geschlecht, das das Land regierte und als Verein organisiert war (die Lehnsherren),das an seiner Spitze einen erblichen Direktor (den König) hatte und einen ebenfalls erblichen Verwaltungsrat (die Kammer der Lords), setzte am Anfang den Preis der Sicherheit, über die es ein Monopol hatte, in einer ihm genehmen Höhe fest. Zwischen den Sicherheitsproduzenten und den Konsumenten gab es keine Verhandlung. Das war das System der Willkür. Doch war den Konsumenten im Laufe der Zeit ihre Anzahl und Stärke bewußt geworden. Sie erhoben sich gegen die Herrschaft reiner Willkür und erwirkten Verhandlungen mit den Produzenten über den Preis des Gutes. Zu diesem Zweck ernannten sie Abgeordnete, die sich im Unterhaus versammelten, um den Steuersatz als Preis der Sicherheit zu diskutieren. So gelang es ihnen, weniger ausgepreßt zu werden. Da die Mitglieder des Unterhauses jedoch unter dem direkten Einfluß der Sicherheitsproduzenten nominiert wurden, war die Verhandlung nicht offen, und der Preis des Gutes blieb weiterhin über seinem natürlichen Wert. Eines Tages erhoben sich die derart ausgebeuteten Konsumenten gegen die Produzenten und enteigneten sie ihrer Industrie. Sie unternahmen es dann ihrerseits, diese Industrie zu betreiben, und wählten zu diesem Zweck einen Betriebsdirektor mit einem Rat an seiner Seite. So trat der Kommunismus an die Stelle des Monopols. Doch dieser Kombination war kein Erfolg beschieden, und zwanzig Jahre später wurde das ursprüngliche Monopol wiederhergestellt. Nur waren die Monopolisten weise genug, die Willkürherrschaft nicht wieder zu erneuern; sie akzeptierten die freie Verhandlung der Steuern, doch dabei achteten sie darauf, die Abgeordneten der Gegenseite unablässig zu korrumpieren. Sie stellten diesen Abgeordneten diverse Posten in der Sicherheitsverwaltung zur Verfügung und gingen sogar so weit, die Einflußreichsten in den Kreis ihres obersten Rates aufzunehmen. Sicherlich gibt es nichts gerisseneres als ein solches Verhalten. Die Sicherheitskonsumenten bemerkten jedoch am Ende diesen Mißbrauch und verlangten eine Parlamentsreform. Lange verweigert, wurde die Reform schließlich erkämpft, und seit dieser Zeit haben die Konsumenten eine merkliche Verminderung ihrer Lasten errungen. Nachdem das Sicherheitsmonopol in Frankreich ebenso häufige Umschwünge und verschiedene Änderungen durchgemacht hat, ist es gerade zum zweiten Mal umgestürzt worden. Wie ehedem in England hat man das Monopol, das erst zu Gunsten einer Kaste und dann im Namen einer bestimmten Gesellschaftsklasse ausgeübt wurde, durch gemeinsame Produktion ersetzt. Die Allgemeinheit der Konsumenten, die wie Aktionäre angesehen werden, hat einen Betriebsdirektor auf eine bestimmte Zeit ernannt und eine Versammlung eingesetzt, die die Handlungen des Direktors und seiner Verwaltung kontrollieren soll.

VII.

Doch ist es vorstellbar, daß die Sicherheitsproduktion anders denn als Monopol oder Kommunismus organisiert ist? Ist vorstellbar, daß sie dem freien Wettbewerb überlassen bleibt?

Auf diese Frage antworten die sogenannten politischen Schriftsteller einmütig: Nein.

Warum? Wir werden es sagen.

Weil diese Autoren, die sich speziell mit den Regierungen befassen, die Gesellschaft nicht kennen; weil sie sie für ein künstliches Werk halten, das zu verändern oder umzugestalten die Regierungen den Auftrag haben.

Um nun die Gesellschaft zu verändern oder umzugestalten, muß man notwendigerweise mit einer Autorität ausgestattet sein, die die der verschiedenen Einzelnen übertrifft, aus denen sie sich zusammensetzt.

Die Monopolregierungen behaupten, diese Autorität, die ihnen das Recht gibt, die Gesellschaft nach ihrem Belieben zu verändern oder umzugestalten und über Personen und Eigentum nach Gutdünken zu verfügen, von Gott selbst erhalten zu haben; die kommunistischen Regierungen berufen sich zu diesem Zweck auf die menschliche Vernunft, die sich in der Mehrheit des souveränen Volks zeige.

Doch besitzen die Monopolregierungen und kommunistische Regierungen wirklich diese höhere, unwiderstehliche Autorität? Haben sie tatsächlich eine höhere Autorität als freie Regierungen sie haben könnten? Das ist es, was man prüfen muß.

Wir werden es mit einer einfachen Beobachtung zu diesem neuen System bewenden lassen.

Genau wie das Sicherheitsmonopol logischerweise alle anderen Monopole erzeugen mußte, muß der Sicherheitskommunismus logischerweise alle anderen Kommunismen erzeugen.

Denn nur eines kann richtig sein:

Entweder ist die kommunistische Produktion der freien Produktion überlegen oder sie ist es nicht.

Wenn ja, so ist sie es nicht nur für die Sicherheit, sondern für alle Dinge.

Wenn nein, bestünde der Fortschritt unvermeidlich darin, sie durch die freie Produktion zu ersetzen.

Vollständiger Kommunismus oder vollständige Freiheit, das ist die Alternative!