3.2.2.1. Umverteilung: direkte Subventionierung

I.
II.

I.

[S.167] Die Folge zunehmender staatlicher Ausbeutung ist eine Senkung des zukünftigen gesellschaftlichen Lebensstandards in bezug auf intrinsische Güter und in aller Regel darüber hinaus in bezug auf Austauschgüter. Je größer der Staat wird, umso stärker ist die zukünftige relative Verarmung der Gesellschaft. Dieser allgemeine Effekt, der von jeder staatlichen Politik als einer auf gewalttätigen Aneignungen von Eigentumstiteln beruhenden Handlungsweise ausgeht, wird (ohne seinen grund- [S.168] sätzlichen Charakter dabei zu verlieren) modifiziert, wenn Ausbeutung in besonderen Gestalten auftritt: als Umverteilung im engeren Sinn bloßer Transfertätigkeit oder im weiteren Sinn eigener staatlicher Produktionsaktivitäten, oder als Demokratisierung.

Zunächst: Welche Gestalt nimmt der Prozeß gesellschaftlicher Verarmung an, wenn der Staat sich als einfacher Transferierer von Einkommen und Vermögen betätigt; wenn er zwar selbst einen bestimmten Betrag an Ressourcen beim Prozeß des Transferierens aufzehrt, aber einen darüber hinaus gehenden Restbetrag direkt an außerstaatliche Personen überweist und ihrer Verfügungsgewalt unterstellt?[FN97] Wieder läßt sich ein offenkundiger und ein weniger offenkundiger Effekt unterscheiden. Der erste Effekt ist jedenfalls so häufig in ökonomischen Analysen übereinstimmend herausgearbeitet worden, daß man sich bisweilen wundert, wie sein Eintreten als Folge direkter Subventionierungen mancher Person immer noch als unerwartete Überraschung kommt. – Werden staatlicherseits Transferleistungen an bestimmte Personen oder Personengruppen vorgenommen, so bedeutet dies, daß ihr Einkommen unabhängig von Veränderungen in ihrer eigenen Arbeitsleistung bzw. von Veränderungen in der Bewertung ihrer güter- oder dienstleistungsproduzierenden Tätigkeit durch andere Produzenten-Konsumenten, erhöht wird. Ihr Einkommen steigt, ohne daß sie mehr dafür hätten arbeiten müssen, oder daß man anderen Gesellschaftsmitgliedern gegenüber verstärkt nachgefragte und insofern wertvollere, teurere Leistungen hätte erbringen müssen. Wenn Personen ein höheres einem niedrigeren Einkommen vorziehen, und wenn diese Präferenz umso ausgeprägter ist, je weniger man für dies erhöhte Einkommen tun muß, dann wird ein umso stärkerer Andrang auf solche staatlicherseits subventionierte Positionen einsetzen (vorausgesetzt natürlich, es handelt sich bei den subventionierten Personengruppen um solche, die die Subventionierung aufgrund eines mehr oder weniger beliebig erwerbbaren, nicht aber aufgrund eines unveränderlichen, ‚natürlich gegebenen’ Personenmerkmals wie Alter, Geschlecht u. ä. erhalten).

Erhalten Studenten auf Kosten aller oder bestimmter Nicht-Studenten Transferleistungen, so wird die Zahl der Studenten über das ansonsten erreichte Niveau hinaus ansteigen. Werden Subventionen an Bauern, Arme, Arbeitslose, Kinderreiche, Verheiratete, Berliner oder Zonenrandbewohner, an Schnaps- oder Milchtrinker gezahlt, dann gibt es eine relativ vermehrte Zahl an Bauern, Armen, Arbeitslosen, Kinderreichen usw.; entweder weil mehr Personen als sonst Bauer, Arbeitsloser usw. werden oder weil weniger als sonst ihren Status als Bauer, Arbeitsloser usw. aufgeben. Und genauso: wenn Personen in ihrer Eigenschaft als Produzenten bestimmter Güter oder Dienstleistungen staatlicherseits ein zusätzliches, arbeitsunabhängiges Transfereinkommen erhalten: als Hersteller von Stahl oder Butter, von Straßen oder Kanälen, so wird es mehr Stahl, Butter, Straßen und Kanäle geben als es ohne Subventionierung der Fall gewesen wäre.

