Home Kontakt Sitemap Impressum

3.2.2.2. Umverteilung: verstaatlichte Produktion

I.
II.
III.

III.

[S.177] Schließlich verschärft eine Verstaatlichung der Güterproduktion die relative gesellschaftliche Verarmung drittens dadurch, daß es (neben der Tatsache der Fehlallokation von Faktoren, und neben der Tatsache ihrer Nutzung unter Produktqualität weniger stark betonender Anreizstrukturen) in ihrer Folge unvermeidlich zu einer in zweifacher Hinsicht bedeutsamen Überbeanspruchung dieser Faktoren und einer entsprechenden Verringerung des gesellschaftlichen Bestands an dauerhaften Gütern kommt.

Betrachtet man zunächst erneut das normale Privatrechtsunternehmen, so ergibt sich hinsichtlich seiner Faktorennutzung dies: Als Eigner von Faktoren und der mit Hilfe der Faktoren hergestellten Endprodukte besteht das Unternehmenseinkommen (i. w. S.) aus zwei Bestandteilen: zum einen aus dem laufenden Einkommen, das aus dem Verkauf der Endprodukte erzielt wird, und zum anderen aus dem (im Falle eines Verkaufs in laufendes Einkommen urnwandelbaren) Vermögensbestand, den die Faktoren darstellen. Wie immer die Repräsentanten des Unternehmens diese beiden Elemente ihres Einkommens im einzelnen bewerten, und [S.178] wie immer sich die Gewichtung beider im Zeitverlauf ändern mag: solange sie im angegebenen Sinn doppelter Eigner sind, solange erfahren beide Einkommensbestandteile eine positive Wertschätzung, und ein Rückgang in jeder der beiden Einkommensdimensionen wird als Verlust eingestuft und entsprechend zu vermeiden gesucht. Bedenkt man den Umstand, daß jeder Produktionsakt grundsätzlich beide Einkommensdimensionen berührt: einerseits wird die Produktion durchgeführt, um ein laufendes Einkommen zu erzielen, und andererseits impliziert jeder Produktionsakt den Verbrauch, die Abnutzung der zur Herstellung gegebener Endprodukte eingesetzten Produktionsfaktoren, so ergibt sich, daß jedes Unternehmen bei der Nutzung von Faktoren zu gegebenen Zwecken von daher ständig darum bemüht sein wird, die durch eine bestimmte Nutzungsintensität entstehenden Grenzkosten (d. i. die Höhe der Vermögensabschreibungen) nicht größer sein zu lassen als den für das entsprechende Grenzprodukt erzielbaren Preis (andernfalls wären die aus dieser Nutzung resultierenden Vermögensverluste größer als die Verbesserungen hinsichtlich des laufenden Einkommens).

Dieses aus der doppelten Eigentümerschaft resultierende Bewertungs- und Entscheidungskriterium ist (wie schon betont: zwangsläufigerweise) wieder nur ein Ex-post-Kriterium; wieder ist es aber auch eine objektive Größe, deren jeweiliger Meßwert, weil er ex-post in den Büchern eines Unternehmens ausgewiesen werden kann, im Prinzip von jedermann unzweideutig hinsichtlich seines Realitätsgehalts verifiziert werden kann. Mit der Institutionalisierung dieses Kriteriums wird dafür gesorgt, daß immer wieder erneut festgestellt werden kann, ob und in welchem Ausmaß in der Vergangenheit bei der Produktion zukünftiger Güter mit bereits existierenden Vermögenswerten sparsam umgegangen worden ist oder nicht; und die mit der Doppeleigentümerschaft etablierte Anreizstruktur sorgt dafür, daß man auch bei zukünftigen Produktionsentscheidungen, gerade auch dann, wenn, wie vorausgesetzt, die Art der Nutzung der Produktionsfaktoren (aber nicht die Nutzungsintensität!) gegeben ist (was nicht selten allein wegen einer begrenzten Konvertibilität existierender Faktoren der Fall ist), immer um einen in dem Sinn weitsichtigen Umgang mit existierenden Produktionsgütern bemüht sein wird, als man die zukünftige monetäre Bewertung der zu produzierenden Güter und der bereits vorhandenen Faktoren insgesamt zu maximieren (bzw. Verlust zu minimieren) sticht und auf diese Weise einen positiven Beitrag zur Vermehrung und Erhaltung des gesellschaftlichen Güterbestands leistet (ob man dies bewußt will oder nicht).

