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2.2. Sicherheit: Recht und Strafrecht; Rechtsdurchsetzung und Rechtsfrieden

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[S.121] Aber kann eine Ordnung, in der die Durchsetzung des Rechtssystems durch Unternehmungen bzw. Unternehmer erfolgt, die keinerlei Monopolstellung im Hinblick auf die von ihnen angebotenen Sicherheitsleistungen besitzen (selbst dann, wenn irgendjemand der alleinige Anbieter einer bestimmten Sicherheitsleistung in einem gegebenen Territorium ist, ist es nicht verboten, daß andere Anbieter auftreten; und bei allen seinen Operationen muß der alleinige Anbieter demnach Rücksicht [S.122] auf mögliche Konkurrenten nehmen!), die vielmehr bei allen ihren Handlungen an die gleichen, allgemein anerkennungsfähigen Regeln gebunden sind wie jede andere natürliche oder juristische Person auch, und die genausowenig wie andere bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten Aggressionen gegenüber anderen Personen und anderem Eigentum begehen dürfen, wenn sie nicht als nach dem Proportionalitätsprinzip zu behandelnde Täter gelten wollen, kann eine solche Ordnung Frieden gewährleisten?

Auf diese durch Hobbes inspirierte Frage ist zweierlei festzustellen: Zunächst, begibt man sich auf die Ebene von Erfahrungen, so sieht man, daß die Beziehungen zwischen Personen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit nicht ohne weiteres als unfriedlicher gelten können als die zwischen Personen einer Staatsangehörigkeit (und dies angesichts der Tatsache, daß es täglich durchaus millionenfach – man denke nur an internationale Geschäftsbeziehungen und Tourismus – zu internationalen Kontakten kommt!). Und auch die sozialen Beziehungen z.B. im (vorstaatlichen) ‚Wilden Westen’ waren, entgegen dem Eindruck, den mancher Kinofilm verbreitet, keineswegs unfriedlicher als heute.[FN42]

Vor allem jedoch ist es ein systematischer Grund, der dagegen spricht, daß Wettbewerb unter Sicherheitsproduzenten zu vermehrtem Unfrieden führen würde. Wettbewerb ist umgekehrt vielmehr Voraussetzung dafür, daß Sicherheitsproduzenten aus egoistisch-ökonomischen Gründen (nämlich um Kosten zu sparen) daran interessiert sein müssen, Produkte, d. i. standardisierte Versicherungsverträge (i. w. S.) (präventive, rechtsprechende, vollstreckende, und versichernde Leistungen betreffend), anzubieten, die (für den Produzenten) kostspielige Konflikte und unkalkulierbare Risiken minimieren und Käuferzahlen maximieren. Wettbewerb sorgt dafür, daß ein direkter ökonomischer Anreiz besteht, solche Vertragsleistungen auf dem Markt der Sicherheitsgüter anzubieten, und entsprechend solche Rechtsregeln bzw. ansprüche durchzusetzen, die einen möglichst weitgehenden Konsensus unterschiedlicher Personen hinsichtlich durch freiwillige finanzielle Mitbeteiligung versicherter Risikosorten und Schadensregelungen beinhalten, um so möglichst allgemein annehmbar und absetzbar zu sein (denn solange kein Konsensus erreicht ist, solange also bestimmte Personen angesichts eines Versicherungsvertrages den Eindruck gewinnen, sie würden an der Absicherung von Risiken beteiligt, die ihnen eine Absicherung nicht wert erscheinen (z. B. weil man das Risiko im eigenen Fall nicht für gegeben hält), solange besteht die unternehmerische Chance, solche Personen als Versicherte abzuwerben, indem man kostengünstigere, reduzierte Risikoabsicherungen anbietet!).

