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Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)

Inhalt.
Einleitung.
I. Der Ausgang der Inflation.
II. Die Loslösung des Geldes von der staatlichen Wertbeeinflussung.
III. Die Rückkehr zum Golde.

I. Der Ausgang der Inflation.

(4) Wird an der Übung, den Abgang im öffentlichen Haushalte durch Neuausgabe von Noten zu bedecken, festgehalten, dann muß unfehlbar früher oder später der Tag kommen, an dem das Geldwesen der Staaten, die dieses Verfahren einschlagen, ganz zusammenbricht. Die Kaufkraft des Geldes wird immer mehr und mehr sinken, sie wird schließlich ganz schwinden. Man könnte sich zwar vorstellen, daß der Prozeß der Geldentwertung sich ins Endlose fortsetzt. Die Kaufkraft wird immer kleiner, ohne je ganz zu verschwinden; die Preise steigen immer mehr und mehr, doch immer bleibt es noch möglich, gegen Noten Waren einzutauschen. Man gelangt schließlich dazu, auch im Kleinverkehr mit Milliarden und mit Billionen und dann mit noch höheren Beträgen zu arbeiten; doch das Geldsystem selbst bleibt bestehen. Aber das ist eine Vorstellung, der die Wirklichkeit kaum zu entsprechen vermag. Dem Verkehr wäre durch ein Geld, das immerfort im Werte sinkt, auf die Dauer nicht gedient. Als standard of deferred payments kann man es nicht verwenden. Für alle Umsätze, bei denen Geld und Ware oder Dienstleistung nicht Zug um Zug getauscht werden, müßte man sich nach einem anderen Vermittler umsehen. Doch auch für Bargeschäfte wird das sich immer weiter entwertende Geld unbrauchbar. Jedermann wird bestrebt sein, seinen Kassenbestand, an dem er beständig Verluste erleidet, so gering als möglich zu halten; einfließendes Geld wird so schnell es geht fortgegeben werden, und in den Käufen, die abgeschlossen werden, um an Stelle des im Werte schrumpfenden Geldes wertbeständigere Güter einzutauschen, werden schon höhere Preise bewilligt, als im übrigen den augenblicklichen Verhältnissen des Marktes angemessen wäre. Die letzten Monate haben im Deutschen Reiche ungefähr ein Bild davon gegeben, was sich abspielen müßte, sobald sich einmal in der Bevölkerung die Meinung festgesetzt hat, daß das Fortschreiten der Geldentwertung nicht mehr aufzuhalten sei. Wenn Waren, die man überhaupt oder zumindest im Augenblick nicht braucht, eingekauft werden, weil man die Noten nicht aufheben will, dann hat bereits der Prozeß begonnen, der die Noten aus der Verwendung als allgemein gebräuchliches Tauschmittel hinausdrängt. Es ist der Anfang der „Demonetisierung“ der Noten.  Der panikartige Charakter, der dem Vorgange (5) anhaftet, müßte seinen Verlauf abkürzen. Es kann einmal, zweimal, vielleicht auch dreimal und viermal gelingen, die aufgeregten Massen zu beschwichtigen; schließlich aber kann die Sache bis zum Ende ablaufen, und dann gibt es kein Zurück mehr. Wenn einmal die Geldentwertung so rasche Fortschritte macht, daß die Verkäufer fürchten müssen, selbst dann empfindliche Verluste zu erleiden, wenn sie mit der größten Eile wieder einkaufen, dann gibt es für die Währung keine Rettung mehr.

Man hat in allen Ländern, in denen die Inflation schnell fortschreitet, festgestellt, daß die Entwertung des Geldes rascher vor sich gehe als die Vermehrung seiner Menge. Wenn m die Nominalsumme des Geldes darstellt, die vor dem Beginne der Inflation im Lande vorhanden war, P den Goldwert, den die Geldeinheit damals hatte, M die Nominalsumme des Geldes, das in einem bestimmten Zeitpunkt der Inflation vorhanden ist, und p den Goldwert, den die Geldeinheit in diesem Zeitpunkt hat, dann ist, wie vielfach durch einfache statistische Untersuchungen ermittelt wurde,

m P > M p.

