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2.2. Sicherheit: Recht und Strafrecht; Rechtsdurchsetzung und Rechtsfrieden

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[S.106] Während die Anwendung und Erläuterung des Konzepts wirtschaftlichen Handelns im Hinblick auf direkt und indirekt austauschende Personen unproblematisch erscheint, weil man aus Erfahrung weiß, daß die Strukturmerkmale Austausch und Geld in der Tat weitgehend gewaltlos aufrechterhalten werden (können); und man [S.107] sich auch ihre ursprüngliche Entstehung unschwer als im Rahmen wirtschaftlichen Handelns hervorgebracht vorstellen kann,[FN17] bringt seine Anwendung im Zusammenhang mit dem Thema Sicherheit und der gesellschaftlichen ‚Sicherheitsstruktur’ Probleme mit sich. (Unter der Bezeichnung Sicherheitsstruktur sollen die gesellschaftlichen Gestaltmerkmale zusammengefaßt werden, deren Funktion darin besteht, dem GWAP, das jedermann als allgemein anerkennungsfähig einsehen kann, auch faktisch Geltung zu verschaffen.) Offenbar sind nämlich die faktisch etablierten gesellschaftlichen Sicherheitsstrukturen, d. i. die der Friedensstiftung dienenden Institutionen von Polizei und Rechtswesen in aller Regel staatliche Institutionen. Als solche sind sie aber unvereinbar mit dem GWAP; denn qua staatliche Einrichtungen werden sie nicht durch freiwilligen Austausch aufrechterhalten, sondern finanzieren sich durch Zwangsabgaben (Steuern) und setzen ihre Aufrechterhaltung durch permanent erneuerte gewalttätige Austauschhandlungen durch! Angesichts dessen hat man wenig reale Anknüpfungspunkte, wenn man versucht, das Konzept des Wirtschaftens im Zusammenhang mit Sicherheitsstrukturen zu erläutern, und die Vorstellungskraft ist vor entsprechend größere Probleme gestellt.

Mit dieser Schwierigkeit in Zusammenhang steht ein anderes, aus der Geschichte gesellschaftstheoretischer Ideen bis in die Gegenwart herübergeschlepptes Problem: im Unterschied zur gegenwärtig immer exklusiver gepflegten Praxis empirischer Sozialforschung ist Gesellschaftswissenschaft traditionellerweise als nicht-empirische Disziplin aufgefaßt und betrieben worden. Betrachtet man z. B. nur einmal die Reihe angelsächsischer sozialwissenschaftlicher Klassiker Th. Hobbes, J. Locke, D. Hume, A. Smith, J. St. Mill, bis hin zu Gegenwartsautoren wie etwa J. Buchanan und R. Nozick, so ist unübersehbar, daß ihre Vorgehensweise jedenfalls nicht dem methodologischen Kanon moderner empirisch-analytischer Forschung entspricht.[FN18] Sie beschäftigen sich mit der (normativen) Frage ‚Was ist die richtige Organisation einer Gesellschaft?’; sie verwenden in der Ableitung ihrer Antworten nicht-empirische Methoden; und sie gehen davon aus, daß die Antworten den Status kognitiver Aussagen haben.[FN19] In all dem folgt die vorliegende Untersuchung, wie bereits deutlich geworden sein dürfte, dieser Tradition. Gerade die aufgezählten Denker (und keineswegs nur der Anti-Liberale Hobbes), und keineswegs [S.108] nur sie, deren Argumentationsstil im übrigen als grundsätzlich vorbildlich anerkannt wird, haben aber Erhebliches dazu beigetragen, den Eindruck zu erwecken, als könnte man nur eine staatlicherseits unterhaltene gesellschaftliche Sicherheitsstruktur rechtfertigen. Indem sie das Selbstverständliche (weil Reale), die staatliche Sicherheitsproduktion, so mit der Autorität ihres Namens als rational begründbar rechtfertigen (und die Lösung des angesprochenen Problems einer anarchischen Sicherheitsproduktion somit als überflüssig erscheinen lassen!), erschweren auch sie natürlich die folgende Aufgabe zusätzlich.