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Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)

Inhalt.
Einleitung.
I. Der Ausgang der Inflation.
II. Die Loslösung des Geldes von der staatlichen Wertbeeinflussung.
III. Die Rückkehr zum Golde.

II. Die Loslösung des Geldes von der staatlichen Wertbeeinflussung.

(13) Die erste Voraussetzung jeder Reform des Geldwesens muß die Stillsetzung der Notenpresse sein. Das Reich muß darauf verzichten, den Abgang im Reichshaushalte durch Ausgabe von Noten mittelbar oder unmittelbar zu decken. Die Reichsbank darf ihren Notenumlauf nicht mehr ausdehnen; Giroguthaben bei der Reichsbank dürfen nur bei Überweisung von bereits bestehenden Reichsbankgirokonten oder gegen Einzahlung von Noten oder von anderem in- oder ausländischem Geld eröffnet oder erhöht werden. Kredite darf die Reichsbank nur in dem Maße gewähren, als ihre eigenen und die ihr von Kreditoren zur Verfügung gestellten fremden Mittel dazu ausreichen; sie darf durch die Kreditgewährung die Summe ihrer nicht durch Gold oder ausländisches Geld bedeckten Noten und Giroverbindlichkeiten nicht erhöhen. Gibt sie aus ihren Beständen Gold oder ausländisches Geld ab, dann muß sie um den gleichen Betrag ihren Notenumlauf oder ihre Verbindlichkeiten aus dem Girodienst verringern 1). Es dürfen keinerlei Einrichtungen geduldet werden, die eine Umgehung dieser Bestimmungen bewirken könnten. Lediglich um die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu den Quartalsterminen, besonders Ende September und Ende Dezember, zu erleichtern, könnte für je zwei bis drei Wochen eine mäßige, ziffernmäßig (14) durch Gesetz genau festzulegende Überschreitung dieser im übrigen streng einzuhaltenden Grenze der Inverkehrsetzung von Umlaufsmitteln gestattet werden.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß damit dem Fortschreiten der Geldentwertung sogleich wirksam Einhalt geboten würde. In dem Maße, in dem in der Kaufkraft des deutschen Geldes gegenüber den Waren und den fremden Valuten bereits die Annahme, es werde die Inflation weiter fortgehen, zum Ausdruck gelangt, müßte selbst ein Steigen der Kaufkraft bis auf jene Höhe, die dem tatsächlichen Umlauf entspricht, eintreten.

Die Einstellung der Inflation bedeutet aber keineswegs schon Stabilisierung des Wertes des deutschen Geldes gegenüber dem ausländischen Gelde. Sind einmal der weiteren Inflation feste Schranken gesetzt, dann verändert sich die Menge des deutschen Geldes nicht mehr. Dann müssen aber mit den Veränderungen im Geldbedarf auch Veränderungen des zwischen dem deutschen und dem ausländischen Gelde bestehenden Austauschverhältnisses vor sich gehen. Die deutsche Volkswirtschaft wird nicht länger die mit der Inflation und der fortschreitenden Geldentwertung verbundenen Nachteile zu tragen haben; sie wird aber darunter leiden, daß die Valutenkurse beständigen, wenn auch nicht allzu starken Schwankungen unterworfen bleiben.

Würde man sich dazu entschließen, die währungspolitischen Reformen mit der Einstellung der Tätigkeit der Notenpresse als beendet zu erklären, dann dürfte voraussichtlich der Wert des deutschen Geldes dem Weltgelde, dem Gold, gegenüber langsam, aber ständig steigen. Denn die Menge des dem Gelddienste gewidmeten Goldes wächst ständig durch die Produktion der Minen; die Menge des deutschen Geldes aber wäre ein für allemal begrenzt. Es ist also als sehr wahrscheinlich zu bezeiechnen, daß die Rückwirkungen der Verschiebungen im Verhältnis zwischen Geldvorrat und Geldbedarf in Deutschland und in den Goldwährungsländern dazu führen werden, daß die deutsche Valuta steigen wird. Ein Beispiel dafür bietet die Gestaltung der österreichischen Valuta in den Jahren 1888 bis 1891.

Um den Geldwert dem Ausland gegenüber zu stabilisieren, genügt es nicht, die Geldwertgestaltung von staatlicher Einwirkung zu befreien. Man muß sich bestreben, zwischen dem Weltgelde und dem deutschen Gelde eine Beziehung herzustellen, die den Wert der Reichsmark fest an den Goldwert bindet.
 