Man hat daraus folgern wollen, daß die Entwertung des Geldes zu schnell fortgeschritten und daß der Stand der Wechselkurse nicht „gerechtfertigt“ sei. Manche haben den Schluß gezogen, daß offenbar die Quantitätstheorie nicht richtig und die Geldentwertung nicht durch die Vermehrung der Geldmenge bewirkt sein könne. Andere wieder haben, die Quantitätstheorie in ihrer primitivsten Gestalt anerkennend, die Zulässigkeit, ja die Notwendigkeit einer weiteren Vermehrung der Geldmenge befürwortet, die so lange fortzugehen habe, bis der Gesamtgoldwert der im Lande befindlichen Geldmenge wieder auf die Höhe gebracht worden ist, die er vor dem Beginn der Inflation gehabt hatte, also bis

M p = m P.

Der Irrtum, der in all dem steckt, ist nicht schwer zu erkennen. Wir wollen dabei ganz davon absehen, daß, wie noch später auszuführen sein wird, der Valutenkurs der Börsen (damit auch das Metallagio) in den Anfängen der Inflation der in den Warenpreisen zum Ausdruck gelangenden Kaufkraft der Geldeinheit vorauseilt, so daß man nicht mit dem Goldwert operieren darf, sondern mit der vorläufig noch höheren Kaufkraft gegenüber den Waren. Denn auch diese Rech- (6) nung, in der P und p nicht den Goldwert, sondern die Kaufkraft den Waren gegenüber zu bedeuten hätten, würde in der Regel noch das Endergebnis

m P > M p

zeigen. Es ist vielmehr zu beachten, daß mit dem Fortschreiten der Geldentwertung allmählich der Geldbedarf (in bezug auf das in Rede stehende Geld) zu sinken beginnt. Wenn man desto größere Vermögenseinbußen erleidet, je länger man das Geld im Schrank liegen hat, trachtet man darnach, seinen Kassenbestand auf das niedrigste Maß herabzusetzen. Weil jeder einzelne, auch wenn sich seine Verhältnisse sonst nicht geändert haben sollten, nun seinen Kassenbestand nicht länger auf derselben Werthöhe erhalten will, den er vor Beginn der Inflation hatte, vermindert sich der Geldbedarf der ganzen Volkswirtschaft, der doch nichts anderes sein kann als die Summe des Geldbedarfes der Einzelwirtschaften. Dazu kommt, daß in dem Maße, in dem der Verkehr allmählich dazu übergeht, sich ausländischen Geldes und effektiven Goldes an Stelle der Noten zu bedienen, die einzelnen anfangen, einen Teil ihrer Reserven in fremdem Geld und in Gold und nicht mehr in Noten anzulegen. Bei der Beurteilung der deutschen Verhältnisse ist ferner noch besonders zu beachten, daß das Umlaufsgebiet der Reichsmark heute kleiner ist als 1914, und daß die Deutschen heute schon aus dem Grunde geringere Geldmittel benötigen, weil sie ärmer wurden. Alle diese den Geldbedarf herabdrückenden Umstände würden sich noch diel stärker geltend machen, wenn ihnen nicht auf der anderen Seite zwei Momente entgegenstehen würden, die den Geldbedarf erhöhen: die Nachfrage nach Marknoten, die von den ausländischen Valutaspekulanten ausgegangen ist und zum Teil noch heute ausgeht, und die Tatsache, daß die durch die allgemeine Wirtschaftszerrüttung bewirkte Verschlechterung der Zahlungstechnik caeteris paribus den Geldbedarf erhöht hätte.

Geld, dessen künftige Wertgestaltung ungünstig beurteilt wird, wird in spekulativer Vorwegnahme der zu erwartenden Kaufkraftverringerung niedriger bewertet, als dem augenblicklichen Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage entsprechen würde. Es werden Preise gefordert und gezahlt, die nicht der gegenwärtigen Höhe des Geldumlaufes und nicht dem gegenwärtigen Stande des Geldbedarfes entsprechen, sondern künftigen Tatsachen. Die Angstkäufe in den Läden, wo die Käufer sich drängen, um noch irgendein Stück zu ergattern, und die (7) Panikkurse der Börse, wo die Preise der Effekten, die nicht Anspruch auf feste Geldsummen darstellen, und der Valuten sprunghaft emporgetrieben werden, eilen der Entwicklung voraus. Für die Preise, die der vermuteten künftigen Lage des Angebots von Geld und der Nachfrage nach Geld entsprechen, ist aber im Augenblick nicht genug Geld voorhanden. So kommt es, daß der Verkehr unter dem Mangel an Noten leidet, daß zur Durchführung der abgeschlossenen Geschäfte nicht genug Noten zur Verfügung stehen. Der Marktmechanismus, der Gesamtnachfrage und Gesamtangebot durch Verschiebung des Austauschverhältnisses zur Deckung bringt, funktioniert für die Gestaltung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses nicht mehr. Im Spätherbste des Jahres 1921 konnte man dies in Österreich deutlich beobachten. Die Abwicklung des Geschäftsverkehres litt empfindlich unter dem Mangel an Noten.

