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1920-1929

Wilhelm Rosenbergs politische Wirksamkeit (1923)
Das österreichische Problem (1923)
Das österreichische Währungsproblem vor dreissig Jahren und Heute (1922)
Inflation und Geldknappheit (1922)
Rezension: William F. Spalding, Eastern Exchange, Currency and Finance. (1922)

Wilhelm Rosenbergs politische Wirksamkeit (1923)

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Quelle: Neue Freie Presse (Wien) Nr. 21038, 6. April 1923; der Artikel ist abgedruckt im Buch “”http://www.buchausgabe.de/public_products/Der-unbekannte-Mises-Friedrich-A-v-Hayek-Institut-Kurt-R-Leube-Ludwig-von-Mises-167">Der unbekannte Mises", erhältlich bei buchausgabe.de.

Dr. Wilhelm Rosenberg, der vortreffliche Volkswirt und Jurist, hat sich im Laufe seines arbeitsreichen Lebens auf vielen Gebieten große Verdienste erworben. Die Tat aber, die seinen Namen in der Geschichte des neuen Oesterreich fortleben lassen wird, ist sein Eintreten für das Selbsthilfeprogramm.

Nach dem Zusammenbruche des alten Reiches und nach dem traurigen Friedenschluß von Saint-Germain befestigte sich in den Anschauungen der österreichischen Bevölkerung immer mehr und mehr der Gedanke, daß das kleine österreichische Staatswesen nicht lebensfähig sei und dass es unfehlbar zugrunde gehen müsse, wenn ihm nicht von außen Hilfe komme: Diese Hilfe erwartet man von dem Anschluß an das Deutsche Reich. Weil aber der Friedensvertrag den Wiedereintritt Deutschösterreichs in die deutsche Staatsgemeinschaft verboten hatte, suchte man andere Mittel, um dem lebensunfähigen Staatswesen wenigstens für kurze Zeit die Möglichkeit zu verschaffen, seine Existenz fortzufristen. Man setzte alle Hoffnung auf Auslandkredite, die die Weststaaten zur Durchführung der den Anschluss verbietenden Bestimmungen des Vertrages von Saint-Germain gewähren sollten. Das Bedauerliche an dieser Einstellung war, daß man daran vergaß, daß auch im Inland manches geändert werden könnte, um die Lage erträglicher zu gestalten. Man ließ die Mißstände immer mehr und mehr anwachsen, ohne daran zu denken, sie irgendwie abzustellen; dem lebensunfähigen Staate könne doch ohnehin nicht mehr geholfen werden. Als es sich nun auf der einen Seite herausstellte, dass die Entente gewillt sei, das Anschlußverbot mit Nachdruck zu erzwingen, und auf der anderen Seite die lang erwarteten Kredite ausblieben, wurde die Lage unhaltbar. Die Devisenkurse stiegen immer mehr und mehr an und weiter Kreise der Bevölkerung bemächtigte sich eine dumpfe Verzweiflung.

