ab 1940

Ein Wort zum Monopolpreisproblem (1965)
Monopole – Dichtung und Wahrheit (1965)
Das Eigentum in der Marktwirtschaft (1964)
Zukunft des Dollar — Zukunft der Demokratie (1964)
Biographie: Siegfried von Strakosch (1963)

Ein Wort zum Monopolpreisproblem (1965)

Diesen Artikel können sie auch im PDF-Format hier (94kb) herunterladen.

Quelle: Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik
11:5(Mai 1965) 270-72. Dieser Aufsatz erschien zuerst in dem Buche “Vom
Sinn der Konzentration”, herausgegeben von Peter Muthesius zum 65.
Geburtstag von Volkmar Muthesius. Mit Beiträgen von Hermann J. Abs,
Emil Frey, Rudolf Gunzert, HausHelmut Kuhnke, Fritz Marbach, Willy
Ochel, Wolfgang Pohle, Ernst Schneider, Joachim Zahn; Verlag Fritz
Knapp, Frankfurt am Main 1965

In der Marktwirtschaft ist der einzelne in seiner Eigenschaft als Verbraucher souverän. Der Markt zwingt jeden Eigentümer von sachlichen Produktionsmitteln, sein Eigentum so zu verwenden, daß die dringendsten der noch nicht befriedigten Wünsche der Verbraucher in der bestmöglichen und billigsten Weise befriedigt werden, Wer sich diesem Zwang nicht fügt, erleidet Verluste und wird, falls er sein Verhalten nicht ändert, schließlich aus der Reihe der Besitzenden verdrängt.

Was man seit Jahrzehnten unter Wirtschaftspolitik versteht, sind Maßnahmen der Regierungen, die Interessen minderfähiger Erzeuger, die im Wettbewerb nicht zu bestehen vermögen, auf Kosten der Verbraucher zu fördern. Die ideologische Rechtfertigung dieser Bestrebungen hat im Laufe der Jahre verschiedene Gestalt angenommen. Heute sucht man sie in der Lehre von der in der freien Marktwirtschaft angeblich bestehenden Tendenz zur Verdrängung des Wettbewerbs durch Monopole. Diese Lehre ist der Leitstern der offiziellen Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten. Sie beherrscht das Denken aller jener Regierungen und Parteien, die nicht offen die russischen Methoden des Kommunismus anstreben.

Auf dem freien Markte der durch Regierungseingriffe nicht behinderten kapitalistischen Wirtschaft wird jede Produktion bis zu dem Punkte ausgedehnt, über den hinaus ihre Ausdehnung komplementäre Produktionsmittel Verwendungen entziehen müßte, die die Verbraucher als wichtiger ansehen. jeder Produktionsfaktor wird jener Verwendung zugeführt, die in der Meinung der Verbraucher als die wichtigste und dringendste erscheint. Das ist es gerade, was man als die Souveränität der Verbraucher bezeichnet.

Nun gibt es aber von dieser Regel eine Ausnahme, den Monopolpreis. Monopol an sich ist ohne jede Bedeutung für die Preisgestaltung. Jeder Verleger einer unter Urheberrechtsschutz stehenden Druckschrift ist Monopolist. Ob es ihm überhaupt gelingen wird, Käufer zu finden, ist eine andere Sache. Nicht jeder Preis, zu dem ein Monopolgut verkauft wird, ist ein Monopolpreis. Was einen Monopolpreis als solchen charakterisiert und vom Preis des nicht monopolisierten Marktes unterscheidet, ist, daß er den Monopolisten von der unbedingten Abhängigkeit von den Wünschen der Verbraucher befreit und ihm die Freiheit gibt, sein eigenes Interesse über das des Publikums – der Verbraucher – zu stellen. Bei einem bestimmten Verlauf der Nachfragekurve ist es nämlich für den Monopolisten vorteilhafter, die Produktion nicht bis zu dem Punkte auszudehnen, bis zu dem sie auf dem nicht-monopolisierten Markte ausgedehnt worden wäre, sondern früher abzubrechen. Es ist richtig, daß diese Gestaltung der Nachfragekurve nur selten vorkommt. Doch das ändert nichts an der Tat- (271) sache, daß solche Fälle vorkommen können und mitunter auch wirklich vorkommen. Auch wenn die Regierungen nichts tun würden, um Monopolpreise an Stelle der Wettbewerbspreise eines freien Marktes zu setzen, könnte etwa ein Weltkartell der Eigentümer der Diamanten-Fundstätten zustande kommen und eine Zeit hindurch funktionieren.

Die Souveränität der Verbraucher ist mithin nicht vollkommen. Es kann in einzelnen, seltenen Fällen sich ereignen, daß auch auf einem freien – d. i. nicht durch Eingriffe des obrigkeitlichen Gewaltapparates (Polizei und Gerichte) sabotierten – Markte Monopolpreise auftauchen.

Die Fabel von der Verelendung

Den Kern der marxistischen Lehre bildet die Fabel von der im kapitalistischen System unaufhaltsam fortschreitenden Verelendung der Massen und der Konzentration allen Reichtums und Besitzes in den Händen einer beständig schrumpfenden Gruppe von Ausbeutern. Das gehe so fort bis endlich die Proletarier durch die unsäglichen Leiden in den Aufruhr getrieben werden, der mit dem Siege der gerechten Sache endet. Das immerwährende Zeitalter des Kommunismus bricht an, in dessen „höherer Phase", wie Marx versichert hat, „jedem nach seinen Bedürfnissen" gegeben wird.

Nach und nach muß es selbst den verblendetsten Marxisten unmöglich erscheinen, an dieser Verelendungsdoktrin festzuhalten. In den letzten Jahren vor Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde sie von den marxistischen Führern stillschweigend aufgegeben. An ihre Stelle trat die von den Vereinigten Staaten übernommene Lehre von der angeblich in der freien Marktwirtschaft vorwaltenden Tendenz zur Verdrängung des Wettbewerbs durch Monopolbildung.

