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3.1.2. Umverteilung

I.
II.
III.

II.

[S.147] Historisch gesehen haben Staaten im Rahmen ihrer zum Zweck der Herrschaftsstabilisierung auf möglichst hohem Einkommensniveau durchgeführten diskriminierenden Umverteilungspolitik alle nur erdenklichen positiven gesellschaftlichen Funktionen übernommen.[FN72] Naturgemäß sind aber solche Funktionen von ihnen vordringlich übernommen worden, denen zugleich strategische Bedeutung im Hinblick auf die privilegierte staatliche Position zukommt.

So haben Staaten in nahezu universellem Maßstab das Bildungswesen an sich gerissen, sei es, indem sie direkt als Betreiber der Bildungseinrichtungen auftreten, oder sei es, indem sie als Lizenzgeber für private Bildungsanbieter über diese eine entscheidende indirekte Kontrollfunktion ausüben. Zusammen mit der gleichfalls fast universellen, zeitlich ständig ausgedehnten Schulpflicht hat der Staat damit eine entscheidende Position im Kampf um Köpfe gewonnen. Konkurrenz auf ideologischem Gebiet, die der staatlichen Herrschaft gefährlich werden könnte, ist weitgehend ausgeschaltet, zumal wenn es gelingt, den Stellenmarkt für Geistes- und Sozialwissenschaftler (die mehr als die naturwissenschaftlich-technische Intelligenz das geistige Klima einer Gesellschaft beeinflussen) unter eigene Kontrolle zu bringen, und eine staatliche Approbation zur Voraussetzung jeder systematischen Lehrtätigkeit zu machen.[FN73]

Von ähnlich strategischer Bedeutung ist für den Staat die Kontrolle der Verkehrs- und Kommunikationswege. Tatsächlich haben sämtliche Staaten darum zunehmend Flußläufe, Küsten, und natürlich Straßen und Schienenwege in eigene Regie übernommen; vor allem aber Post- und Fernmeldewesen (und haben hierdurch indirekt, als Lizenzvergeber, auch noch dominierenden Einfluß auf den gesamten Bereich der elektronischen Medien erlangt). Jeder Gegner ist in seinen Bewegungs- und Koordinierungsmöglichkeiten entscheidend gefesselt, wenn der Staat diese Güter in monopolistischer Verwaltung hat. – Daß der Staat seine positiven Beiträge zur gesellschaftlichen Güterversorgung auf das Gebiet Verkehr und Kommunikation konzentriert und private, unlizenzierte Anbieter dort direkt verbietet, oder durch eine marktwidrige, aus Zwangsabgaben finanzierte Subven- [S.148] tionierung der eigenen Güterproduktion vom Wettbewerb verdrängt, ist angesichts seiner Interessenlage nur naheliegend![FN74]

