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1910-1919

Zur Wiedereinführung des börsenmässigen Valutahandels (1919)
Stadt und Land in der direkten Besteuerung (1919)
Richard Lieben als Nationalökonom (1919)
Über die im Hinblick auf das Fortschreiten der Geldentwertung zu ergreifenden Maßnahmen (1919)
Geldentwertung und Staatshaushalt (1919)

Geldentwertung und Staatshaushalt (1919)

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Quelle: Neues Wiener Tagblatt Nr. 273, 5. Oktober 1919; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Zwischen den Veränderungen der Geldmenge und den Veränderungen der Geldpreise der Güter und Dienstleistungen besteht ein enger Zusammenhang. Wird die Geldmenge bei sonst gleichbleibenden Umständen vermehrt, dann steigen die Preise aller Güter und Dienstleistungen, zwar nicht gleichzeitig und auch nicht, wie man lange Zeit angenommen hat, in demselben ziffermässigen Verhältnis, in dem die Vermehrung der Geldmenge eingetreten ist, aber sie steigen, und keine Maßnahme der Wirtschaftspolitik ist imstande diesem Steigen Einhalt zu tun.

Das Steigen der Preise der Waren und Dienstleistungen im Inlande und das Steigen der Kurse des ausländischen Geldes sind nur zwei Seiten einer und derselben Erscheinung. Der Kurs des ausländischen Geldes ist eindeutig bestimmt durch die Kaufkraft, die dem inländischen Gelde zukommt. Der Kurs muss sich in einer solchen Höhe festsetzen, daß die Kaufkraft die gleiche bleibt, gleichviel, ob ich mit einer Krone direkt Waren kaufe oder ob ich erst die Krone gegen Franken umwechsle und dann für das Schweizer Geld Waren einzukaufen beabsichtige. Auf die Dauer vermag sich der Kurs des ausländischen Geldes von dem Stande, den das Verhältnis der Kaufkraft des inländischen zu der des ausländischen Geldes bedingt, nicht zu entfernen. Man kann diesen Kursstand daher als den natürlichen oder statischen bezeichnen. Sobald sich der Börsenkurs von ihm entfernt, wird es lukrativ, mit jenem Gelde, das im Kurse gegenüber dem Verhältnis, das sich aus seiner Kaufkraft ergibt, unterwertet erscheint, Waren einzukaufen und sie gegen jenes Geld, das im Kurse seiner Kaufkraft gegenüber überwertet ist, zu verkaufen. Und weil sich solche Gewinstmöglichkeiten bieten, werden auf dem Valutenmarkte Käufer auftreten, die für das im Kurse unterwertete Geld eine Nachfrage entfalten, die den Kurs so lange in die Höhe treibt, bis er seinen statischen Stand erreicht hat.

Dabei ist aber zu beachten, daß die Veränderungen der Kaufkraft des Geldes sich in der Volkswirtschaft nicht mit einem Schlage und nicht gleichzeitig allen Waren gegenüber vollziehen. Die Preissteigerungen, die durch die Vermehrung der Geldmenge hervorgerufen werden, treten nicht über Nacht ein; es vergeht eine gewisse Zeit, bis sie sich einstellen. Die zusätzliche Geldmenge tritt irgendwo in die Volkswirtschaft ein, von wo sie sich erst allmählich verteilt. Zunächst fließt sie nur bestimmten Wirtschaften und bestimmten Produktionszweigen zu, erhöht daher zunächst nur die Nachfrage nach bestimmten Waren und Dienstleistungen, nicht nach allen; erst später steigen dann auch die andern Waren und Dienstleistungen im Preise. Der Valutenkurs aber ist ein Spekulationskurs, das heißt, er entsteht aus den Geschäften von Geschäftsleuten, die nicht nur die unmittelbare Gegenwart in ihrem Tun und Lassen berücksichtigen, sondern darin auch schon der zukünftigen Entwicklung Rechnung tragen. Daher gelangt im Valutenkurs der Börse die Geldentwertung schon in einem verhältnismäßig frühen Stadium zum Ausdruck, jedenfalls lange bevor sie sich allen Waren und Dienstleistungen gegenüber geltend gemacht hat. Der Börsenkurs der Valuten eilt eben wie jeder Börsenkurs den erwarteten zukünftigen Preisbewegungen voraus.

