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3.1.3. Demokratisierung

I.
II.
III.

II.

[S.155] Bezeichnenderweise sind die letzten zwei Jahrhunderte, die in fast universellem Maßstab die Ablösung des monarchisch-autokratischen Staats durch den demokratischen gebracht haben, auch derjenige historische Abschnitt, der ein zuvor nie erlebtes Wachstum des Staates als eines Unternehmens der Herrschaftsausübung mit sich gebracht hat.[FN84] In der Konkurrenz der Staaten untereinander um bestimmte Bevölkerungen, wie auch im Kampf eines gegebenen Staats gegen internen Widerstand, hat sich der demokratische Staat als die ‚überlegene’ Herrschaftsvariante [S.156] systematisch durchgesetzt, und autokratische Regime zur aussterbenden Art von Staaten werden lassen: ceteris paribus verfügt der demokratische Staat über ein relativ erhöhtes Einkommen und wird sich im Kampf mit anderen autokratischen Staaten (langfristig) als überlegen erweisen; und ceteris paribus ist der demokratische Staat dem autokratischen in der Verarbeitung internen Widerstands überlegen: es gelingt öfter, eine Autokratie durch Demokratisierung zu retten, als umgekehrt eine Demokratie durch Autokratisierung (der Ablauf der geschichtlichen Ereignisse bestätigt insofern nur, daß die ceteris im großen und ganzen tatsächlich paribus waren und sind!).

Das Opfer, das staatlicherseits erbracht werden muß, um im Kampf ums staatliche Dasein überleben zu können, und auch der Verzicht, den eine Vielzahl von Staats-Unternehmen um den Preis des eigenen Untergangs nicht zu üben bereit war, besteht darin, persönliche Herrschaft aus Rücksicht auf das Unternehmen aufzugeben, und entpersönlichten, anonymisierten Mehrheiten die Herrschaft zu überlassen. Der Gewinn ist freilich nicht mehr nur Überleben als Staat; der Gewinn ist das Vorstoßen zu neuen Ufern auf dem Weg der Maximierung des Staatseinkommens. Weil die Demokratie Herrschaft erträglicher erscheinen läßt, indem sie jedermann an der Herrschaft teilhaben läßt, wenn er will, kann der demokratische Umverteilungsstaat sich zu einem Unternehmen von in der Geschichte nie dagewesener Größe entwickeln. Nicht nur hinsichtlich seines absoluten Einkommensniveaus ist er so reich wie nie ein Staat zuvor; gerade auch hinsichtlich des relativen Anteils des Staatseinkommens und -vermögens am Volkseinkommen bzw. -vermögen insgesamt, wie auch des relativen Größenverhältnisses von Staat einerseits und einzelnen Privatrechtsunternehmungen andererseits, hat der demokratische Staat neue Maßstäbe setzen können (weil er durch seine Politik nachträglicher Mehrheitsrevisionen immer nur (jedenfalls ex ante) populäre Aneignungen vorzunehmen verspricht, wenn er das eigene Einkommen auf Kosten bestimmter Privatrechtssubjekte erhöht).[FN85]