Für das normale Privatrechtsunternehmen bedeutet dieser Zwang zur Weitsichtigkeit im Umgang mit existierenden, zu gegebenen Zwecken eingesetzten Produktionsfaktoren vor allem, daß es die Nutzungsintensität nicht von der aufgrund technischer Experimente feststellbaren Grenze der physischen Produktivität eines Faktors abhängig machen kann, sondern von der Richtung und vor allem: dem Zeitpunkt der für die mit Hilfe des Faktors hergestellten Produkte antizipierten Preisbewegungen. Während bei für innerhalb des Zeitraums einer gegenwärtigen Produktionsperiode antizipierten Veränderungen von Produktpreisen (die an sich natürlich für ein Unternehmen von Vor- oder Nachteil sind und seine Allokationsentscheidungen berühren) keine veränderte Nutzungsintensität gegebener Faktoren [S.179] geboten ist (steigen nämlich die Produktpreise, so steigen ceteris paribus auch die Preise der entsprechenden Produktionsfaktoren (,Kapitalisierung antizipierter Gewinne’), und auch die durch eine gegebene Nutzungsintensität verursachten Grenzkosten erhöhen sich; und fallen sie, so kommt es zu einem Fall auch der Faktorpreise (‚Kapitalisierung antizipierter Verluste’) und mithin zu einem Absinken der mit ihrer Nutzung entstehenden Grenzkosten), sind derartige Preisänderungen für die Frage der Nutzungsintensität bedeutsam, wenn sie für einen Zeitpunkt erwartet werden, der (über die gegenwärtige Produktionsperiode hinausgehend) in einer entfernteren Zukunft liegt. Werden diesbezügliche Erhöhungen von Produktpreisen erwartet, so muß es zu einem sparsameren, d. i. die Nutzungsintensität verringernden Umgang mit den entsprechenden Produktionsfaktoren kommen, denn deren Preis, und mithin auch die Grenzkosten einer gegebenen Nutzung, erhöht sich damit unmittelbar (,Kapitalisierung’), während sich die für die laufende Produktionsperiode erzielten Preise noch unverändert auf einem relativ niedrigeren Niveau befinden. Und umgekehrt, erwartet man für eine fernere Zukunft einen Preisverfall, so muß es (um den Preis der Vermeidung von Verlusten) unverzüglich zu einer Steigerung der Nutzungsintensität der Produktionsfaktoren kommen, denn während die Produktionsfaktoren den Preisverfall sofort kapitalisieren und die Grenzkosten einer gegebenen Nutzungsintensität entsprechend fallen, sind die in der gegenwärtigen Produktionsperiode erzielbaren Preise noch unverändert relativ hoch, und die Produktionsfaktoren für einen späteren Einsatz aufzusparen, wie im zuerst analysierten Fall, wäre von daher ökonomisch unsinnig.

Außerdem: Neben dem Zwang zur Weitsichtigkeit bei der Verfolgung eigener Produktionspläne ergibt sich aus der privaten Eigentümerschaft von Produktionsfaktoren (die das Recht umfaßt, sie zu verkaufen und in laufendes Einkommen umzuwandeln) das unmittelbare Interesse einer Unternehmensführung daran, jeden Wertverlust dieses Eigentums, wie er z. B. aufgrund unaufgeforderter Eingriffe in dessen physische Integrität eintreten kann, zu unterbinden, und für die rechtliche Verfolgung solcher parasitären Faktorabnutzungen durch den Abschluß von Versicherungen o. ä. Vorsorge zu tragen.

Vergleicht man mit der Stellung eines normalen Privatrechtsunternehmens hinsichtlich der Frage der Nutzungsintensität von Produktionsfaktoren bei gegebener Nutzungsart die eines in staatlicher Regie befindlichen Unternehmens, so ergeben sich bedeutsame Veränderungen. Bereits die Position eines Unternehmens, das sich in den Händen z. B. der Repräsentanten einer erblichen Monarchie o. ä. befindet, stellt diesbezüglich einen Wandel dar; denn zwar könnten auch sie die Produktionsfaktoren veräußern und sich das dabei erzielte laufende Einkommen privat aneignen, und ebenso wie im Fall von Privatrechtssubjekten hätten auch sie das Recht, Eigentum an Produktionsmitteln an von ihnen bestimmte Nachfolger zu vererben; aber als ein Unternehmen, dem das Recht auf Selbstsubventionierung zustünde, wäre der erörterte Druck zu einem weitsichtigen, zukunftsorientierten Umgang mit existierenden Produktionsfaktoren erheblich herabgesetzt, und der Anreiz erhöht, die Nutzungsintensität gegebener Faktoren in gegebenen Verwendungen bis an die Grenze der physischen Produktivität hin auszudehnen und sein laufendes Einkom- [S.180] men auf diese Weise zu erhöhen, weil man die langfristigen Kosten einer solchen, unökonomischen Faktorausnutzung, bei der die Grenzkosten über den Preisen des Grenzprodukts liegen, externalisieren, d. i. durch zusätzliche Besteuerung auf andere Personen abwälzen könnte.

Noch ausgeprägter wird die Tendenz, wenn mit der Verstaatlichung der Produktion das Eigentum an den Produktionsmitteln nicht an eine mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattete Privatperson (die es dann wie Privateigentum behandeln kann) fällt, sondern statt dessen, wie im Zeitalter der parlamentarischen Demokratien und der Parteidiktaturen in universellem Maßstab üblich, sogenanntes öffentliches Eigentum wird. In diesem Fall hat die Unternehmensleitung (Regierung/Parlament/Diktator) zwar das Recht, aus der Nutzung von Produktionsfaktoren ein laufendes Einkommen zu beziehen, und sie hat auch das Recht, Art und Intensität der Nutzung festzulegen, einschließlich der Befugnis, die Produktionsmittel wieder an private Hände zu verkaufen; sie ist aber nicht berechtigt, den aus einem solchen Verkauf erzielten Erlös privat anzueignen oder die Produktionsfaktoren in Erbfolge weiterzugeben.

