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Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)

IV. Die Relation.
V. Die Bedenken der Anhänger der „Zahlungs-Bilanztheorie“.
Vl. Das Argument des Inflationismus.
VII. Die neue Geldverfassung.
VIII. Die ideologische Bedeutung der Reform.

VII. Die neue Geldverfassung.

(33) Den Grund- und Eckstein der vorläufigen neuen Geldverfassung wird das absolute Verbot der Ausgabe von nicht voll durch Gold bedeckten Noten zu bilden haben. Der im Augenblick der Neuordnung des Geldwesens im Umlauf befindliche Betrag von Banknoten, Darlehenskassenscheinen, Notgeld jeglicher Art und Scheidemünzen wird, abzüglich des Goldschatzes und Devisenvorrates der Reichsbank und der Privatnotenbanken, als das Höchstausmaß des deutschen Notenumlaufes festgelegt. Eine Erweiterung dieses Höchstausmaßes muß, abgesehen von den bereits erwähnten Erleichterungen für die Quartalstermine, unter allen Umständen unterbleiben. Jede darüber hinaus auszugebende Note irgendwelcher Art muß durch Hinterlegung von Gold oder Devisen in der Reichsbank voll bedeckt sein. Das ist, wie man sieht, die Übernahme der Hauptbestimmung der Peelschen Bankakte mit allen ihren Mängeln. Doch diese Mängel haben für den Augenblick kaum eine praktische Bedeutung. Für uns handelt es sich zunächst nur um die Beseitigung der Inflation durch Stillegung der Notenpresse. Diesem heute allein anzustrebenden Ziele dient das strikte Verbot der Ausgabe von metallisch nicht bedeckten Noten am besten. Hat sich die neue Ordnung einmal eingelebt, dann ist es Zeit, darüber nachzudenken, ob es auf der einen Seite vielleicht nicht doch zweckmäßig wäre, innerhalb enger Grenzen auch die Ausgabe von metallisch nicht bedeckten Noten zu dulden, und ob es auf der anderen Seite nicht notwendig sei, auch die Ausgabe von anderen Umlaufsmitteln als Noten durch die Aufstellung von Bestimmungen über die Kassenführungsguthaben und den Scheck- und Giroverkehr der Banken zu beschränken. Dann wird aber wieder die Frage der Bankfreiheit grundsätzlich erörtert werden müssen. Doch das alles kann man einer späteren Zeit überlassen. Der Augenblick braucht nichts anderes als das Verbot der Aus- (34) gabe metallisch nicht bedeckter Noten, und mehr kann im Augenblick auch nicht geleistet werden. Höchstens könnte schon jetzt die Beschränkung der Umlaufsmittelausgabe auch auf die Giroguthaben der Reichsbank ausgedehnt werden 1). Von entscheidender Wichtigkeit kann dies aber nicht sein, da die gegenwärtige Inflation sich ausschließlich durch Notenausgabe vollzogen hat und vollziehen kann.

Gleichzeitig mit der Erlassung des Verbotes der Ausgabe von metallisch nicht bedeckten Noten ist der Reichsbank die Verpflichtung aufzuerlegen, jede ihr zum Ankaufe angebotene Menge Gold zu dem der neuen Relation genau entsprechenden Preise gegen Noten anzukaufen und jedem, der ihr deutsche Noten in Zahlung zu geben vermag, jede verlangte Menge Gold zu demselben Preise zu verkaufen. Damit wird die deutsche Währung zu einer Geldkernwährung. Es wird später einmal zu prüfen sein, ob man auf den effektiven Goldumlauf im Innern dauernd verzichten darf. Man wird dabei sorgfältig zu erwägen haben, ob die höheren Kosten, die die Aufrechterhaltung einer effektiven Goldzirkulation im Inland erfordert, nicht reichlich dadurch aufgewogen werden, daß sie es ermöglichen würde, die Bevölkerung des Gebrauches der Noten zu entwöhnen und so vielleicht künftigen Bestrebungen zur übermäßigen Ausgabe von mit Zwangskurs versehenen Noten vorzubauen. Doch für den Augenblick genügt zweifellos die Goldkernwährung. Den Noten kann dann vorläufig noch die gesetzliche Zahlkraft für alle Zahlungen ohne Gefahr belassen bleiben.