(15) Mit besonderem Nachdrucke aber muß hervorgehoben werden, daß die Stabilisierung des Geldwertes nur erreicht werden kann, wenn man die Notenpresse still legt. Jeder Versuch, es anders zu machen, ist vergebens. Es ist nutzlos, auf dem Devisenmarkte zu intervenieren. Wenn sich die deutsche Regierung etwa durch eine Anleihe Dollar beschafft und sie gegen Papiermark verkauft, so übt sie damit zwar vorgehend einen Druck auf den Dollarkurs aus. Doch die Geldentwertung wird damit nur verlangsamt, nicht zum Stillstand gebracht, wenn die Notenpresse ihre Arbeit fortsetzt; ist der Interventionsfonds erschöpft, dann geht die Entwertung wieder rascher vor sich. Hat aber die Notenvermehrung wirklich aufgehört, dann braucht es keiner Intervention, um die Mark zu stabilisieren.

Man pflegt darauf hinzuweisen, daß Notenvermehrung und Geldentwertung zeitlich nicht ganz zusammenfallen. Oft bleibt der Geldwert Wochen und selbst Monate hindurch nahezu stabil, während die Notenmenge ständig wächst. Dann wieder steigen Valutenkurse und Warenpreise rasch an, trotzdem die Notenvermehrung nicht rascher fortgeht oder selbst verlangsamt wurde. Das ist durch markttechnische Momente zu erklären. Der Spekulation wohnt die Tendenz inne, jede Bewegung zu übertreiben. Die Mitläufer verstärken die von den Wenigen, die sich ein selbständiges Urteil zutrauen, eingeleitete Aktion und führen sie zu weit, so daß zunächst ein Rückschlag oder zumindest ein Stillstand eintreten muß. Dazu kommt, daß Unkenntnis der Grundlagen der Geldwertgestaltung eine Gegenbewegung auf dem Markte auslöst. Der Spekulant hat die Routine, die sein Rüstzeug ausmacht, in der Aktien- und Fondsspekulation erworben; was er dort gelernt hat, sucht er nun auf die Valutenspekulation zu übertragen. Er hat erfahren, daß Aktien, die sehr tief im Kurse gesunken sind, meist günstige Chancen bieten, und glaubt darum, daß es bei Valuten ähnlich sein müsse. Er bewertet die Valuta als Aktie des Staates. Als die deutsche Mark in Zürich 10 Fr. notierte, sagte ein Bankier: „Jetzt ist es an der Zeit, Mark zu kaufen. Die deutsche Volkswirtschaft ist heute zwar ärmer als vor dem Kriege, so daß eine niedrigere Bewertung der Mark gerechtfertigt ist. Doch das deutsche Volksvermögen ist gewiß nicht auf den zwölften Teil des Vorkriegsvermögens gesunken; die Mark muß also noch steigen.“ Und als die polnische Mark in Zürich auf 5 Fr. gesunken war, sagte ein anderer Bankier: „Dieser tiefe Stand ist mir unerklärlich. Polen ist ein reiches Land; es hat eine blühende Landwirt- (16) schaft, es hat Holz, Kohle, Mineralöl; da müßte die Valuta doch ungleich höher stehen 2).“ Diese Beurteiler verkennen, daß die Bewertung der Geldeinheit nicht vom Reichtum des Landes abhängt, sondern von dem Verhältnis zwischen Geldmenge und Geldbedarf, so daß auch das reichste Land eine schlechte und das ärmste Land eine gute Valuta haben kann. Doch mag die Theorie dieser Bankiers auch falsch sein, und muß sie schließlich denen, die sie zur Richtschnur ihres Verhaltens nehmen, auch Verluste bringen, vorübergehend kann sie den Niedergang der Valuta verlangsamen oder gar aufhalten.

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1) Dem ausländischen Geld können dabei ohne allzu große Bedenken
Devisen und ähnliche Forderungsrechte zugerechnet weiden. Hingegen ist
es wohl selbstverständlich, daß unter ausländischem Geld hier nur das
Geld der Länder mit wenigstens halbwegs geordneten
Währungsverhältnissen gemeint ist.

2) Ein Führer der ungarischen Sowjetrepublik sagte mir im Frühjahr 1919: „Das von der ungarischen Sowjetrepublik ausgegebene Papiergeld mühte eigentlich, nächst dem russischen Gelde, den höchsten Kurs haben; denn der ungarische Staat ist durch die Vergesellschaftung des Privateigentums aller Ungarn nächst Rußland zum reichsten und mithin auch zum kreditwürdigsten Staat der Welt geworden.“