Die Gewichtigkeit der Gründe, sich um einen weitsichtigen Umgang mit Produktionsfaktoren zu bemühen, bei dem das laufende Einkommen nicht auf Kosten einer Reduzierung existierender Vermögenswerte gesteigert wird, sondern bei dem die Summe von laufendem Einkommen plus monetär bewertetem Produktionsvermögen zu maximieren ist, sinkt damit auf ein denkbar niedriges Niveau ab. Denn wenn man zwar das Recht hat, den Erlös aus der laufenden Produktion privat anzueignen, wenn aber die bei gegebener Nutzungsart aus einer bestimmten Nutzungsintensität resultierenden Gewinne oder Verluste an Vermögenswerten (wie sie im Fall eines Verkaufs sichtbar, monetär in Erscheinung treten würden) nicht privat angeeignet werden dürfen, sondern sozialisiert werden müssen, dann wird man in relativ verstärktem Maß dazu neigen, seine laufenden Erlöse auf Kosten von Vermögensverlusten zu steigern (und das ist solange möglich, solange die Grenze der physischen Produktivität eines gegebenen Produktionsfaktors noch nicht erreicht ist und dessen intensivierte Nutzung noch ein zusätzliches physisches Produktionsresultat erbringt!). Warum sollte man z. B. wegen einer für eine entferntere (über die gegenwärtige Produktionsperiode hinausreichende) Zukunft erwarteten Produktpreiserhöhung die Intensität der gegenwärtigen Faktornutzung herabsetzen und Ressourcen sparen (wie im unmittelbaren Interesse eines Privatunternehmens!), wenn man doch den Vorteil einer solchen Handlungsweise (den relativ höheren Vermögenswert der Ressourcen) nicht für sich genießen könnte (sondern mit der restlichen Personenwelt teilen müßte), statt dessen durch dies Vorgehen aber das eigene laufende Einkommen verringerte (und es doch steigern könnte, würde man die Nutzungsintensität der Faktoren, ungeachtet aller antizipierten Preisbewegungen, bis an die physische Produktivitätsgrenze treiben)?! Sind die Leiter verstaatlichter Produktionsbetriebe nicht Übermenschen, sondern normale Personen mit normalem Interesse am eigenen Wohlergehen, so muß eine relative Verringerung des gesellschaftlichen Kapitalbestandes, und damit des Wohlstands an zukünftigen Gütern, als absolut unvermeidbare Konsequenz jeder Vergesellschaftung von Pro- [S.181] duktionsmitteln gelten. Die Institutionalisierung von sogenanntem öffentlichen Eigentum ist nichts anderes als die Etablierung einer Anreizstruktur des ‚take it and run’!

Und auch bezüglich der zweiten angesprochenen Problematik kommt es infolge einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu einem Prozeß relativ zunehmender Kapitalaufzehrung und entsprechender gesellschaftlicher Verarmung. Denn solange die von anderen Parteien ausgelösten, die physische Integrität öffentlichen Eigentums verändernden externen Effekte nicht unmittelbar das aus der gegenwärtigen wirtschaftlichen Nutzung dieses Eigentums erzielbare laufende Einkommen (negativ) berühren, solange eine Abwehr solcher Effekte im übrigen für die Unternehmensleitung mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre und man hoffen kann (sollte man dann überhaupt noch in Amt und Würden sein!), die langfristig durch ihre Duldung manifest werdenden Einkommensverluste durch zusätzliche Besteuerung seinerseits externalisieren zu können, solange gibt es für die Leitung eines im öffentlichen Besitz befindlichen Produktionsunternehmens kein direktes, dem von Leitern privater Unternehmungen vergleichbares Interesse an der Unterbindung entsprechender Übergriffe (da doch die Kosten des Geschehenlassens nicht privat getragen werden müßten, sondern sozialisiert würden) und solange nimmt, entsprechend der Wahrnehmung dieses fehlenden Interesses seitens anderer Personen, die Tendenz bei diesen anderen Personen zu, eigene Kosten durch Übergriffe gegen öffentliches Eigentum zu externalisieren.

Für jedermann, der nicht von Blindheit geschlagen ist, liegt die empirische Bestätigung dieser Aussage unmittelbar zutage: es ist vor allem öffentliches Eigentum (öffentliche Gebäude, Straßen, Seen, Flüsse, Meere, Luft), das sich durch vergleichsweise miserable Instandhaltung und durch ein besonderes Ausmaß der Verschandelung auszeichnet; und es ist, nimmt man statt einer nationalen eine übernationale Betrachtungsperspektive ein, das Produktionsvermögen gerade in den sogenannten sozialistischen (weit mehr noch als in den sogenannten kapitalistischen) Gesellschaften, das sich durch einen besonders ausgeprägten Grad der Verkommenheit auszeichnet![FN104]