Die populäre Auffassung, die die Ursache der ungünstigen Gestaltung der Valutenkurse in dem Treiben der Spekulation erblickt, ist jedoch nicht richtig. Es ist wahr, das Valuten- und Devisengeschäft liegt – nicht in letzter Linie dank den behördlichen Maßnahmen, die es zu unterbinden bemüht sind – im In- und Auslande nicht in den saubersten Händen. Aber eines wird man diesen Spekulanten doch nicht abstreiten können, nämlich das, daß sie ihre Geschäfte machen, um zu gewinnen, nicht um zu verlieren. Und gewinnen können sie nur, wenn sie die künftige Gestaltung des Geldwertes richtig vorausgesehen haben. Haben sie sich getäuscht, dann werden sie den Irrtum teuer bezahlen. Die Baissiers verlieren, wenn eine Nachfrage nach der von ihnen zu ungünstig beurteilten Valuta einsetzt, da dann der Kurs in die Höhe getrieben wird. Aus dem oben Gesagten geht aber hervor, daß eine solche Nachfrage einsetzen müsste, wenn zwischen der Bewertung der Krone gegenüber den Waren und jener gegenüber dem ausländischen Gelde eine dauernde Divergenz bestünde.

Daher ist denn auch jene Auffassung nicht zutreffend, die die Gestaltung der Valutenkurse nicht aus der Kaufkraft, sondern aus der Zahlungsbilanz heraus zu erklären sucht. Diese Lehre unterscheidet zwischen der Entwertung des Geldes, das ist Veringerung seiner internationalen Bewertung, und der Wertverminderung, das ist der Verminderung seiner Kaufkraft im Inlande. Zwischen beiden bestehe nur ein entfernter oder – wie von manchen behauptet wird – gar kein Zusammenhang. Der Valutenkurs sei ein Ergebnis des jeweiligen Standes der Zahlungsbilanz. Steige die Höhe der an das Ausland zu leistenden Zahlungen, ohne daß eine entsprechende Vermehrung der vom Auslande zu empfangenden Zahlungen eintritt, oder gehe die Höhe der vom Auslande zu empfangenden Zahlungen zurück, ohne dass eine entsprechende Verminderung der an das Ausland zu leistenden Zahlungen erfolgt, dann müßten die Valutenkurse steigen. Der Grundfehler dieser Theorie ist der, daß sie ganz darauf vergißt, daß die Höhe der Einfuhr und der Ausfuhr in erster Linie von den Preisen abhängt, daß man nicht aus Laune oder des Vergnügens halber ein- oder ausführt, sondern um Geschäfte zu machen, um an den Preisunterschieden hüben und drüben zu verdienen, und dass die Ein- oder Ausfuhr solange fortgesetzt wird, bis die Preisunterschiede verschwunden sind. Sie übersieht die Bedeutung der Preise für die internationale Warenbewegung. Sie geht fehlerhafterweise von dem Akte der Zahlung aus, statt von dem des Geschäftsabschlusses. Das ist die Folge jener pseudojuristischen Geldlehre, die im Gelde nur das Zahlungsmittel, nicht das allgemeine Tauschmittel erblicken will, einer Lehre, die in der Wissenschaft und in der Politik die übelsten Früchte getragen hat. Die Sache liegt nicht etwa so, daß der Kaufmann beim Abschluß des Geschäftes nicht an die Kosten der Valutabeschaffung denkt und sich erst bei Eintritt der Fälligkeit der Zahlung um diese zu kümmern beginnt. Ein Kaufmann, der so vorgehen wollte, könnte es nicht lange bleiben. Der rechnende Kaufmann zieht die Valutaverhältnisse sehr wohl in Betracht, da er immer die Absatzpreise im Auge hat;. er berücksichtigt auch die erwarteten Valutaschwankungen, sei es, daß er von den marktmäßigen Mitteln der Kurssicherung Gebrauch macht, sei es, daß er selbst das Risiko der Valutaveränderung zu tragen gewillt ist. Ganz dasselbe gilt aber auch mutatis mutandis vom internationalen Reiseverkehr und vom internationalen Frachtengeschäfte.