Doch es muß ganz besonders darauf hingewiesen werden, daß die Einlösungsverpflichtung der Reichsbank in strengster Weise aufzufassen ist. Alle jene Künsteleien, durch die die europäischen Zentralnotenbanken in den letzten Jahrzehnten vor dem Weltkriege versucht haben, eine Art Goldprämienpolitik zu treiben, hätten zu unterbleiben.

Die nach diesen Grundsätzen geleitete Reichsbank wird nun freilich nicht in der Lage sein, dem Geldmarkte Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie durch die Vermehrung des Umlaufes metallisch nicht bedeckter Noten gewonnen hat. Sie wird, abgesehen von den Möglichkeiten, die ihr der Giroverkehr bieten kann, wenn er vorläufig keinen Beschränkungen unterworfen werden sollte, nur soviel herleihen können, als sie aus ihren eigenen Mitteln und aus den ihr von ihren Kreditoren zur Verfügung gestellten Mitteln herleihen kann. Die in- (35) flationistische Vermehrung des Notenumlaufes zugunsten des privaten Kreditbedarfes wird ebenso ausgeschlossen sein wie die zugunsten des öffentlichen. Die Bank wird nicht in der Lage sein, eine Politik zu betreiben, die es immer wieder versucht, den Zinsfuß des Marktes künstlich zu ermäßigen.

Die in den vorangehenden Abschnitten vorgebrachten Ausführungen über die Zahlungsbilanztheorie zeigen, daß die Reichsbank bei dieser Verfassung nicht Gefahr laufen wird, ihren Bestand an Gold und Devisen an das Ausland zu verlieren. Damit nicht die Inländer, von Mißtrauen gegen die künftige Bankpolitik erfüllt, die Noten gegen Gold und Devisen umzutauschen suchen, genügt die Bestimmung, daß die Bank in den ersten Jahren der neuen Verfassung nur Goldbarren, nicht auch Goldmünzen, und nur größere Abschnitte ausländischen Geldes und auf höhere Beträge lautende Devisen gegen ihre Noten abzugeben verpflichtet sei. Dann wird es nicht möglich sein, daß die Noten aus der Zirkulation ausgeschaltet werden. Im Anfang wird vielleicht eine größere Summe der Bank entzogen und thesauriert werden; sobald jedoch ein gewisses Vertrauen in die Beständigkeit des neuen Geldes erwacht sein wird, werden die angesammelten Horte an fremden Valuten und Gold in die Bank fließen.

Daß die Reichsbank auf jeden Versuch verzichten soll, den sich aus den Verhältnissen des Geld- und Kapitalmarktes ergebenden Zinssatz durch die Erweiterung des Notenumlaufes zu unterbieten, wird die Kritik des naiven Inflationismus der Geschäftswelt um so mehr herausfordern, als die Schwierigkeiten der Kreditbeschaffung für die deutsche Volkswirtschaft in den nächsten Jahren wachsen werden. Die Auffassung des Geschäftsmannes weist der Zentralnotenbank die Aufgabe zu, für billigen Kredit zu sorgen, und glaubt, daß die Bank sich dem Wunsche der Kreditbedürftigen, durch Schaffung neuer Noten Kredite zu gewähren, nicht versagen dürfe. Die Irrtümer der englischen Banking-Theoretiker sind schon seit Jahrzehnten in Deutschland herrschende Meinung, und neuerdings hat sie Bendixen durch seine  „Theorie der klassischen Geldschöpfung“, die sie in einer für das Verständnis des Laien faßbareren Form wiedergibt, geradezu volkstümlich gemacht. Man vergißt immer wieder, daß die mit dem leicht irreführenden Ausdruck Geldknappheit bezeichnete Verteuerung der Kreditbeschaffung auf die Dauer durch inflationistische Maßnahmen nicht bekämpft und daß der Zinsfuß auf die Dauer durch Vermehrung (36) der Umlaufsmittel nicht ermäßigt werden kann 2). Die Vermehrung der Umlaufsmittel führt immer zum Steigen der Warenpreise und der Kurse der Devisen und Valuten.

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1) Vgl. oben S. 13.

2) Vgl. meine „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“, a. a. O. S. 401 ff.