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1920-1929

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Inflation und Geldknappheit (1922)
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Inflation und Geldknappheit (1922)

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Quelle: Neue Freie Presse (Wien) Nr. 20666, 11. März 1922; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Wenn der Geschäftsmann von Geldknappheit spricht, so meint er damit eine Lage des Geldmarktes – das ist des Marktes für kurzfristige Anlage von Kapital – bei der wachsender Nachfrage keine entsprechende Erhöhung des Angebotes gegenübersteht. Geldknappheit heißt dann so viel wie Steigen des Zinssatzes für kurzfristige Anlagen.

Es ist ein alter, schon von David Hume und Adam Smith widerlegter Irrtum, wenn man glaubt, die Geldknappheit durch Vermehrung der umlaufenden Geldmenge mildern zu können. Da alles Kapital in Geld gerechnet wird und da alle Kapitalsnachfrage als Nachfrage nach Leihgeld auf dem Markte erscheint, verfiel man darauf, die Ursache des Steigens des Leihgeldsatzes in einem Mangel an Geld zu suchen. Doch ein Mehr oder Weniger an Geld wirkt nur auf die Preise der Güter und Dienstleistungen. Wenn die Geldmenge wächst, steigen die Preise und Löhne. Der Zinssatz wird dadurch keineswegs ermäßigt.

Im Gegenteil. Wenn mit dem Anhalten der Inflation zu rechnen ist, muß jeder, der Geld ausleiht, darauf gefaßt sein, daß die Geldsumme, die ihm der Schuldner nach Beendigung des Kreditverhältnisses zurückerstattet, eine geringere Kaufkraft darstellen wird als jene Summe, die er ausgeliehen hatte. Wer 100.000 Kronen in einem Zeitpunkt ausleiht, in dem der Dollar 500 Kronen kostet, und in einem Zeitpunkt zurückerhält, da der Dollar 5000 Kronen kostet, hat 200 Dollar ausgeliehen und erhält 20 Dollar zurück. Hätte er den Betrag nicht ausgeliehen, sondern dafür Effekten, Waren oder gar Valuten gekauft, so wäre er weit besser gefahren; er hätte geringeren Verlust oder überhaupt keinen Verlust erlitten. Umgekehrt fährt der Schuldner dabei sehr gut. Wenn er für das geborgte Geld Waren kauft und nach einiger Zeit verkauft, dann bleibt ihm nach Abzug der zurückzuerstattenden Leihsumme ein Ueberschuss an Kronen. Ihm werden so die Scheingewinne, die die Inflation schafft, zu wirklichen Gewinnen. Es ist daher leicht zu verstehen, dass, solange auf Fortschreiten der Geldentwertung zu rechnen ist, die Geldverleiher höhere Zinsen verlangen und die Geldborger bereit sind, höhere Zinsen zu zahlen. Dass im Leihgeschäft in Oesterreich in den letzten Jahren Zinssätze von einer ganz unerhörten Höhe gefordert und bewilligt wurden, ist vor allem auf die Inflation zurückzuführen. Sobald es gelungen sein wird, eine wertbeständigere Währung zu schaffen, wird der Zinsfuss ganz beträchtlich sinken.

Man darf sich daher nicht wundern, dass wir bei aller Vermehrung des Notenumlaufes an Geldknappheit leiden. Geldknappheit herrscht nicht trotz der Inflation, sondern gerade wegen der Inflation.

In einem anderen Sinn als in dem erwähnten pflegt man von Geldknappheit und Geldfülle nicht zu sprechen. Es hätte keinen Zweck, diese Ausdrücke auf das Verhältnis, in dem Vorrat und Bedarf an Geld – nicht an Geldleihkapital – stehen, anzuwenden. Denn Verschiebungen im Verhältnis von Geldmenge und Bedarf an Geld für alle Zwecke des Wirtschaftslebens lösen Veränderungen der Kaufkraft des Geldes aus. Die Nutzwirkung des Geldes liegt ausschließlich in seiner Kaufkraft. Da aber diese stets so hoch ist, dass Gesamtnachfrage und Gesamtangebot sich decken, steht die Volkswirtschaft stets im Genuss der höchsten durch das Geld für sie und ihre Glieder erzielbaren Nutzwirkung. Man kann die Welt, man kann eine isolierte Volkswirtschaft nicht dadurch reicher machen, daß man die Menge des Geldes vermehrt.

