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Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems (1923)

IV. Die Relation.
V. Die Bedenken der Anhänger der „Zahlungs-Bilanztheorie“.
Vl. Das Argument des Inflationismus.
VII. Die neue Geldverfassung.
VIII. Die ideologische Bedeutung der Reform.

VIII. Die ideologische Bedeutung der Reform.

(36) Die grob materialistische Auffassung, die sich unsere Zeit für die Erklärung jeglichen Geschehens zurecht gezimmert hat, sieht in der Geldentwertung einen durch bestimmte „materielle“ Ursachen bewirkten Vorgang und sucht nach irgendwelchen währungstechnischen Mitteln, um sie zu bekämpfen. Man merkt nicht oder will nicht merken, daß die Wurzeln der Geldentwertung ideologischer Natur sind. Nicht die „wirtschaftliche Lage“ bringt die Geldentwertung mit sich, sondern die inflationistische Politik. Das Übel ist geistiger Art. Das Verkennen des Wesens des Geldes und die schiefe Beurteilung der Folgen der Geldentwertung haben die nun allgemein beklagten Zustände geschaffen. Der Inflationismus ist auch keine isolierte Erscheinung; er ist nur ein Glied des gesamten wirtschaftspolitischen und sozialphilosophischen Ideengebäudes unserer Zeit. Er gehört zum Imperialismus, zum Militarismus, zum Protektionismus, zum Etatismus, zum Sozialismus wie die Gut-Geld-Politik der Goldwährungsleute zum Liberalismus, zum Freihandel, zum Kapitalismus, zum Pazifismus gehört hatte. Und wie die Weltkatastrophe, die über die Menschheit seit 1914 hereingebrochen ist, kein Elementarereignis ist, sondern das notwendige Ergebnis der Ideen, die unsere Zeit beherrschen, so ist auch die Zerrüttung des Geldwesens nichts als die notwendige Folge der Herrschaft bestimmter geldwertpolitischer Ideologien.

Die etatistische Theorie hat alle gesellschaftlichen Erscheinungen durch das Wirken von geheimnisvollen Machtfaktoren zu erklären gesucht. Sie hat bestritten, daß es gelingen könnte, Gesetze der Preisbildung aufzuzeigen. Sie hat in Verkennung der Bedeutung der Warenpreise für die Bildung der zwischen mehreren Geldarten bestehenden Austauschverhältnisse zwischen „Binnenwert“ und „Außenwert“ des Geldes zu unterscheiden und die Veränderungen der Valutenkurse auf die Zahlungsbilanz, auf die Tätigkeit der Spekulation und auf politische Faktoren zurückzuführen gesucht. Sie hat die Banking-Lehre rezipiert, (37) ohne irgendwie auf die gewichtige Kritik der Currency-Lehre zu achten. Sie hat schließlich die Lehre der Kanonisten und mittelalterlichen Hofjuristen wieder erneuert, daß das Geld ein Geschöpf des Staates und der Rechtsordnung sei. So hat sie den geistigen Boden vorbereitet, auf dem sich der Inflationismus der letzten Jahre entwickeln konnte. Man irrt daher sehr, wenn man meint, man könnte wieder zu geordneten Währungsverhältnissen gelangen, ohne daß sich in der Wirtschaftspolitik Wesentliches zu ändern brauchte. Was zunächst und in erster Linie nottut, ist die Abkehr von allen inflationistischen Irrlehren. Doch diese Abkehr kann nicht von Dauer sein, wenn sie nicht durch vollständige Loslösung des Denkens von allen imperialistischen, militaristischen, protektionistischen, etatistischen und sozialistischen Ideen fest begründet wird.