Diesem Übelstand kann, wenn die Dinge einmal soweit gediehen sind, in keiner Weise abgeholfen werden. Wollte man, wie manche vorschlagen, die Notenausgabe noch mehr steigern, so würde man die Sache nur noch verschlimmern. Denn da die Panik dann noch wachsen würde, so würde das Mißverhältnis zwischen Geldentwertung und Geldumlauf noch verschärft werden. Der Mangel an Noten für die Bewältigung der Umsätze ist eine Erscheinung der weit vorgeschrittenen Inflation; er ist die Kehrseite der Angstkäufe und der Angstpreise, der Katastrophenhausse.

Diese Knappheit an Geld ist natürlich nicht mit dem zu verwechseln, was der Geschäftsmann unter Geldknappheit zu verstehen pflegt, mit dem Steigen des Zinssatzes für kurzfristige Anlagen. Die Inflation, deren Ende nicht abzusehen ist, bewirkt aber auch das. Da der alte, schon von David Hume und Adam Smith widerlegte Irrtum glaubt, man könne die Geldknappheit (im Sinne der Kaufmannssprache) durch Vermehrung der umlaufenden Geldmenge mildern, noch immer von der Menge geteilt wird, hört man immer wieder die Verwunderung darüber aussprechen, daß trotz des beständigen Anwachsens des Notenumlaufs Geldknappheit herrsche. Doch der Zinsfuß steigt nicht trotz, sondern gerade wegen der Inflation. Wenn mit dem Anhalten der Inflation zu rechnen ist, muß der Geldverleiher darauf gefaßt sein, daß die Geldsumme, die ihm der Schuldner nach Beendigung des Kreditverhältnisses zurückerstattet, geringere Kaufkraft darstellen wird als jene Summe, die er ausgeliehen hatte. Hätte er die Summe nicht tre- (8) ditiert, sondern dafür Waren, Effekten oder Valuten gekauft, so wäre er besser gefahren; er hätte entweder geringeren Verlust erlitten oder auch überhaupt jeden Verlust vermieden. Umgekehrt fährt der Schuldner dabei gut; wenn er für das geborgte Geld Waren kauft und nach einiger Zeit verkauft, dann bleibt ihm nach Abzug der zurückzuerstattenden Leihsumme ein Überschuß. Für ihn ergibt das Kreditgeschäft einen Gewinn, einen wirklichen Gewinn, keinen Inflationsscheingewinn. Es ist daher leicht zu verstehen, daß, solange auf Fortschreiten der Geldentwertung zu rechnen ist, die Geldverleiher höhere Zinsen verlangen und die Geldborger bereit sind, höhere Zinsen zu zahlen. Wo Gesetz oder Verkehrssitte dem Steigen des Zinssatzes entgegenwirken, wird der Abschluß von Kreditverträgen sehr erschwert; damit erklärt sich der Rückgang des Sparens jener Bevölkerungsschichten, für die das Kapitalbilden nur in der Gestalt der Geldeinlage bei Bankanstalten oder durch Ankauf von festverzinslichen Werten möglich ist.

Die Loslösung des Verkehrs von dem sich immer mehr als unbrauchbar erweisenden Gelde beginnt mit seiner Verdrängung aus der Hortung. Man fängt an, anderes Geld — etwa Edelmetallgeld, ausländische Noten (mitunter auch höher geschätzte, weil von staatswegen nicht vermehrbare Inlandsnoten, wie die Romanow-Rubel in Rußland oder das „blaue“ Geld im kommunistischen Ungarn), dann auch Barrenmetall. Edelsteine und Perlen, selbst Bilder, andere Kunstgegenstände und Briefmarken — anzuhäufen, wenn man für unvorhergesehenen künftigen Bedarf absatzfähige Güter zur Verfügung haben will. Ein weiterer Schritt ist der Übergang des Kreditverkehrs zur Auslandswährung oder zum metallischen Sachgelde, d. h. praktisch zum Golde. Wenn dann auch im Warenhandel die Verwendung des inländischen Geldes aufhört, müssen endlich auch die Löhne in anderer Weise beglichen werden als durch Papierstücke, mit denen nichts mehr anzufangen ist.