Man pflegt heute zu behaupten, die Vermehrung des Notenumlaufes sei bei und hinter der Geldentwertung zurückgeblieben. Man sucht zu zeigen, daß der Goldwert der Geldmenge, die in unserem Staatsgebiet im Jahre 1914 im Umlauf war, den Goldwert jener Geldmenge, die heute im Umlauf ist, überstiegen hat. Die Methode, auf der man zu dieser Feststellung gelangt, ist gewiss nicht einwandfrei. Es ist unzulässig, dabei lediglich auf die Hartgeld- und Notenmenge zu sehen und die Kassenführungsguthaben der Banken, die Gelddienst versehen, ganz zu vernachlässigen Es geht nicht an, die heute im Umlauf befindliche Geldmenge nach ihrem Goldwert in die Rechnung einzustellen, ohne zu berücksichtigen, dass sie vorläufig noch im Inlande eine höhere Kaufkraft darstellt, als ihrer Bewertung auf dem Devisen- und Valutenmarkt entspricht. Es ist verfehlt, anzunehmen, dass wir, die wir heute viel ärmer sind als wir im Jahre 1914 waren, ceteris paribus die gleiche Geldmenge benötigen. Und es darf am allerwenigsten übersehen werden, daß ein Teil des Gelddienstes im Inlande gegenwärtig durch ausländisches Geld geleistet wird. Die Bevölkerung, besonders die der Grenzgebiete thesauriert schon lange nicht mehr oder nicht nur österreichische Noten, sondern auch ausländisches Geld, und ein gewisser Teil der Umsätze unseres Geschäftslebens wird in ausländischem Geld getätigt.

Doch die Methode, mit der man die Tatsache rechnerisch feststellen will, mag noch so mangelhaft sein, die Tatsache selbst ist nicht zu bezweifeln. In den kritischen letzten Wochen des vergangenen Jahres hat der Geschäftsverkehr empfindlich unter dem Mangel an Noten für die Bewältigung der Umsätze gelitten. Wie ist das zu erklären? Hätte nicht von diesem Geldmangel eine Tendenz zur Werterhöhung unseres Geldes ausgehen müssen, die ihn zum Verschwinden bringt, indem sie die Kaufkraft der Geldeinheit hebt?

In der Bewertung des Geldes gegenüber den Waren und gegenüber dem ausländischen Gelde ist stets auch ein spekulatives Moment enthalten, das heißt, es wird in ihr immer auch schon die voraussichtlicht künftige Gestaltung der Verhältnisse mit in Betracht gezogen. Wenn anzunehmen ist, daß die Geldentwertung fortschreiten wird, weil die Regierung in der Inanspruchnahme der Notenpresse nicht Maß zu halten gewillt ist, dann wird die Geldeinheit niedriger bewertet werden, als es geschehen wäre, wenn man mit keiner weiteren Inflation zu rechnen hätte. Da man erwartet, daß die Geldentwertung fortgehen wird, sucht man sich so schnell als möglich durch den Ankauf von Waren, von Wertpapieren oder von ausländischem Geld des inländischen Geldes, das von Tag zu Tag in der Kaufkraft sinkt, zu entledigen. Die Panikkäufe in den Läden, wo die Käufer sich drängten, um noch irgendein Stück zu ergattern, und die Panikkäufe an der Börse, wo die Preise der Effekten und Valuten sprungartig in die Höhe gingen, eilten der augenblicklichen Lage der Dinge weit voraus. In ihnen wurde eine vermutete künftige Entwicklung eskomptiert. Die Entwertung der Krone war stärker, als dem augenblicklichen Umlauf entsprochen hätte. Heute kann man nicht mehr davon sprechen, daß wir im täglichen Verkehr einen Mangel an Noten hätten. Denn daran ist festzuhalten: Dieser Notenmangel ist eine Erscheinung weit vorgeschrittener Inflation ebenso wie jene Angstkäufe.

Es gibt nur ein Mittel, das gegen alle diese Uebel helfen kann: Die Einstellung der Tätigkeit der Notenpresse. Wollte man die Notenausgabe vermehren, um den Geldmangel im Kassenverkehr des täglichen Lebens abzustellen, so würde man die Sache nur verschlimmern. Man würde nicht, wie man glaubt, das Mißverhältnis zwischen Geldentwertung und Geldumlauf beseitigen, sondern es nur noch mehr verschärfen. Die Panik würde fortschreiten und den Zusammmenbruch des Geldsystems herbeiführen.

Man kann die Sache drehen und wenden, wie man will, man wird kein Argument finden, das die weitere Vermehrung des Notenumlaufes rechtfertigen könnte.