Die kommunistische (neomarxistische) Spielart dieser Lehre kennt nur einen Weg zur Vermeidung der Folgen dieser vermeintlichen Entwicklungstendenz: Nur das russische System der Vollsozialisierung kann die Zivilisation retten. Täglich erzählen die russischen Propagandainstitute der Welt von den entsetzlichen Leiden, die „die Monopole“ (the monopolies) über die unglücklichen Massen des amerikanischen Volkes gebracht haben.

In den Vereinigten Staaten stimmen die Regierung, die beiden Parteien und die offizielle Wissenschaft mit den Moskauer Machthabern in der Beurteilung der Monopolgefahr überein. Doch sie behaupten, daß man das übel des Monopolismus durch Strafgesetze wirksam bekämpfen könne. Sie sehen eine der wichtigsten Aufgaben einer weisen Regierung in der Verteidigung der Wettbewerbswirtschaft gegen die verbrecherischen Umtriebe der Monopolbanditen«. Kaum eine Woche vergeht, ohne daß der offizielle amerikanische Pressedienst der Welt verkündet, daß es dem Department of Justice schon wieder gelungen sei, einen tückischen Anschlag der Geschäftsleute zu vereiteln.

Das Gegenteil von dem, was die offizielle Lehre verkündet, ist richtig. Die Regierungen des noch nicht kommunistischen Sektors der Weltwirtschaft bestreben sich, Monopolpreisbildung zu ermöglichen.

(272) Es sei ganz abgesehen von der Patent- und Urheberrechtsgesetzgebung und den einschlägigen internationalen Verträgen, die alle direkt auf die Bildung von Monopolpreisen abzielen.(1)

Kartelle nur im Schutze der Obrigkeit

Nationale Kartelle sind nur möglich, wo die Obrigkeit den heimischen Markt durch Einfuhrzölle und andere Methoden der Einfuhrbeschränkung vom Weltmarkt getrennt hat. Doch damit allein wird das Haupthindernis, das jeder Kartellierung im Wege steht, noch nicht beseitigt.

Um einen Monopolpreis zu erzielen, muß der Monopolist die Absatzmenge entsprechend verkleinern. Ein Kartell ist im Wesen eine Vereinbarung über die Aufteilung der Menge, die zu dem höheren Monopolpreis verkauft werden kann, auf die einzelnen Mitglieder. Diese Quote« ist für jeden einzelnen Kartellisten kleiner als der Absatz, den er vorher hatte. Das Problem der Bildung und des Funktionierens eines Kartellvertrages ist die Quotenfrage.

Wie die Dinge nun einmal liegen, erscheint es unmöglich, die amerikanischen Landwirte freiwillig zu einem Kartell zusammenzuschließen. Dieser Zustand erscheint der Regierung unerträglich. So hat sie es denn selbst in die Hand genommen, dem Markte für die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte Monopolpreise aufzuzwingen. Viele Milliarden Dollar wurden diesem Zwecke gewidmet; ein täglich wachsender Beamtenapparat wacht über die Ausführung einer Unzahl von Gesetzen und Verordnungen.

Nicht nur der eigenen Landwirtschaft will die Washingtoner Regierung zu Monopol preisen verhelfen, sondern auch der anderer Länder. Nach langen mühsamen Verhandlungen ist es dem State Department gelungen, ein internationales Kaffeeübereinkommen zustande zu bringen, das auf dem Weltmarkte den Kaffeepreis "stabilisieren« soll. Es ist besonders beachtenswert, daß diesem Übereinkommen auch die Sowjet-Union beigetreten ist.

Die Anti-Trust-Abteilung des amerikanischen Department of Justice beschäftigt sich vorzüglich damit, den Zusammenschluß von Unternehmungen zu größeren und wirtschaftlicheren Einheiten zu verhindern. Daneben tritt, mit dem Fortschreiten der inflationistischen Finanzpolitik, immer mehr ihr Bestreben zutage, sich ohne jede gesetzliche Grundlage die Aufgaben eines Preiskommissariats anzumaßen.

Diese Entwicklung ist von der anderer Länder, in denen „Kartell-Ämter“ bestehen, nicht verschieden. Das Gespenst der Monopolpreise ist heute das wirksamste Propagandamittel der auf Staatsallmacht abzielenden Wirtschaftspolitik.

Eine ehrlich auf die Vermeidung von Monopolpreisen abzielende Wirtschaftspolitik hätte vor allem die Unterscheidung von "guten“ und „bösen“ Monopolpreisen aufzugeben. Es steht Regierungen und Parteien, die durch Gesetze und Verträge Monopolpreise für Werke der Kunst und Literatur, für Erfindungen, für Kaffee und Zucker und für manche andere – oft lebenswichtige – Artikel (wie z. B. Weizen, Kartoffel, Kohle und Stahl) schaffen, nicht zu, sich darüber zu entrüsten, daß auch andere Gruppen für ihren Absatz Monopolpreise gerne sehen würden. Um Bestrebungen dieser Art zu vereiteln, genügt es, zu dem guten alten Mittel der bösen Manchesterleute zu greifen, zur Beseitigung jeder Art von Einfuhrbeschränkung und Einfuhrverteuerung.

__________________________

(1) Die Frage, ob Patente und Urheberrechtsschutz gut oder böse sind,
sei hier nicht berührt. Es wird auf diese Gesetze nur verwiesen, um zu
zeigen, daß auf dem Markte besondere Regierungseingriffe erforderlich
sind, um diese Klasse von Monopolpreisen zu ermöglichen.