Für einen einzelnen Sicherheitsproduzenten bedeutet Wettbewerb zunächst: Zwang zu freier Finanzierung. Je weiter er wachsen will (und relative Größe ist für den Kunden gerade eines Sicherheitsproduzenten ein Entscheidungskriterium von größter Bedeutung!), einen umso mehr Personen umfassenden Konsensus bezüglich Risikobehandlung im allgemeinen und der Behandlung von Konfliktfällen [S.123] zwischen den verschiedenen eigenen Versicherungsnehmern im besonderen muß er zu formulieren in der Lage sein. Nach innen, hinsichtlich des Binnenrechts, dem man sich als Versicherter freiwillig unterwirft, heißt dies: Zwang zur Formulierung zunehmend abstrakterer, in jedem Fall symmetrischer, d.i. ohne erkennbare Umverteilungsabsichten formulierter (und nur darum allgemein akzeptabler und nachgefragter), sich zu einem konsistenten System ergänzender Regeln.[FN43] Und nach außen, hinsichtlich der Risiken im Außenverkehr bedeutet es den Zwang zur Formulierung von Schadensfällen und -regelungen, die eine ‚Versicherung’ gegen opferlose Verbrechen, d. i. gegen Taten, die keinen objektivierbaren Schaden anrichten (wie z. B. Prostitution, Drogenhandel, Homosexualität, Waffenbesitz, Glückspiel, Schmuggel, u. ä.), zunehmend erschweren. Denn die Verfolgung derartiger Handlungen im Außenverkehr ist einerseits durchaus mit Kosten verbunden [FN44]; beim Versuch, zunehmende Versichertenzahlen zu gewinnen, steigt andererseits für den Sicherheitsproduzenten der Druck, einen zunehmend umfassenderen Konsensus hinsichtlich des durch freiwillige Mit-Finanzierung (gemeinsam) versicherten Risikos zu finden (schließlich will nicht jeder sich an der Absicherung jedermanns spezieller Risiken beteiligen!). Folglich wird der Sicherheitsproduzent (um sich kostenmäßig zu entlasten, und um seine Nachfragesituation zu verbessern) zunehmend den Versuch machen, solche Risikoarten im Außenverkehr aus dem versicherten Schadenskatalog fallen zu lassen, die im Fall ihres Auftretens für einen Versicherungsnehmer im Durchschnitt die relativ geringste Sichtbarkeit aufweisen und von daher seltener als versicherungswürdig eingestuft werden, oder die, wie im Fall des opferlosen Verbrechens, buchstäblich unsichtbar blieben, wenn man nicht eigens einen (kostspieligen) Beobachter-Spion für sie abstellte.[FN45]

Und für zwei oder mehr in Konkurrenz um eine gegebene Bevölkerung befindliche Sicherheitsproduzenten bedeutet Wettbewerb dies: beide Unternehmen, die hinsichtlich Preis und Service, und natürlich hinsichtlich ihres Binnenrechts miteinander konkurrieren, unterliegen jedes für sich dem erläuterten Zwang zur Formulierung eines Konsensus bezüglich gemeinsam, d. i. durch Mit-Finanzierung versicherter Risikoarten und -behandlungen und sind von daher von Anfang an auch an der Formulierung einer konsensfähigen Außenpolitik interessiert. Denn wenn beide, A und B, im gleichen Territorium tätig sind, kann es nicht nur vorkommen, [S.124] daß versicherte Konflikte zwischen Klienten von A und B auftreten, die von A und B gleichartig beurteilt und behandelt werden (und die von daher unproblematisch sind); es ist denkbar, daß es zum Streit zwischen A und B kommt, weil man den versicherten Konfliktfall unterschiedlich bewertet. Je größer der Konkurrent, umso dringender angesichts dessen der Konsensbedarf. Denn kriegerischer Kampf als Antwort auf einen Rechtsstreit ist kostspielig, zumal wenn man es mit einem großen Gegner zu tun hat. Weder die Sicherheitsproduzenten haben ein unmittelbares Interesse, ihr Vermögen dabei aufs Spiel zu setzen, noch haben es die Versicherten, die die Operationen des Unternehmens finanzieren, und die es nicht unterstützen, weil sie bewaffneten Konflikt, schon gar nicht Konflikt wegen nichtiger Streitigkeiten, sondern rechtlich gesicherten Frieden wünschen (und die aufhören würden, das Unternehmen zu stützen, wenn es nicht gemäß diesem Wunsch handelte ).[FN46] Von daher gilt: weil Produzenten und vor allem Konsumenten dies aus ökonomischen Gründen wünschen, werden A und B gezwungen, einen Konsensus darüber zu erzielen, wie mögliche Streitfälle zwischen ihnen beigelegt werden können.

Wenn A und B dabei nicht ihre unternehmerische Selbständigkeit aufgeben wollen, läßt sich eine konsensfähige Streitregelung generell nur dadurch erzielen, daß man eine von beiden unabhängige dritte, oder vierte, oder fünfte, etc. Partei wählt, die den Streitfall in erster, zweiter, dritter, etc. Instanz zweiseitig bindend entscheidet. Diese dritte, etc. Partei ist eine einstimmige Wahl: nur deshalb kann man sich ihrem Urteil, bei dem es einen ‚Verlierer’ geben muß, so oder so freiwillig beugen. – Und: der unter Wettbewerb entstehende Zwang zum Konsens geht weiter. Obwohl im Grundsatz jeder, der sich dafür anbietet, als dritte Partei in Frage kommen kann (sofern man sich nur auf ihn einigt), sorgt die Tatsache wirtschaftlichen Wettbewerbs, in dem sich A und B befinden, dafür, daß die von ihnen übereinstimmend festgelegte dritte Partei entscheidende Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen muß. Sie muß in der Lage sein, solche Lösungen für Streitfälle zu entdecken, die möglichst allgemein, bei den Klienten von A und B, d. i. bei den Gewinnern, aber auch bei den Verlierern, konsensfähig sind. Könnte sie dies nicht, so müßte der Verlierer des Rechtsstreits (wegen seiner offensichtlich verringerten Durchsetzungsfähigkeit) einen Rückgang an Kunden befürchten, und er würde diese Partei in Zukunft nicht mehr als Schlichter wählen. Nicht nur für beide Sicherheitsproduzenten besteht also bei Wettbewerb ein ökonomischer Anreiz, einen Schlichter zu finden, der eine allgemein konsensfähige Streitregelung formulieren kann; auch für den gemeinsam gewählten Schlichter besteht, weil er im Falle eines Schei
[S.125] terns seiner Bemühungen um Konsensus in Zukunft abgewählt werden kann, ein direkter wirtschaftlicher Anreiz, tatsächlich einen Konsensus zu erzielen.[FN47]

