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Die Essenz der Wiener Schule der Ökonomie und ihre Relevanz für heute

Einführung
Carl Menger / Die Wertlehre
Böhm-Bawerk und Wieser / Sparen statt Konsum
Ludwig von Mises / Geld- und Konjunkturtheorie
Friedrich A. von Hayek / Vom Mainstream zum Nischenprogramm

Carl Menger / Die Wertlehre

Carl Menger

Der Begründer der Wiener Schule, Carl Menger
wurde 1840 im galizischen Neu-Sandez (heute in Polen) als Edler von
Wolfesgrün geboren. In Wien gründete er nach journalistischer und
literarischer Tätigkeit das Wiener Tagblatt und arbeitete schließlich
für die Wiener Zeitung, jenes staatliche Organ, das bis heute überlebt
hat. 1871 wurden seine Grundsätze der Volkswirthschaftslehre erstmals veröffentlicht und stellen das Gründungsdokument der Wiener Schule dar – eine veritable Revolution in der Ökonomie.

Was
war so revolutionär an Mengers Zugang, daß er schulbildend wurde – und
was bleibt? Seine Grundsätze beginnen mit dem starken Satz: „Alle Dinge
stehen unter dem Gesetze von Ursache und Wirkung.“ Dieser Satz steht
paradigmatisch für Mengers kausalrealistischen Zugang. Als Journalist
hatte er ökonomische Phänomene in der Realität beobachtet und ihm war
aufgefallen, daß die bestehende Theorie nicht ausreichte, um diese zu
erklären. Insbesondere die Preis- und Werttheorie war mangelhaft. Die
Bodenständigkeit des Journalisten und vermutlich seine aristotelische
Prägung ließen Menger die Ökonomie wieder auf eine realistische
Grundlage führen. Ebendiese Grundlage erkannte er in den menschlichen
Handlungen. Objektive Marktphänomene wie die Ausbildung von Preisen
waren kausal aus den subjektiven Wertungen der Marktakteure zu
erklären. Dies scheint naheliegend, doch ist es nicht. Die deutsche
Ökonomie war damals stark durch hegelianisches Denken geprägt, was
letztlich im „Historismus“ zur Leugnung jeder ökonomischen
Gesetzmäßigkeit führte. Die klassische, angelsächsische Ökonomie
hingegen mit ihrer empirisch-calvinistischen Prägung suchte die
Grundlagen in Aggregaten und „objektiv“ meßbaren Größen wie Arbeitszeit
und Kosten.

Heute wiederum dominiert der Relativismus und
Konstruktivismus das Denken, was eigentlich gar keinen Platz für
Erkenntnis mehr läßt. Mengers Wirken fiel nicht zufällig mit dem
Aufkommen der Phänomenologie in der Philosophie zusammen; auch dieser
von Edmund Husserl, einem Schüler von Franz Brentano, welcher manchen auch als Vorläufer Carl Mengers
gilt, geprägte Zugang zeichnet sich durch eine Neuorientierung an der
Realität aus – in einer Zeit, in der diese Realität als unbequemes
Korrektiv eines idealistisch-utopischen Zeitgeistes aus der Mode
gekommen war.

Die Wertlehre

Zunächst nimmt sich Menger kaum als Revolutionär wahr, will er doch bloß die Lücken der klassischen Ökonomie nach Adam Smith und David Ricardo
stopfen. Das Wertproblems harrte noch einer Lösung: Ließe es sich
mittels einer einheitlichen Theorie erklären, warum etwas so Nützliches
wie Wasser einen so geringen Tauschwert und etwas so Unnützes wie
Diamanten einen so hohen hat? Eine einheitliche Wert- und Preistheorie
würde wiederum einen theoretischen Ordnungsrahmen für ein besseres,
d.h. realistischeres Verständnis der Geschichte anbieten und wäre damit
auch dem damals in deutschen Landen dominante Historizismus dienlich
gewesen. So widmete Menger sein Hauptwerk auch Wilhelm Roscher, dem
ehrwürdigen Begründer der Historischen Schule. Ein tiefgehendes
theoretisches Verständnis sollte es schließlich erlauben, besser zu
verstehen, woher Wohlstand kommt und was zu höherem Wohlstand führt.
Menger formulierte diese Problemstellung mit der Frage nach den
„Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt des Menschen“.

