Kapitel 1: Über die Begründbarkeit normativer Gesellschaftstheorien. Die Theorie des individualistischen Anarchismus

I.
II.
III.
IV.
Fußnoten zu Kapitel 1

I.

[S.11] Normative Gesellschaftstheorien lassen sich nicht
wissenschaftlich begründen; Annahme oder Ablehnung solcher Theorien ist
mehr oder weniger Geschmacksfrage – diese Auffassung ist zwar
keineswegs unbestritten (insbesondere unter Philosophen [FN1]),
aber vermutlich stellt sie unter Fachwissenschaftlern derzeit nach wie
vor die Mehrheitsmeinung dar. – Demgegenüber möchte ich zu zeigen
versuchen, erstens, daß sich Normen bzw. normative
Gesellschaftstheorien nicht weniger streng begründen lassen als
Aussagen der empirischen oder analytischen Wissenschaften. Im Verlauf
dieses Nachweises will ich zweitens zeigen, welche Normen sich auf
diese Weise begründen lassen – nämlich die Normen, die die Grundlage
der sogenannten Theorie des individualistischen Anarchismus bilden [FN2]
- und welche Normen andererseits als unbegründbar gelten müssen.
Drittens möchte ich verdeutlichen, in welchem Ausmaß faktisch
existierende gesellschaftliche Normensysteme im eindeutigen Widerspruch
zu diesem begründungsfähigen Normensystem stehen. Und schließlich
möchte ich, viertens, der Frage nachgehen, warum Gesellschaften,
insbesondere die demokratischen Industriegesellschaften, trotz des
Ausmaßes derartiger Diskrepanzen, ein so hohes Maß an innerer
Stabilität aufweisen.