Damit nicht genug. Wie ökonomische Analysen bezüglich der Folgen staatlichen [S.169] Interventionismus immer wieder deutlich gemacht haben,[FN98] zieht ein Schritt fast zwangsläufig den nächsten nach sich: Steigt die Zahl der Studenten, der Arbeitslosen oder der Schnapstrinker, oder steigt die Produktion von Stahl oder Straßen, so sinkt ceteris paribus (d. i. bei unveränderter Nachfrage) der entsprechende Preis. Der einzelne Student kann angesichts der vermehrten Studentenzahl nur noch ein relativ verringertes Einkommen am Markt erzielen, und Stahl wird angesichts der erhöhten Stahlmenge billiger. Dies Ergebnis läuft der mit der ursprünglichen Intervention verbundenen Absicht zuwider. Der Staat wollte das Einkommen von Studenten, Arbeitslosen, Stahlproduzenten vermehren; und nun stellt sich heraus, daß man lediglich deren Zahl (Menge) vermehrt hat, und das Einkommen des einzelnen wieder fällt. Der Staat könnte es bei dieser Episode belassen: entsprechend den gefallenen Preisen käme es zu einem Rückgang in der Produktion von Stahl, und ebenso würde die Zahl von Studenten oder Arbeitslosen zurückgehen. Freilich entspricht ein solches Vorgehen nicht der ‚Logik des Staates’. Der Staat würde hiermit indirekt die Unsinnigkeit des ersten Eingriffs zugeben! Statt dessen folgt der zweite Eingriff: Unter Fortsetzung und gleichzeitigem Ausbau des Subventionierungssystems versucht man die Folgen des ersten Eingriffs zu verdecken bzw. ihr Sichtbarwerden zeitlich hinauszuschieben (freilich nur, um die Probleme langfristig zu verschärfen!). Man erhöht die staatliche Subventionierung für Studenten oder Stahl, um den ansonsten zu erwartenden Preisverfall aufzuhalten; und natürlich ist dies zweite Unternehmen teurer als das erste, weil man es inzwischen mit relativ vermehrten Zahlen (Mengen) von Studenten (Stahl) zu tun hat. Die staatlichen Möglichkeiten sind im Detail vielfältig, im Kern aber immer gleich: Man verhindert z. B. den Preisverfall bei Stahl oder Butter, indem man selbst als garantiepreiszahlender Aufkäufer auftritt; da sich die reale Nachfrage jedoch nicht geändert hat, muß der Überschuß eingelagert werden (was zusätzliche Lagerkosten verursacht); folglich vernichtet man diese Überschüsse, oder läßt sie verrotten, oder verramscht sie an (und subventioniert auf diese Weise) das Ausland; da diese Technik die Fehlerhaftigkeit staatlicher Politik jedoch allzu sichtbar werden läßt, geht man aus strategisch wichtigen sozialpsychologischen Gründen dazu über, Produktionsquoten für Stahl zu erlassen; man bezahlt die Stahlproduzenten dafür, daß sie bestimmte Mengen Stahl, die ansonsten produziert und gelagert würden, gar nicht erst herstellen; aber Quotierungen begünstigen die vergleichsweise ineffizienten Stahlproduzenten auf Kosten der effizienteren, und ebenso existierende Stahlproduzenten auf Kosten von Newcomern (denn letztere können bei Quotenfestsetzungen natürlich überhaupt nicht berücksichtigt worden sein, und durch eine Quotierung wird die ökonomische Tendenz effizienterer Produzenten, ihre Marktanteile zuungunsten weniger effizienter auszuweiten, unterdrückt) und verursachen insofern weitere, zusätzliche Kosten; und Festsetzungen von Produktionsquoten sind wegen ihrer eingebauten relativen Zusatzvergünstigung für ineffizientere Produzenten nur instabile Zustände, denn solange es keine perfekte Produktionsüberwachung gibt (die wieder zusätzliche Mittel verschlingen würde), solange besteht für einen effiziente- [S.170] ren Produzenten der Anreiz, seine Quoten zu überschreiten (Was die zur Unterstützung gewissenhaft-ineffizienter Quotenproduzenten erforderlichen Subventionszahlungen abermals erhöhte); und schließlich, um endlich Stabilität in die Angelegenheit zu bekommen, nimmt der Staat, gemäß der ihm eigenen Logik, die Produktionsmittel uneinsichtigen Privatunternehmungen aus den Händen, und eignet sie sich selbst an (Sozialismus als ‚logischer’ Endpunkt von Subventionierung!).[FN99] Ähnlich im Fall von Studenten: Der Staat stoppt den drohenden Preisverfall bei Studenten, indem er sie z. B. vermehrt in den Staatsdienst übernimmt; dies aber vergrößert das Kostenproblem in der nächsten Runde, denn als öffentlich Bedienstete müssen auch sie (und in der Regel bei höherem Gehalt) subventioniert werden; also muß der Staat erneut zum Mittel der Produktionsquotenfestsetzung greifen. Solange es private Universitäten als Studenten produzierende Ausbildungsstätten gibt, führt dies jedoch wieder nur zu einer offenkundig ineffizienten und instabilen Lösung, da die am stärksten nachgefragten Universitäten durch Quotierungen besonders benachteiligt werden. Folglich sieht sich der Staat veranlaßt (wenn er es nicht ohnehin schon aus strategischen Gründen getan hat), die Universitäten zu verstaatlichen; das Problem der Durchsetzung der Produktionsquotenfestsetzungen ist damit gelöst: die Lösung ist ein Numerus clausus und ein staatlich geregeltes Universitätszugangsverfahren. Und wieder hat die Lösung ihren Preis: er besteht in einem relativen Produktivitätsrückgang bei den ausbildenden Institutionen (da das Verfahren attraktivere gegenüber unattraktiveren Universitäten und private Newcomerkonkurrenz gegenüber bestehenden Einrichtungen benachteiligt); und angesichts einer auf diese Weise insgesamt relativ verschlechterten Qualität der Universitätsausbildung sinkt ceteris paribus der Marktwert von Studenten über das durch ihre zahlenmäßige Vermehrung bereits ausgelöste Maß hinaus weiter ab (und verursacht insofern weitere Folgekosten).

