Home Kontakt Sitemap Impressum

3.2.3. Demokratisierung

I.
II.
III.
IV.

III.

[S.186] Damit nicht genug! Ein Prozeß zunehmender Demokratisierung impliziert eine Umformung der gesellschaftlichen Charakterstruktur, die dem Wohlstand der Nationen zunehmend weniger förderlich ist. Denn nicht nur bewirkt zunehmende Demokratisierung, daß Personen insgesamt gesehen einfach nur häufiger und länger in der unproduktiven und im Hinblick auf den Prozeß der Güterproduktion und erhal [S.187] tung disruptiven Sozialrolle politischen Handelns zubringen. Vor allem wird durch den Vorgang zunehmender Demokratisierung eine veränderte Anreizstruktur im Hinblick auf den Prozeß der sozialen Evolution geschaffen. Durch sie werden zukünftig relativ verstärkt solche Persönlichkeitsvarianten im Wettbewerb um knappe Ressourcen begünstigt, die über relativ überlegene Fähigkeiten auf dein Gebiet der politischen Chancenwahrnehmung und durchsetzung verfügen. Die Wahrnehmung der Chancenumverteilung zugunsten politischen Handelns seitens der sozialen Akteure bewirkt, daß Personen zunehmend politisiert werden, d. i. zunehmende Anteile ihrer Persönlichkeit mit Politik beschäftigen; und die veränderte Anreizstruktur führt dazu, daß solche Personen, die über die größeren Talentreserven auf dem Feld politischen Handelns verfügen, zunehmend erfolgreicher im Wettbewerb um knappe Ressourcen abschneiden.

Nur derjenige kann sich dem aus zunehmender Demokratisierung resultierenden Zwang zur Politisierung der Persönlichkeit entziehen, der gegenüber drohenden Einkommens
oder Vermögensverlusten unempfindlich ist (wie weitgehend, aber bezeichnenderweise auch nicht grenzenlos: der bedürfnislose Asket). Wer sich dagegen im Wettbewerb um irgendwelche knappen Ressourcen mit anderen Personen befindet, und wer sich darin erfolgreich behaupten will, unterliegt ihm: er muß sich infolge der Erweiterung der Chancen demokratischer Einflußnahme politisieren, indem er sich entweder zunehmend am Prozeß der Planung, Propagierung und Durchsetzung von Maßnahmen beteiligt, mit denen sich eine Personengruppe auf Kosten einer anderen zwangsweise bereichert, oder indem er sich zunehmend mit Problemen der Analyse und Abwehr solcher zunehmenden, durch die Demokratisierung begünstigten, Bedrohungen und Angriffe beschäftigt; und er wird umso erfolgreicher im Wettbewerb mit anderen sein, je ausgeprägter seine Talente auf dem zunehmend wichtigeren Gebiet politischen Handelns sind, d. i. je besser er versteht, Mehrheiten zu mobilisieren, Koalitionen und Bündnisse zu formen, mehrheitsbeschaffende Kompromisse zu schließen, oder je besser er politische Ereignisse zu antizipieren vermag, um rechtzeitig mehrheitsbeschaffende Gegenmaßnahmen treffen zu können.

Das Ergebnis sozialer Evolution unter einer zugunsten politischer Handlungschancen veränderten Anreizstruktur ist, daß immer mehr Personen immer mehr Mittel in die Entwicklung ihrer politischen Talente investieren und die Entwicklung konkurrierender Persönlichkeitstalente umgekehrt immer mehr vernachlässigen. Weil immer mehr gilt ‚Wer erfolgreich sein will, muß politisch sein’ wird man, dem Wunsch zum Erfolg entsprechend, zur politisierten Persönlichkeit. In jeder Statusdimension, in der Personen um knappe Ressourcen gegebener Art konkurrieren, sind zunehmend die in den höheren und höchsten Positionen zu finden, die ihren Rang einem überlegenen politischen (aber keinem überlegenen anderen) Talent verdanken; und man trifft (auch im außerstaatlichen Bereich) auf zunehmende Fälle von Personen, die in der Konkurrenz um Ressourcen (Stimmen, Geld, Güter, Arbeitsplätze) und damit zusammenhängenden Status erfolgreicher als ihre Mitbewerber sind, nicht weil sie sich hinsichtlich irgendwelcher anderen relevanten Leistungen auszeichneten, sondern weil sie über überlegene Fähigkeiten auf [S.188] dem Gebiet der Mehrheitsmobilisierung und Kompromissierung zuungunsten bestimmter Minderheiten verfügen, oder über überlegene Fähigkeiten, solche politischen Vorgänge rechtzeitig zu erkennen sowie Abwehrmaßnahmen zu konzipieren, einzuleiten und durchzusetzen: selbst in der Hierarchie der wirtschaftlichen Unternehmer (und das ist in diesem Zusammenhang bezeichnend) tauchen zunehmend solche Personen an der Spitze auf, deren Verdienst nicht in besonderer Leistungsfähigkeit auf dem Gebiet unternehmerischen, von ausschließlich wirtschaftlichen Mitteln gebrauchmachenden Handelns besteht, sondern darin, daß sie ,Politiker’ sind, d. i. Personen mit besonderen Talenten auf dem Gebiet der Organisierung von Angriffs- oder Verteidigungsmaßnahmen im Rahmen staatlicherseits eröffneter politischer Teilnahmechancen.

Kaum etwas anderes kann dem Wohlstand der Nationen aber so schaden wie ein Wandel ihrer Persönlichkeitsstruktur, zumal auch bei ihren wirtschaftlichen Unternehmern, bei dem die produktiven und konsumtiven Fähigkeiten gegebener Personen zunehmend zugunsten der Entwicklung und Förderung politischer Fertigkeiten vernachlässigt werden, und bei der Personen infolge dieser Persönlichkeitsspezialisierung zunehmend dazu neigen, beim Auftreten beliebiger Mangelzustände nicht mehr zu fragen, ‚Wie kann ich mich meinerseits allein oder im Rahmen zweiseitig freiwilliger Kooperation aus dieser Lage befreien, ohne in die Rechte Dritter einzugreifen’, sondern stattdessen ‚Wie kann ich mich durch Mobilisierung von Mehrheiten gegen irgendwelche Minderheiten aus meiner Lage befreien?’. Denn Produktion und Vermögensbildung sind zukunftsorientierte Tätigkeiten, sie würden zum Erliegen kommen, gäbe es keine Zukunft mehr. Die im Zuge zunehmender Demokratisierung zunehmend geförderte Mentalität aber (juristisch gesehen die Entrechtlichung bzw. Politisierung des Privatrechts) bedeutet in ökonomischer Hinsicht genau dies: ein um zusätzliche Rechtsunsicherheiten und Konfliktchancen erhöhtes Risiko im Zusammenhang mit jeder in Erwartung zukünftiger Erträge getätigten gegenwärtigen Investition. Folglich werden Investitionen sinken; und mit sinkenden Gegenwartsinvestitionen sinkt der zukünftige Wohlstand an Produktions- und Konsumgütern.