Gustave de Molinari

Die Soireen in der Rue St. Lazare (1849)
Über die Produktion von Sicherheit (1849)

Die Soireen in der Rue St. Lazare (1849)

Die ‘Soireen in der Rue St. Lazare’ von Gustave de Molinari in der von
Reinhard Stiebler übersetzten und noch einmal überarbeiteteten Fassung
vom Januar 2005

Gliederung:

Vorwort
Kurze Inhaltsangabe
Erster Abend
Zweiter Abend
Dritter Abend
Vierter Abend
Fünfter Abend
Sechster Abend
Siebter Abend
Achter Abend
Neunter Abend
Zehnter Abend
Elfter Abend
Zwölfter Abend

AUS DEM VORWORT VON MURRAY ROTHBARD ZU DER ENGLISCHEN ÜBERSETZUNG VON MOLINARIS „PRODUKTION VON SICHERHEIT“(*):

Niemals war der Gedanke des Laissez-faire so beherrschend wie unter den französischen Ökonomen, angefangen bei J. B. Say im frühen 19. Jahrhundert bis zu Says fortgeschritteneren Nachfolgern Charles Comte und Charles Dunoyer und den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts. Fast ein Jahrhundert bestimmten Laissez-faire-Ökonomen den Berufsverband, die Société d’Economie Politique, und seine Zeitschrift, das Journal des Economistes sowie zahlreiche andere Publikationen und Lehrstühle. Dennoch wurden nur wenige dieser Ökonomen ins Englische übersetzt, und praktisch keiner ist englischen oder amerikanischen Gelehrten bekannt, mit der einzigen Ausnahme von Frédéric Bastiat, der nicht der tiefste der Gruppe ist.

Der „extremste“ und konsistenteste, auch der am längsten lebende und produktivste der französischen Laissez-faire-Ökonomen war der in Belgien geborene Gustave de Molinari (1819-1912), der mehrere Jahrzehnte lang das Journal des Economistes herausgab. Der erste Artikel des jungen Molinari, der hier das erste Mal als „Über die Produktion von Sicherheit“ übersetzt vorliegt, war die erste Vorstellung überhaupt in der menschlichen Geschichte dessen, was heute „Anarcho-Kapitalismus“ oder „Markt-Anarchismus“ genannt wird. Molinari hat diese Begriffe nicht verwendet und würde wahrscheinlich sogar diese Bezeichnung gescheut haben. Im Gegensatz zu allen früheren individualistischen und fast-anarchistischen Denkern wie La Boetie, Hodgskin oder der junge Fichte, beruhte die Hauptwucht von Molinaris Argument nicht auf einer moralischen Opposition gegen den Staat. Da Molinari ein glühender Individualist war, baute er sein Argument auf der ökonomischen Freihandels- und Laissez-faire-Schule und leitete logisch die Frage ab: Warum sollte der freie Markt nicht auch die Schutzdienstleistung bereitstellen, wenn er schon alle anderen Güter anbietet?

Im selben Jahr (1849) erweiterte Molinari seine radikal neue Theorie zu einem Buch „Die Soireen in der Rue St. Lazare“, eine Folge erfundener Dialoge zwischen drei Menschen: Dem konservativen (Verteidiger von hohen Zöllen und staatsmonopolistischen Privilegien), dem Sozialist und dem Ökonom (ihm selbst). Der vorletzte (11.) Dialog vertiefte seine Theorie von privatwirtschaftlichen Schutzdiensten. Auch vierzig Jahre später, in seinem Buch „Les lois naturelles de l’economie politique“ (1887) war Molinari ein ungebeugter Verteidiger von privaten, miteinander im Wettbewerb stehenden Polizeigesellschaften, Baufirmen für Infrastruktur und Verteidigungsfirmen. Leider hat Molinari in einem seiner letzten Werke, „La société future“ diese Position zum Teil abgeschwächt und trat für eine einzelne, monopolistische, private Verteidigungs- und Schutzfirma ein, statt freien Wettbewerb zuzulassen.

Es ist lehrreich, den Streit zu verfolgen, den Molinaris Artikel und die Soireen selbst bei den Bannerträgern der Laissez-faire-Schule der französischen Nationalökonomie hervorrief. Ein Treffen der Société d’economie politique im Jahr 1849 war Molinaris herausforderndem, neuen Buch, den Soireen, gewidmet. Charles Coquelin meinte, daß Gerechtigkeit eine „höchste Gewalt“ braucht und auch auf anderen Gebieten kein Wettbewerb bestehen kann ohne die höchste Gewalt des Staats. Ähnlich unbegründet und a priori wetterte auch Frédéric Bastiat, der erklärte, daß Gerechtigkeit und Sicherheit nur durch Gewalt gewährleistet werden können und daß diese Gewalt nur der „höchsten Macht“, dem Staat, zuerkannt werden könne. Kein Meinungsführer nahm die Mühe auf sich, Molinaris Argumente näher zu untersuchen bis auf Charles Dunoyer, der sich beklagte, Molinari habe sich von den „Illusionen der Logik“ forttragen lassen, und behauptete, daß „Wettbewerb zwischen Sicherheitsagenturen ein Hirngespinst sei, da er zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen müsse“. Dunoyer setzte dagegen auf den „Wettbewerb“ politischer Parteien im Rahmen einer repräsentativen Regierung – kaum eine befriedigende libertäre Lösung des Problems gesellschaftlicher Auseinandersetzungen! Er meinte auch, daß es höchst besonnen sei, die Gewalt in den Händen des Staats, „in die die Zivilisation sie gelegt hat“, zu belassen – dies von einem der großen Begründer der Eroberungstheorie des Staats!

Unglücklicherweise wurde dieser entscheidende Punkt bei dem Treffen kaum behandelt, da sich die Diskussion größtenteils um die Kritik Dunoyers und der anderen Volkswirte an Molinari drehte, weil er bei seinem Angriff auf alle Enteignungsrechte de Staats vermeintlich zu weit gegangen sei. (vgl. Journal des Economistes, XXIV (Oct. 15, 1849), S. 315f.)

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(*) Molinari, The production of security, translated by J. Huston McCulloch, Center for Libertarian Studies Occasional Paper Series #2, May 1977