Nur ganz unverbesserliche Etatisten können sich der Hoffnung hingeben, daß ein immer weiter im Werte sinkendes Geld sich auf die Dauer im Verkehre als Geld zu erhalten vermag. Daß die Mark heute noch immer als Geld gebraucht wird, ist nur dem Umstande zuzuschreiben, daß allgemein noch die Meinung herrscht, die fortschreitende Entwertung werde bald zum Stillstande kommen, ja daß vielfach noch der Glaube besteht, der Wert der Geldeinheit werde wieder steigen. In dem Augenblick, da diese Auffassung als unhaltbar erkannt werden sollte, (9) wird auch der Prozeß der Verdrängung der Noten aus der Geldstellung beginnen, und wenn ihn dann überhaupt noch etwas aufhalten kann, so könnte es nur ein neuerlicher Umschwung in den Anschauungen über ihre künftige Wertgestaltung sein. Die Erscheinungen, die als Angstkäufe bezeichnet werden, haben uns eine schwache Vorahnung davon gegeben, wie dieser Prozeß anfangen wird; es kann sein, daß wir ihn einmal ablaufen sehen werden.

Aus ihrer Stellung als gesetzliches Zahlungsmittel können die Noten freilich nicht anders als durch einen Akt der Gesetzgebung verdrängt werden. Auch wenn sie ganz wertlos geworden sein werden, auch wenn man mit Milliarden Mark nicht imstande sein sollte, auch nur das Geringste zu kaufen, wird man auf Mark lautende Zahlungsverpflichtungen durch Hingabe von Marknoten erfüllen können. Doch das bedeutet nichts anderes als das, daß eben alle Markgläubiger durch den Zusammenbruch der Papierwährung geschädigt werden. Die Kaufkraft der Mark wird dadurch nicht vor der Vernichtung bewahrt werden können.

Die kräftigste Stütze der Geldstellung der Noten ist die Spekulation. Die landläufige etatistische Legende behauptet allerdings das Gegenteil. Sie will die ungünstige Gestaltung des Kurses des deutschen Geldes seit 1914 in erster Linie oder doch zum guten Teil auf die verderbliche Wirkung der Baissespekulation zurückführen. In der Tat liegen die Dinge so, daß das Ausland während des Krieges und nachher beträchtliche Mengen Marknoten aufgenommen hat, weil es mit einer künftigen Erholung des Markkurses rechnete. Wären diese Summen nicht vom Auslande angezogen worden, dann hätten sie auf dem Inlandmarkte eine stärkere Preissteigerung hervorrufen müssen. Daß auch die Inländer mit einer künftigen Preissenkung rechnen, kann oder konnte man zumindest bis in die letzte Zeit überall beobachten. Immer wieder bekommt oder bekam man zu hören, daß jetzt alles so teuer sei, daß man alle nicht schlechterdings unaufschiebbaren Ankäufe auf spätere Zeit vertagen müsse. Auf der anderen Seite wieder wird gesagt, die augenblickliche Preisgestaltung sei für Verkäufe besonders günstig. Es ist übrigens nicht zu bestreiten, daß sich in dieser Auffassung schon ein Umschwung zu vollziehen im Begriffe ist.

Es war für die Gestaltung des Kurses der Noten nachteilig, daß man der Valutenspekulation Hindernisse in den Weg gelegt und daß man besonders die Valutatermingeschäfte erschwert hat. Doch auch die (10) Tätigkeit der Spekulation könnte in dem Augenblicke nicht mehr helfen, in dem die Anschauung allgemein wird, daß keine Hoffnung mehr besteht, die fortschreitende Geldentwertung aufzuhalten. Dann werden sich auch die Optimisten von der Mark und der Krone zurückziehen und aus dem Lager der Haussepartei in das der Baissepartei übergehen. Wenn auf dem Markte nur eine Meinung herrscht, gibt es keine Meinungskäufe mehr.