Wettbewerb unter Sicherheitsproduzenten ist darum, weit davon entfernt, besonders konfliktfördernd zu sein, geradezu das Mittel, um institutionell den größtmöglichen Druck zur Erzeugung, Formulierung und Elaborierung konsensfähiger (u. d. i. friedensförderlicher) Rechtsregeln zu erzeugen, und die Wahrscheinlichkeit möglichst groß zu machen, daß sich die auf aprioristische Weise als allgemein anerkennungsfähig nachweisbaren, auf dem GWAP aufbauenden Normen (einschließlich der entsprechenden Strafbestimmungen) auch tatsächlich empirisch Geltung verschaffen, d.i. tatsächlich die Regeln werden, die den Außenverkehr zwischen Versicherten verschiedener Sicherheitsproduzenten (die, jeder für sich, unterschiedliche Binnennormen haben können) friedlich regeln.[FN48]

Wettbewerb sorgt dafür, daß jeder Sicherheitsproduzent, der wachsen will (und der in bestimmtem Umfang wachsen muß, um überhaupt durchsetzungsfähig sein zu können) einen standardisierten Vertrag über Sicherheitsleistungen anbieten muß – ansonsten liefen die Kunden weg (während der Staat, weil er Monopolist ist, den Kunden im Hinblick auf seine Gegenleistungen ohne Vertrag im Dunkeln lassen und sich darüber ausschweigen kann, ob und welche Regeländerungen er während des laufenden Spiels verordnet – und dennoch seine Kunden nicht verliert). Wettbewerb sorgt dafür, daß diese Verträge einen für sämtliche Kunden akzeptablen Konsensus hinsichtlich Art, Umfang und Handhabung gemeinsam, durch finanzielle Mitbeteiligung, versicherter Risikofälle ausdrücken; und daß sie insbesondere eine konsensfähige Formulierung des mit der Versicherungsnahme als selbstverpflichtend übernommenen, konsistenten Binnenrechts finden – ansonsten würden sich die Kunden anderswo und zu anderen Bedingungen versichern (während der Staat, da er Monopolist ist, alle seine Kunden halten kann, obwohl seine Unternehmenspolitik im Hinblick auf Art und Umfang eigener Risikonahme und -behandlung nicht auch nur annähernd konsensfähig ist; und obwohl auch das staatlicherseits durchgesetzte Binnenrecht als unsymmetrisches Umverteilungsrecht alles andere als einen Konsensus der ihm unterworfenen ‚Versicherten’ repräsentiert). Und Wettbewerb schließlich sorgt dafür, daß die Sicherheitsproduzenten, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Binnenregelungen, einen die Versicherten verschiedener Versichertengruppen umfassenden (weil von allen mitfinanzierten) Konsensus hinsichtlich der Regeln des Außenverkehrs vorschlagen müssen und daß von ihnen für friedliche Streitregelungen gemeinsam gewählte Schlichter tatsächlich einen allseitig konsensfähigen Spruch finden – ansonsten würden ihnen, d. i. Sicherheitsproduzenten und Schlichtern, die Kunden wegbleiben (während der Staat als ein vor Wettbewerb geschützter Monopolist sich die zahlende Kundschaft auch dann noch erhalten kann, wenn weder die Art seines friedlichen Umgangs mit Außenstehenden, [S.126] noch seine Entscheidungen über Zeitpunkt und Art kriegerischer Auseinandersetzungen konsensfähig sind; und selbst dann noch, wenn er zwischen sich und Privatpersonen entstehende Rechtsstreitigkeiten – unter Wettbewerbsbedingungen undenkbar (!) – immer und grundsätzlich nur durch seine, von ihm angestellten, von ihm für gut befundenen, und allein von ihm, aufgrund seines Gutdünkens beförderten Schlichtern entscheiden läßt).[FN49]