Die Politik, die wir seit fünf Jahren gegenüber der Geldentwertung befolgen, ist auf diesen falschen Anschauungen über ihre Ursachen aufgebaut. Kein Wunder, daß sie völlig versagt hat. Die Preistreibereiverordnungen haben im Inlande keinen Erfolg erzielt. Trotz aller behördlichen Gegenmaßnahmen sehen wir die Preise aller Güter und Dienstleistungen immerfort steigen. Und ebenso haben die Versuche, die Devisenkurse durch Ausschaltung des privaten Devisengeschäfts und durch Verbesserung der Zahlungsbilanz im Wege der Beschränkung der Einfuhr zu stabilisieren, zu nichts geführt.

Die Maßnahmen der offiziellen Devisenpolitik sind nicht nur nutzlos, sie sind sogar direkt schädlich. So wird zum Beispiel den Exporteuren die Verpflichtung auferlegt, die fremden Valuten zu einem unter dem wirklichen Tageskurs (denn die Kurse der Devisenzentrale bleiben hinter dem tatsächlichen Kurse zurück) liegenden Preise der Devisenzentrale zu überlassen, die diese Beträge dann, wieder unter dem Tageskurse, den Importeuren für die Bezahlung solcher Einfuhren überlässt, die man besonders fördern will. Diese den Exporteuren auferlegte Verpflichtung hemmt die Ausfuhr; sie wirkt ganz wie ein Ausfuhrzoll. Ihr Erfolg kann also nur der sein, daß die Summe der Exporte und damit auch die Summe der für die Bezahlung von Einfuhren zur Verfügung stehenden Geldmittel verringert wird. Bei keiner andern Maßnahme der Devisenpolitik ist die Schädlichkeit so evident wie bei dieser. Die Störung der Ausfuhr stört auch die Einfuhr, die man gerade fördern will. Der Importeur genießt freilich eine scheinbare Förderung dadurch, daß ihm die Devisen billiger überlassen werden. Aber die Summe der zum Abschluss von Importgeschäften zur Verfügung stehenden Devisen wird um den entsprechenden Betrag eingeschränkt, und die Wertsumme der Importe muss daher zurückgehen.

Nicht minder schädlich ist der Zwang, Ausfuhrgüter nur gegen ausländische Valuta zu verkaufen. Dass unsre Exporteure damit genötigt werden, im Auslande in Kronen angebotene Zahlungen zurückzuweisen, schädigt das Ansehen der Krone empfindlich. Was soll der Ausländer von einem Gelde denken, das die Bürger des Staates, in dem es umläuft, auf Befehl ihrer eigenen Regierung nicht in Zahlung nehmen dürfen?

Mit Devisenverordnungen kann man dem Sinken unserer Valuta nicht Einhalt tun. Als die Devisenzentrale errichtet wurde, notierte die Devise Zürich 152 Kronen, jetzt notiert sie 1215 Kronen! Man muss sich endlich zur Erkenntnis durchringen, daß die aufsteigende Bewegung der Warenpreise und der Devisenkurse nur dann zum Stillstand kommen wird wenn der Staat durch Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte in die Lage versetzt wird, auf die weitere Inanspruchnahme der Notenpresse zu verzichten. Das Problem der Ordnung des Staatshaushaltes wird damit zum wichtigsten Problem unsrer Volkswirtschaft. Es ist hohe Zeit, daß es gelöst wird. Sonst gelangen wir eines Tages dorthin, wohin die französischen Assignaten gekommen sind, nämlich zum absoluten Nullpunkt des Geldwertes. Das wäre eine Katastrophe für unsre städtische Bevölkerung, von deren Umfang man sich kaum eine Vorstellung machen kann.