Damals, im Frühherbst 1921, trat Dr. Rosenberg, der als Schüler Karl Mengers bereits seit Jahren mit Energie den Inflationismus bekämpft und der soeben durch die Ordnung der Anglobankfrage seine finanzielle Umsicht und Begabung auf das großartigste bewährt hatte, in den Vordergrund. In dem Augenblicke der höchsten Not wies ein nahezu einhelliger Ruf der Bevölkerung auf ihn hin. Ihm allein traute man die Fähigkeit zu, die Staatsfinanzen zu ordnen. Ohne jeden persönlichen Ehrgeiz, nur der Sache dienend, schlug Dr. Rosenberg das ihm angebotene Finanzportefeuille aus, lehnte jede amtliche Stellung und jeden amtlichen Titel ab und begnügte sich damit, als Privatmann an die Seite des Finanzministers Dr. Gürtler zu treten. Das Programm, das Rosenberg aufstellte, lautete einfach genug: Oesterreich muß auch von sich aus alles tun, was in seiner Macht steht, um das österreichische Problem der Lösung näherzubringen. Auch Dr. Rosenberg war ein unbedingter Anhänger des Anschlusses Oesterreichs an das Deutsche Reich. Aber er dachte realpolitisch genug, um zu erkennen, daß im Augenblicke und vielleicht noch auf Jahre hinaus seine Durchführung unmöglich sei. Und überdies meinte er, daß es für Deutschland von größerem Werte sein werde, wenn nicht ein finanziell zerrüttetes, sondern ein finanziell geordnetes Oesterreich in den deutschen Staat eintritt. Auch Dr. Rosenberg war der Ansicht, dass Oesterreich zu seiner Wiederaufrichtung ausländischer Kredite bedürfe. Aber – und das war das Neue an seinem Programm – er erkannte klar, daß Kredite auf die Dauer nicht zur Bedeckung des Abganges in der laufenden Gebarung verwendet werden dürfen, daß sie daher kein dauerndes Auskunftsmittel bilden können. Darum stellte er die Forderung auf, daß Oesterreich selbst daran gehen müsse, das Defizit des Staatshaushaltes zu beseitigen. Eine der wichtigsten Quellen des Defizits erblickte er in den Lebensmittelzuschüssen. Solange die Lebensmittelzuschüsse bestehen blieben, war nach seiner Meinung an eine Einstellung der Notenpresse nicht zu denken, und darum forderte er ihren Abbau. Er erkannte ganz klar, daß die Fortsetzung der Inflation schon in der allerkürzesten Zeit zu einem vollständigen Zusammenbruch der Währung führen würde. Es gelang ihm, gegen alle sich auftürmenden Widerstände sein Programm durchzusetzen. Die Lebensmittelzuschüsse wurden abgebaut und die befürchteten Folgen sind nicht eingetreten. Nun erst konnte die Kreditaktion aufgenommen werden. Solange die ausländischen Kreditgeber gesehen hatten, daß Oesterreich ruhig die Hände in den Schoß legt und darauf wartet, daß ihm von auswärts geholfen werde, waren sie nicht bereit gewesen, zu helfen. Als jedoch die Österreichische Regierung selbst daran schritt, die Ordnung im Staatshaushalte wieder herzustellen, zeigten sich auch die ersten Kredite. Dr. Rosenbergs vortreffliche Beziehungen zu den Finanzkreisen des Westens leisteten hier ausgezeichnete Dienste. So unermüdlich er während seiner Kampagne für den Abbau der Lebensmittelzuschüsse gewesen war, um sein Projekt gegen alle Anfeindungen im Inlande zum Siege zu führen, so unermüdlich war er in den Bemühungen, die Kredite im Auslande zu beschaffen. Wenn die Kreditaktion heute weit vorgeschritten ist, so ist das in erster Reihe ein Verdienst Dr. Rosenbergs. Ebenso aber auch ist es sein Verdiensts, daß heute eine Regierung, die als ihr Programm die Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte aufstellte, die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat.

Dr. Rosenberg hat für sein politisches Auftreten kaum Dank geerntet. Die „Sanierungsgegner“, wie sie Bundeskanzler Seipel genannt hat, haben ihn mit wütenden Angriffen verfolgt. Die wenigsten Oesterreicher wissen es zu würdigen, daß Dr. Rosenbergs Auftreten im Herbst und Winter 1921/22 Oesterreichs Staats- und Volkswirtschaft im letzten Augenblick vor einer Katastrophe bewahrt hat. Eine spätere Zeit wird ihm die Anerkennung nicht verweigern, die ihm seine Zeitgenossen nicht haben zuteil werden lassen. Es ist sein Verdienst, daß der Oesterreicher heute wieder mit mehr Vertrauen in die Zukunft blickt und dass die wirtschaftspolitische Rat- und Tatlosigkeit der ersten Nachkriegsjahre allmählich einem neuen Geiste zu weichen beginnt.

Dr. Wilhelm Rosenberg war einer unserer besten Männer. Viel ist in diesem Lande im Laufe böser Jahre zerstört und verwüstet worden. Wilhelm Rosenberg war ein Führer beim werktätigen Wiederaufbau. Und darum wird die Erinnerung an ihm fortleben.