Kaum weniger naheliegend ist es, wenn Staaten ihre Bemühungen seit Jahrhunderten darauf gerichtet haben, die für das Funktionieren komplexer industrieller Gesellschaften vitale Angelegenheit des Geld- und Bankwesens in monopolistische Hände zu bringen. Wenn dies Ziel erreicht ist (wie bei den heutigen Staaten aunahmslos der Fall) und wenn überall an die Stelle natürlicher (metallischer) Zahlungsmittel und eines Systems konkurrierender Banken ein monetäres System getreten ist, bei dem ein willkürlich definiertes Papiergeld ohne natürliche Deckung durch Metall oder andere Waren (im Fall einer Commodity-Reserve-Währung) als legales Zahlungsmittel durchgesetzt ist, dessen Produktion und Management exklusiv dem Staat oder seiner Zentralbank vorbehalten sind (so daß jeder nicht-staatliche – aber nicht der staatliche – Kopierer dieses Geldes zum Fälscher würde!) – dann ist ein großer Sieg errungen worden: dann ist der Staat zur Steigerung des eigenen (monetären) Einkommens nicht länger allein auf das unbeliebte Mittel der Besteuerung oder der immer und zu allen Zeiten unmittelbar als kriminell durchschauten Münzverschlechterung angewiesen. Er kann seine Einnahmen vielmehr fast nach Gutdünken durch Bedrucken von Papier erhöhen (und/oder seine Schulden entsprechend verringern), wenn es ihm nur gelingt, seine legalen Fälscheraktionen hinsichtlich Umfang und Zeitpunkt so überraschend durchzuführen, daß die davon (bei legalen nicht anders als bei illegalen Fälschungen) ausgehenden inflationären Wirkungen vom Markt nicht antizipiert werden können, und er darum mit den zusätzlich in Umlauf gebrachten Scheinen Güter (einschließlich Kreditierungen) zu Preisen kaufen kann, die dem erweiterten Geldmengenniveau (noch) nicht angepaßt sind (sondern hinterherhinken). Monopolistisch verwaltetes Papiergeld eröffnet die Möglichkeit, Handlungen, die im Bereich des Privatrechts als Betrug klassifiziert werden, nicht nur nahezu kostenlos, sondern vor allem – aufgrund der Zentralbanktechnik – in einer kaum mehr als Aggression erkennbaren Weise durchzuführen und dadurch im Hinblick auf die eigene Bereicherung in neue Dimensionen vorstoßen zu können. Da ist es nur natürlich, daß Staaten diesen Stand der Dinge bewahren möchten, und eine Bereitstellung der positiven gesellschaftlichen Funk- [S.149] tion des Geldwesens durch ein System des freebanking, oder der ‚Entnationalisierung des Geldes’ (dessen Funktionsweise in jüngster Zeit vor allem Hayek analysiert hat) als Rückschritt fürchten und verteufeln, und jeden, der versucht der Zentralbank qua Zentralbank Konkurrenz zu machen, mit Gewalt bedrohen.[FN75]

Die strategisch bedeutsamste aller staatlichen Aktivitäten aber (angesichts deren positiven Beitrags zur gesellschaftlichen Wohlfahrt der naive Betrachter regelmäßig den im Kern gewalttätigen Charakter des Staates aus den Augen zu verlieren beginnt) ist die monopolistische Inregienahme der Produktion von Sicherheit. Dabei ist sie angesichts der staatlichen Interessenlage so natürlich, daß ‚Durchsetzer von Recht und Ordnung’ und ‚Staat’ nicht zufällig oft für Synonyme gehalten werden. Denn obgleich der Staat allenfalls als ein ganz besonderer Durchsetzer von Recht und Ordnung gelten kann, ist es verständlich, warum der genannte Eindruck entstehen konnte: beide Begriffe sind extensional identisch – jeder Durchsetzer von Recht und Ordnung ist faktisch ein Staat oder von ihm Beauftragter. Nur zeigt dieser universelle empirische Zusammenhang nicht, daß ausschließlich Staaten Sicherheit produzieren können, in ihm kommt zum Ausdruck, daß sämtliche Staaten um der eigenen Stabilität Willen auf die Monopolisierung gerade dieses Bereichs gesellschaftlicher Güterproduktion nicht glauben verzichten zu können.