Diese Formulierung erinnert an Adam Smiths berühmte Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations,
doch unterscheidet sich in zwei wichtigen Punkten davon, die kaum
Zufall sind: Erstens nimmt Menger den einzelnen Menschen zum
Ausgangspunkt seiner Überlegungen. An die Stelle der merkantilistischen
Perspektive auf die „Volkswirtschaft“ oder „Nationalökonomie“, die so
dominant war, daß sie die Begriffe prägte, die auch die Vertreter der
Wiener Schule aufgrund deren Geläufigkeit nutzten, tritt ein humaner
Zugang, der sich am persönlichen Handeln und den persönlichen Zielen
der Menschen orientiert. Deren Verschiedenheit geht nicht in
Kollektivgrößen unter, sondern stellt den Ausgangspunkt des
Verständnisses dar. Zweitens drückt „fortschreitende Wohlfahrt“ im
Gegensatz zum „Wohlstand“ sehr deutlich die dynamische Perspektive aus.

Mengers
Ansetzen bei menschlichen Zielen wird meist als „Subjektivismus“
bezeichnet, die eigentliche Bedeutung liegt dabei in der Beachtung des
freien Willens der Menschen. Hätten wir keinen freien Willen, wären
unsere Handlungen stets aus der Vergangenheit determiniert: Vergangenes
würde Gegenwärtiges bestimmen. Dann könnten wir die Produktion rein aus
dem erklären, was gegeben ist; mein produktiver Akt ließe sich dann
über meine Kindheit, meine Umwelt, meinen Leib erklären. Damit gäbe es
aber weder Verantwortung, noch Freiheit.

Mittels einer sehr
genauen Analyse, wie subjektive Entscheidungen zur Bewertung eines
konkreten Gutes führen, konnte Carl Menger das Wertparadoxon lösen.
Wert ist keine objektive, den Dingen eigene Sache, sondern das Ergebnis
eines subjektiven Wertungsaktes. Wir werten durch unser Handeln
allerdings niemals abstrakte Güterklassen im Ganzen („das Wasser“ oder
„die Diamanten“), sondern stets konkrete Gütereinheiten. Das konkrete
Glas Wasser, das wir wählen, ist immer das letzte, das wir zusätzlich
wählen, oder das erste, das wir aufgeben. Dieser Gedanke, daß
Handlungen stets „an der Grenze“ stattfinden, nennt man Marginalismus –
zusammen mit dem Subjektivismus löst dieser Zugang das Wertparadoxon
auf.

Dies ist von großer Bedeutung, denn so lassen sich
zahlreiche Irrtümer der klassischen Ökonomie, auf der beispielsweise
auch das Denken von Karl Marx beruht, auflösen. Das menschliche Subjekt
als Ausgangspunkt der Ökonomie wiederum begründet eine personale,
humane Wissenschaft, die ein realistisches Menschenbild zulassen würde.
Beginnend mit Menger ist so die Ökonomie der Wiener Schule stets
Sozialwissenschaft. Menger hat ein ungewöhnlich breites Verständnis von
Ökonomie und ist weit entfernt vom heute gängigen, reduzierenden
Ökonomismus. Eigentlich wollte er als Ergänzung ein Werk über die
Grundsätze der Soziologie publizieren, doch kam er nicht mehr dazu.
Mengers Bibliothek zählte so mehr als 1.000 ethnologische Titel. Sein
Verständnis von gesellschaftlichen Institutionen ist ebenfalls
wegweisend: Er prägt die Theorie der „spontanen Ordnung“, und vermag es
so, das Entstehen der wichtigsten Institutionen zu erklären.

Mengers
ökonomischer Zugang ist auch und gerade für heutige Verhältnisse noch
revolutionär: Bei ihm spielen Wissen, Ungewißheit und Zeit zentrale
Rollen. Seine dynamische Perspektive geht von einem Marktprozeß aus,
nicht von stationären Zuständen. Auch für die Unternehmertheorie, jenen
von der klassischen Ökonomie absurderweise meist stiefmütterlich
behandelten Themenbereich, lieferte er wesentliche Anregungen. In
seiner Erklärung des Unternehmers skizzierte Menger zwei wesentliche
Aspekte, die schließlich von seinen Nachfolgern weiterentwickelt werden
sollten. Kurz können wir diese zwei Aspekte der Unternehmerfunktion als
„Wissen“ und „Willen“ zusammenfassen. Der Unternehmer benötigt, trägt
und schafft ein ganz spezifisches Wissen, und ihm obliegt die
Entscheidung über den Produktionsprozeß, die aufgrund ihrer
Irreversibilität und Ungewißheit einen besonderen Willensakt
persönlicher Verantwortung erfordert.

Leider ist sein
schriftliches Werk nicht besonders umfangreich geraten, doch der Grund
dafür ist ein günstiger: Menger widmete sich vorwiegend der Begründung
einer Schule, als hochbegabter und -geschätzter Lehrer brachte er
unzählige Schüler hervor. So wirkte er an 17 Habilitationen mit.