Der Prozeß der Verdrängung der Noten aus der Geldstellung kann sich entweder verhältnismäßig langsam vollziehen oder auch panikartig mit einem Schlage, vielleicht in Tagen oder gar Stunden. Vollzieht er sich langsamer, so heißt das, daß der Verkehr schrittweise dazu übergeht, an Stelle der Noten andere Tauschmittel allgemein zu gebrauchen. Die Übung, die Geschäfte in ausländischem Gelde oder in Gold abzuschließen und abzuwickeln, die schon gegenwärtig in manchen Zweigen auch des Inlandsgeschäftes einen gewissen Umfang hat, bürgert sich mehr und mehr ein. In dem Maße aber, in dem der einzelne infolgedessen dazu übergeht, in seinem Kassenvorrat weniger Marknoten und mehr ausländisches Geld vorrätig zu halten, kommt auch mehr fremde Valuta ins Land. Die wachsende Nachfrage nach ausländischem Geld führt dazu, daß für einen Teil des Gegenwertes der ins Ausland ausgeführten Werte nicht Waren eingeführt, sondern Valutensorten bezogen werden. Es sammelt sich im Inland allmählich ein Valutenvorrat an, der die Auswirkungen der schließlichen Katastrophe der inländischen Papierwährung wesentlich mildert. Wenn dann auch im Kleinhandel Auslandsgeld gefordert wird, wenn infolgedessen auch die Löhne zuerst zum Teil und dann ganz in Valuta bezahlt werden müssen, wenn schließlich auch der Staat sich genötigt sieht, in der Steuereinhebung und Beamtenbesoldung das gleiche zu tun, dann sind die dafür erforderlichen Beträge fremden Geldes zum großen Teil schon im Inlande aufzutreiben. Aus dem Zusammenbruch der staatlichen Währung ergibt sich nicht der Zustand, in dem nur direkter Tausch von Ware gegen Ware möglich ist. Fremdes Geld verschiedener Herkunft versieht, wenn auch in recht wenig befriedigender Form, den Gelddienst.

Zu dieser Annahme führen nicht nur unwiderlegbare theoretische Erwägungen, sondern auch die geschichtliche Erfahrung, die man mit dem Zusammenbruch von Währungen gemacht hat. Von dem 1781 erfolgten Zusammenbruch der „continental currency“ der aufständischen amerikanischen Kolonien sagt White:

(11) „As soon as paper money was dead, hard money sprang to life, and was abundant for all purposes. Much had been hoarded and much more had been brought in by the French and English armies and navies. It was so plentiful that foreign ex-change fell to a discount 1).“

Die französischen mandats territoriaux sanken 1796 auf Null. Thiers führt darüber aus:

„Personne ne traitait plus qu’en argent. Ce numéraire, qu’on avait cru enfoui ou exporté à I’étranger, remplissait la circulation. Celui qui était caché se montrait, celui qui était sorti de France y rentrait. Les provinces méridionales étaient remplies de piastres, qui venaient d’Espagne, appelées chez nous par le besoin. L’or et l’argent vont, comme toutes les marchandises, là où la demande les attire; seulement leur prix est plus élevé, et se maintient jusqu’à ce que la quantité soit, suffisante et que le besoin soit satisfait. Il se commettait bien encore quelques friponneries, par Ies remboursements en mandats, parce que les lois, donnant cours forcé de monnaie au papier, permettaient de l’employer à I’acquittement des engagements écrits; mais on ne l’osait guère, et, quant à toutes les stipulations, elles se faisaient en numéraire. Dans tous les marchés on ne voyait que l’argent ou l’or; les salaires de peuple ne se payaient pas autrement. On aurait dit qu’il n’existait point de papier en France. Les mandats ne se trouvaient plus que dans les mains de spéculateurs, qui les recevaient du gouvernement, et les revendaient aux acquéreurs de biens nationaux. De cette manière, la crise financière, quoique existant encore pour l’état, avait presque cessé pour les particuliers 2).“  
 
(12) Man muß sich freilich hüten, die Wirkungen der Katastrophe, der unser Geldwesen entgegeneilt, mit den Wirkungen der erwähnten beiden Ereignisse zu vergleichen. Die Vereinigten Staaten waren 1781 ein vorwiegend agrarisches Land. Aber auch Frankreich war 1796 in der Entwicklung der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung und des Geldgebrauches und im Kassen- und Kreditverkehr noch auf einer niedrigen Stufe. Die Folgen des Zusammenbruches der Währung müssen in einem industriellen Land, wie es Deutschland ist, von einer ganz anderen Nachwirkung sein als in einem Land, dessen Bevölkerung zum größten Teil noch tief in der Naturalwirtschaft steckt.