Der Grund hierfür ist unschwer zu entdecken: Staaten sind Unternehmungen, die eine Rechtsordnung durchsetzen, die ihnen das exklusive Recht gibt, Eigentumstitel gewaltsam anzueignen, und ihr Einkommen aus solchen Aneignungen (beliebig) zu steigern. Ein Unternehmen dieser Art muß naturgemäß über eine bewaffnete Streitmacht verfügen. Und naturgemäß muß es bestrebt sein, der alleinige Eigner einer solchen Streitmacht in einem gegebenen Territorium zu sein: jede andere bewaffnete Macht stellte eine erhöhte Gefahr dar, weil sie sich dem staatlichen Wunsch nach Einkommensverbesserung in ernsthaft bedrohlicher Weise entgegensetzen könnte (jedenfalls bedrohlicher als eine unbewaffnete Macht).[FN76] – Nun entsteht, geht man nicht von gänzlich unrealistischen Annahmen über die menschliche Natur aus, auch innerhalb jeder Gesellschaft ein Sicherheitsbedarf. Wie immer der Staat sein Verhältnis zu den von ihm ausgebeuteten Privatrechtssubjekten gestaltet; das Leben dieser Personen schließt darüber hinaus auch Kontakte zu anderen Privatpersonen ein; und in Abwesenheit prästabilierter Interessenharmonien muß es (auch) für diesen Privatrechtsverkehr zu einer Nachfrage nach Sicherheits- und Versicherungsleistungen kommen. Natürlicherweise würden, entsprechend der Intensität der Nachfrage, unmittelbar Sicherheitsproduzenten auf dem Markt erscheinen, die der Eigenart des von ihnen hergestelltes Gutes gemäß, über eine (auch) für den bewaffneten Kampf ausgerüstete Streitmacht verfügen.[FN77] Dies kann [S.150] der Staat, um der eigenen Stabilität und eines möglich hohen Einkommensniveaus Willen nicht wünschen, und daher bleibt ihm nichts anderes übrig, als diese sozial unerläßliche Rolle selbst zu übernehmen.

- Damit nicht genug. Der Staat kann sich mit der bloßen Durchsetzung von Sicherheit nicht begnügen. Er muß fast zwangsläufig auch die Aufgabe der Rechtsprechung (für den Privatrechtsverkehr) monopolisieren. Täte er es nicht, so wäre es unvermeidbar, daß er bei seinem Versuch, das eigene, aus gewalttätigen Aneignungen resultierende Einkommen zu steigern, in Gegensatz zu privatrechtlich anerkannten Eigentumsrechten gerät; und gibt es konkurrierende Rechtsprecher für den Privatrechtsverkehr, so läuft er Gefahr, über kurz oder lang als Rechtsbrecher hingestellt zu werden. Da ihm an diesem Ruf verständlicherweise nichts liegen kann, weil jeder dauerhaft und wiederholt öffentlich (von privatwirtschaftlichen Rechtsprechungsunternehmen) geäußerte Zweifel an der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns die eigene Autorität untergräbt, und weil er natürlich weiß, daß die Angriffe nur allzu berechtigt sind, und er auch nicht die Kraft des besseren Arguments auf seiner Seite hat, monopolisiert er die Aufgabe und verbietet die Konkurrenz (der er sich gerade auf dem Gebiet des Rechtswesens nicht gewachsen fühlt).[FN78]

Freilich soll die unter strategischen Gesichtspunkten erforderliche Monopolisierung von Recht und Sicherheit eine positive Funktion haben: Sie soll das Einkommen des Staates zwar erhöhen bzw. stabilisieren helfen, aber sie soll dabei auch Vorteile innerhalb der Bevölkerung publikumswirksam umverteilen und insofern Nutzen stiften. Als eine in diesem Sinn nützliche Funktion beeinhaltet die staatliche Monopolisierung von Recht und Sicherheit die Aufgabe der Position eines Willkürstaates, der sich in seinem Handeln an keinerlei Regeln bindet und sich allein dem Diktat seiner Launen unterwirft, und impliziert die Übernahme einer Rechtsstaatsposition (oder besser: der Position eines verrechtlichten Staates): ohne seinen Sonderstatus gegenüber Privatrechtssubjekten aufzugeben, der ihm an deren Eigentum Obereigentum verleiht (weil er das Recht, zwangsweise Enteignungen vornehmen zu dürfen, umfaßt) knüpft der Staat in seiner Rolle als Rechts- und Sicherheitsmonopolist im Privatrechtsverkehr an faktisch als gültig anerkannte Privatrechtsnormen an (und stiftet damit Nutzen) und bindet sich in seiner Politik insoweit, als er demgegenüber nur solche Änderungen durchzusetzen verspricht, die ausdrücklich statuiert worden sind; und die nicht allein sein Einkommen steigern oder stabilisieren sollen, sondern die als Änderungen des Privatverkehrsrechts zugleich publikumswirksame Umverteilungen von rechtlich gesicherten Handlungsmöglichkeiten von einer auf eine andere Personengruppe darstellen.