Immer wieder zeigt die Konstruktion solcher Ereignisketten, die sich für beliebige Subventionsformen durchführen lassen, ein identisches Muster gesellschaftlicher Verarmung.[FN100] Jede Subvention verringert das Einkommen selbständiger Produzenten-Konsumenten in mehrfacher Hinsicht: Zunächst haben sie die Güter kostenaufwendig herzustellen, die dann anderen, staatlicherseits subventionierten Personen zugeteilt werden. Dann müssen sie erhöhte Preise für die durch die subventionierten Personen produzierten Güter bzw. Leistungen zahlen. Des weiteren haben sie die Zeche für vergeudete, verrottende, verschenkte Überschüsse bzw. für die staatlich subventionierte Nicht-Produktion solcher Überschüsse zu begleichen. Und schließlich müssen sie noch den Preis dafür entrichten, daß bestimmte, dringender benötigte Güter überhaupt nicht oder nur in verringerter Menge und zu höheren Preisen hergestellt werden, weil die zu ihrer Herstellung benötigten knappen Ressourcen statt dessen in den subventionierten Produktionszweigen gebunden sind.

Darüber hinaus hat jede Subvention, wie gezeigt, die Tendenz, ständig wachsen- [S.171] de, zusätzliche Subventionsbedarfe zu erzeugen; denn weil sich jede Subventionierung in der angegebenen, mehrfachen Weise als gesellschaftliche Verarmung äußert und damit mehr oder weniger auffällig in Erscheinung tretende soziale Folgeprobleme mit sich bringt, und weil der Staat gemäß der ihm eigenen, von wirtschaftlichen Argumenten unbeeindruckbaren Logik, diese nicht als Folgen eigenen Handelns einsehen kann oder will (ohne aber doch ihre reale Existenz leugnen zu können!), ergibt sich für ihn der Zwang zu ständig zunehmenden (für die Beseitigung der Mehrfachfolgen früherer Subventionierungen eingesetzten) Transferzahlungen, und der Prozeß der Misallokation von Produktionsfaktoren schreitet entsprechend immer weiter voran und erhöht die strukturellen Anpassungsprobleme, die sich im Fall eines Subventionierungsstopps ergeben würden.