Die Sache müßte noch viel schlimmer werden, wenn sich, wofür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, der Zusammenbruch des Papiergeldwesens nicht schrittweise, sondern panikartig mit einem Schlage vollziehen sollte. Die Bestände an Edelmetallgeld und an ausländischen Noten sind im Inland nur gering. Die im Kriege mit Eifer betriebene Konzentration des nationalen Goldbestandes bei der Zentralnotenbank und die Beschränkungen, die dem Verkehr in Auslandsgeld seit Jahren auferlegt wurden, haben bewirkt, daß die Summe der gehorteten Bestände an gutem Gelde lange nicht ausreicht, um die reibungslose Abwicklung des Geldverkehrs schon in den ersten Tagen und Wochen nach einem Zusammenbruche der Notenwährung zu ermöglichen. Es wird eine gewisse Zeit verstreichen, bis durch den Abverkauf von Effekten und Waren, durch Kreditaufnahme und durch Abhebung von Guthabungen im Auslande jene Menge Auslandsgeldes in den inländischen Verkehr gelangt sein wird, die er benötigen wird. In dieser Zwischenzeit wird man sich wohl mit Notgeldzeichen aller Art behelfen müssen. Daß die verkehrs- und zahlungstechnischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, gerade in dem Augenblicke, in dem durch die vollständige Entwertung der Noten alle Rentner und Sparer auf das härteste betroffen werden und die gesamte staatliche Finanz- und Wirtschaftspolitik durch das Versagen der Notenpresse zu radikalster Umstellung genötigt wird, die Unruhe in der Bevölkerung beträchtlich verschärfen müßten, ist wohl ohne weiteres einzusehen. Doch es hat keinen Sinn, die Einzelheiten einer solchen Katastrophe auszumalen. Es mußte nur auf sie hingewiesen werden, um zu zeigen, daß die Inflationspolitik nicht ins Endlose fortgesetzt werden kann. Man muß die Notenpresse rechtzeitig stillsetzen, weil am Ende ihrer Tätigkeit — und kein Mensch kann sagen, wie weit wir noch von diesem Ende ent- (13) fernt sind — eine böse Katastrophe wartet. Ob man nun die Fortsetzung der Inflation für nützlich oder nur für ungefährlich erachtet, ob man sie, wenn auch als ein Übel, so doch im Hinblick auf andere Möglichkeiten als das kleinere Übel ansehen will, ist demgegenüber gleichgültig. Denn die Inflation kann nur solange fortgesetzt werden, als man im Publikum noch nicht daran glaubt, daß man sie weiter fortsetzen will. Erkennt man einmal im Volke, daß die Inflation immer weiter fortgesetzt werden soll, daß mithin der Geldwert immer mehr und mehr sinken wird, dann ist das Schicksal des Geldwesens besiegelt. Nur die Meinung, daß die Inflation zum Stillstande kommen wird, hält den Wert der Noten noch aufrecht.

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1) Vgl.  White, Money and Banking illustrated by American History, Boston 1895,  S. 142.
2) Vgl. Thiers, Histoire de Ia Révolution Française, 7. Aufl., V. Bd.,
Brüssel
1838, S. 171. Geradezu grotesk ist es, wie die Schule Knapps diese
Vorgänge darzustellen sucht. Illig (Das Geldwesen Frankreichs zur Zeit
der ersten Revolution bis zum Ende der Papiergeldwährung, Straßburg
1914. S. 56) führt nach Erwähnung der Versuche, die der Staat machte,
um „Silber valutarisch zu handhaben“, aus: „Die Bestrebungen auf
Wiedereinführung der so herbeigesehnten Barverfassung begannen aber
erst im Jahre darauf, 1796, von Erfolg zu sein.“ Also auch der
Zusammenbruch der Papiergeldwirtschaft war ein „Erfolg“ der staatlichen
Geldpolitik.